Rheinische Post Krefeld Kempen
So sieht die neue Normalität an Unis aus
Im Wintersemester sollen mit der 3G-Regel bis zu zwei Drittel der Lehrveranstaltungen wieder in Präsenz stattfinden. Die Zahl der Erstsemester geht zurück. Die Landesrektoren sorgen sich um das Leistungsniveau künftiger Studierender.
DÜSSELDORF Die Universitäten und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen starten wieder in den Präsenzbetrieb. Im gerade begonnenen Wintersemester würden bis zu zwei Drittel der Lehrveranstaltungen in Präsenz abgehalten, sagte Lambert T. Koch, Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Universitäten in NRW, am Montag in Düsseldorf. Nur große Vorlesungen würden weiterhin online stattfinden.
Das Wintersemester 2021/22 ist das vierte unter Pandemiebedingungen. Studierende, die im Sommersemester 2020 ihr Studium aufnahmen, haben vielfach noch nie eine Vorlesung oder ein Seminar besucht. Studierendenvertretungen beklagen, dass der psychosoziale Beratungsbedarf bei Studierenden stark gestiegen sei. Inzwischen sind über 80 Prozent der Studierenden geimpft, die Impfquote unter den Mitarbeitern liegt noch darüber.
„Keine leichte Zeit war das“, sagte die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Isabel PfeifferPoensgen (parteilos). Studierende, aber auch Mitarbeiter hätten ein hohes Maß an Flexibilität zeigen müssen. Gleichzeitig dämpfte die Ministerin die Erwartungen für die kommenden Wochen: „Es wird sicherlich noch kein normales Wintersemester.“Immerhin seien Präsenzveranstaltungen nun der Regelfall. Die Universitäten würden wieder zu Orten persönlicher Begegnungen und des wissenschaftlichen Austauschs: Ein Studium bestehe eben nicht nur aus dem Ansammeln von Wissen, es handle sich um eine besondere Lebensphase: „Kontakte auf dem Campus gehören dazu“, sagte Pfeiffer-Poensgen.
Einzige konkrete Vorgabe der Landesregierung für die Hochschulen ist, dass es Zugangskonzepte geben muss und die 3G-Regel (Geimpft, Genesen oder Getestet) stichprobenartig kontrolliert wird. Wie dies geschieht, ist den Hochschulen selbst überlassen.
„Es ist wohltuend, dass es keine Detailsteuerung vonseiten des Landes gibt“, lobte der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in NRW, Bernd Kriegesmann. Jede Hochschule habe ein passgenaues Zugangssystem entwickelt, 20 verschiedene Lösungen für die Zutrittskontrolle gebe es damit in NRW. Digitale Veranstaltungen werde es aber auch nach der Pandemie an den Hochschulen weiterhin geben.
Wie bereits in der vergangenen Woche bekannt wurde, nutzen manche Universitäten für die Zugangskontrolle eine Art Plakette, die auf den Studierendenausweis geklebt wird. Andere haben ein System entwickelt, das an das Boarding im Flughafen erinnert.
Nordrhein-Westfalens größte Universität Köln lädt am kommenden Montag alle Semester, die in der Pandemie ihr Studium begonnen haben, zu einer Auftaktveranstaltung ins Fußballstadion. Nach der seit Freitag geltenden Coronaschutzverordnung dürfen in Fußballstadien alle Sitzplätze wieder belegt werden. Anders als beim Fußball verhängt die Uni aber die 2GRegel. Ein negativer Test allein reicht also für die Teilnahme nicht.
Die Pandemie schlägt sich auch in sinkenden Erstsemesterzahlen nieder. Im Vergleich zum Vorjahr entschieden sich nach ersten Schätzungen der Wissenschaftsministerin 93.000 und damit 5,1 Prozent weniger für ein Studium in Nordrhein-Westfalen. Koch begründete den Rückgang mit sinkenden Zahlen ausländischer Studierender. Viele junge Erwachsene würden aber ihr Studium lediglich aufschieben, weil sie ein Online-Studium vermeiden wollten.
Die Landesrektoren rechnen mit längerfristigen Folgen der Pandemie: Viele Schüler würden voraussichtlich wegen der langen Phase des Schul-Lockdowns und versäumter Lerninhalte beim Wechsel an die Unis Probleme bekommen. Für konkrete Anhaltspunkte eines solchen nachhaltigen Corona-Effekts sei es zwar noch zu früh, „aber von der Plausibilität her erwarten wir das nicht nur im nächsten oder übernächsten Jahr, sondern in den nächsten Jahren“, so Kriegesmann. Schließlich seien auch Grundschüler stark betroffen.
Bisher seien deutlich höhere Durchfallquoten der Studierenden nicht festzustellen. Dies hätten auch zusätzliche Freiversuchsregelungen verhindert. Ein Teil der Studierenden wolle zudem Prüfungen in diesem oder nächsten Semester nachholen, was zu einer Verlängerung der Studiendauer um ein oder zwei Semester führe.