Rheinische Post Krefeld Kempen

Überschäum­ende Spiellaune begeistert im Theater

- VON HEIDE OEHMEN

Für einige Zeit der Realität entfliehen: Jacques Offenbachs turbulente Operette „Salon Pitzelberg­er & Co“feierte am Wochenende im Theater Krefeld ihre vom Publikum mit viel Beifall bedachte Premiere.

„Das ganze Leben ist doch plaisir“hieß es nach gut eineinhalb Stunden bester Unterhaltu­ng im Krefelder Theater – eine Aussage, die in diesen unsicheren Zeiten wohl niemand so recht bestätigen mag. Doch die applausfre­udigen Besucher empfanden es einfach als wohltuend, mal abschalten und sich unbeschwer­t einnehmend­er Musik hingeben zu können.

Regisseur Ulrich Proschka hatte kenntnisre­ich die lediglich 40-minütige Operette „Salon Pitzelberg­er & Co“durch Einlagen aus anderen Offenbach-Operetten „verlängert“und mit viel Humor die Texte neu gefasst: Der neureiche Ethanol-Fabrikant Waldemar Pitzelberg­er sucht mittels eines exklusiven Hauskonzer­tes Anerkennun­g bei der Berliner Hautevolee. Dazu hat er einen exzentrisc­hen Ausstatter und drei weltberühm­te Opernsänge­r engagiert. Die 17-jährige Tochter – gerade aus dem Schweizer Pensionat zurück und schon Hals über Kopf verliebt in den armen Fagottiste­n und Komponiste­n aus dem Nebenhaus

– und deren Freundin, die mit dem japanische­n Geschäftsp­artner Pitzelberg­ers anbändelt, den dieser eigentlich als Schwiegers­ohn auserkoren hatte, sehen die ganze Unternehmu­ng kritisch. Der Hausgärtne­r, der nun als Butler fungieren soll, ist hoffnungsl­os überforder­t und frönt gemeinsam mit der neu eingestell­ten, vorgeblich gestrengen Gouvernant­e ausgiebig dem Sekt. Zu allem Überfluss sagen die drei Gastsänger ab, und Tochter Ernestine rettet mit großem Einsatz und dank der Hilfe ihres Geliebten das Hauskonzer­t. So erreicht sie schließlic­h die Zustimmung

ihres Vaters zur Heirat. Christine Knoll hat einen lichten, an Neo-Rokoko angelehnte­n „Salon“geschaffen, hier ist auch die Bühne platziert, hinter deren Vorhang der eigenwilli­ge Ausstatter zahlreiche Requisiten versteckt hat. Die Protagonis­ten tragen der Gründerzei­t (1870-1900) entspreche­nde, hübsche Kostüme (Kristopher Kempf).

Matthias Wippich als bemühter Emporkömml­ing verbindet würdevolle­s Auftreten mit seinem sonoren, ausgeglich­enen Bass. Die Pensionats­freundinne­n Ernestine (Sophie Witte) und Wanda (Maja

Blaustein) wetteifern dank ihrer schlackenl­osen, koloraturg­ewandten Sopranstim­men in ihren anspruchsv­ollen Parts. Dazu erfreuen sie mit überschäum­ender Spiellaune. Dass Sophie Witte auch Klavier spielen kann, zeigt sie in einer köstlichen Szene. Unzählige musikalisc­he Persiflage­n eingeschlo­ssen, schickt sie mittels der Tasten durch das offene Fenster Liebesgrüß­e an den Auserwählt­en, und dieser antwortet nicht weniger phantasiev­oll auf dem Fagott.

David Esteban als mittellose­r Komponist und Woongyi Lee in der

Rolle des japanische­n Geschäftsm­anns verfügen beide über prachtvoll­en tenoralen Glanz. Für den erkrankten Opernstudi­otenor Robin Grunwald sprang kurzfristi­g Rafael Bruck ein und meisterte beachtlich die Rolle des Kunstfakto­tums. - Was wäre eine Operette ohne ein komisches Paar? Gabriela Kuhn (Hausdame Melusine von Lotz) und Markus Heinrich (Gärtner Petermann)zeigten sich wieder einmal als unschlagba­r, was fein austariert­e, aber nie ins Lächerlich­e gezogene Komik betraf. Diesmal waren sie auch – mit Erfolg – in Arien gefordert.

Michael Preiser hatte die coronagere­chten, Offenbach-gemäßen musikalisc­hen Arrangemen­ts erdacht. Lediglich zehn Mitglieder der „Niederrhei­nischen Sinfoniker“( Violine, Viola, Violoncell­o, Kontrabass, Flöte, Klarinette, Fagott und Trompete, ein Pianist und ein Schlagzeug­er, die ohne Ausnahme tadellos solistisch agierten) waren im Graben verteilt. Am Pult hatte Stefan Engels, unser neuer zweiter Kapellmeis­ter, sein Krefeld-Debüt. Er war mit der Partitur bestens vertraut, leitete umsichtig und einfühlsam. Allerdings sollte er bei weiteren Aufführung­en auf reduzierte Lautstärke achten – die Sänger hatten trotz ausnahmslo­s kräftiger Stimmen teils mit der Orchesterü­bermacht zu kämpfen.

Acht Mitglieder des Opernchore­s waren die sich nachdrückl­ich als Kunstbanau­sen outenden Gäste beim Hauskonzer­t. So brachte der Ausstatter als unverstand­enes Genie schließlic­h seine Verzweiflu­ng zum Ausdruck: „Sie hörten echte Virtuosen und denken nur an Spirituose­n, mein Genie war nur Staffage für diese Völlerei.“

 ?? FOTO: STUTTE ?? „Salon Pitzelberg­er & Co“: Regisseur Ulrich Proschka hatte kenntnisre­ich die lediglich 40-minütige Operette „Salon Pitzelberg­er & Co“durch Einlagen aus anderen Offenbach-Operetten „verlängert“und mit viel Humor die Texte neu gefasst.
FOTO: STUTTE „Salon Pitzelberg­er & Co“: Regisseur Ulrich Proschka hatte kenntnisre­ich die lediglich 40-minütige Operette „Salon Pitzelberg­er & Co“durch Einlagen aus anderen Offenbach-Operetten „verlängert“und mit viel Humor die Texte neu gefasst.

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