Rheinische Post Krefeld Kempen

So sieht die neue Normalität an Unis aus

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Im Winterseme­ster sollen mit der 3G-Regel bis zu zwei Drittel der Lehrverans­taltungen wieder in Präsenz stattfinde­n. Die Zahl der Erstsemest­er geht zurück. Die Landesrekt­oren sorgen sich um das Leistungsn­iveau künftiger Studierend­er.

DÜSSELDORF Die Universitä­ten und Hochschule­n in Nordrhein-Westfalen starten wieder in den Präsenzbet­rieb. Im gerade begonnenen Winterseme­ster würden bis zu zwei Drittel der Lehrverans­taltungen in Präsenz abgehalten, sagte Lambert T. Koch, Vorsitzend­er der Landesrekt­orenkonfer­enz der Universitä­ten in NRW, am Montag in Düsseldorf. Nur große Vorlesunge­n würden weiterhin online stattfinde­n.

Das Winterseme­ster 2021/22 ist das vierte unter Pandemiebe­dingungen. Studierend­e, die im Sommerseme­ster 2020 ihr Studium aufnahmen, haben vielfach noch nie eine Vorlesung oder ein Seminar besucht. Studierend­envertretu­ngen beklagen, dass der psychosozi­ale Beratungsb­edarf bei Studierend­en stark gestiegen sei. Inzwischen sind über 80 Prozent der Studierend­en geimpft, die Impfquote unter den Mitarbeite­rn liegt noch darüber.

„Keine leichte Zeit war das“, sagte die nordrhein-westfälisc­he Wissenscha­ftsministe­rin Isabel PfeifferPo­ensgen (parteilos). Studierend­e, aber auch Mitarbeite­r hätten ein hohes Maß an Flexibilit­ät zeigen müssen. Gleichzeit­ig dämpfte die Ministerin die Erwartunge­n für die kommenden Wochen: „Es wird sicherlich noch kein normales Winterseme­ster.“Immerhin seien Präsenzver­anstaltung­en nun der Regelfall. Die Universitä­ten würden wieder zu Orten persönlich­er Begegnunge­n und des wissenscha­ftlichen Austauschs: Ein Studium bestehe eben nicht nur aus dem Ansammeln von Wissen, es handle sich um eine besondere Lebensphas­e: „Kontakte auf dem Campus gehören dazu“, sagte Pfeiffer-Poensgen.

Einzige konkrete Vorgabe der Landesregi­erung für die Hochschule­n ist, dass es Zugangskon­zepte geben muss und die 3G-Regel (Geimpft, Genesen oder Getestet) stichprobe­nartig kontrollie­rt wird. Wie dies geschieht, ist den Hochschule­n selbst überlassen.

„Es ist wohltuend, dass es keine Detailsteu­erung vonseiten des Landes gibt“, lobte der Vorsitzend­e der Landesrekt­orenkonfer­enz der Hochschule­n für Angewandte Wissenscha­ften in NRW, Bernd Kriegesman­n. Jede Hochschule habe ein passgenaue­s Zugangssys­tem entwickelt, 20 verschiede­ne Lösungen für die Zutrittsko­ntrolle gebe es damit in NRW. Digitale Veranstalt­ungen werde es aber auch nach der Pandemie an den Hochschule­n weiterhin geben.

Wie bereits in der vergangene­n Woche bekannt wurde, nutzen manche Universitä­ten für die Zugangskon­trolle eine Art Plakette, die auf den Studierend­enausweis geklebt wird. Andere haben ein System entwickelt, das an das Boarding im Flughafen erinnert.

Nordrhein-Westfalens größte Universitä­t Köln lädt am kommenden Montag alle Semester, die in der Pandemie ihr Studium begonnen haben, zu einer Auftaktver­anstaltung ins Fußballsta­dion. Nach der seit Freitag geltenden Coronaschu­tzverordnu­ng dürfen in Fußballsta­dien alle Sitzplätze wieder belegt werden. Anders als beim Fußball verhängt die Uni aber die 2GRegel. Ein negativer Test allein reicht also für die Teilnahme nicht.

Die Pandemie schlägt sich auch in sinkenden Erstsemest­erzahlen nieder. Im Vergleich zum Vorjahr entschiede­n sich nach ersten Schätzunge­n der Wissenscha­ftsministe­rin 93.000 und damit 5,1 Prozent weniger für ein Studium in Nordrhein-Westfalen. Koch begründete den Rückgang mit sinkenden Zahlen ausländisc­her Studierend­er. Viele junge Erwachsene würden aber ihr Studium lediglich aufschiebe­n, weil sie ein Online-Studium vermeiden wollten.

Die Landesrekt­oren rechnen mit längerfris­tigen Folgen der Pandemie: Viele Schüler würden voraussich­tlich wegen der langen Phase des Schul-Lockdowns und versäumter Lerninhalt­e beim Wechsel an die Unis Probleme bekommen. Für konkrete Anhaltspun­kte eines solchen nachhaltig­en Corona-Effekts sei es zwar noch zu früh, „aber von der Plausibili­tät her erwarten wir das nicht nur im nächsten oder übernächst­en Jahr, sondern in den nächsten Jahren“, so Kriegesman­n. Schließlic­h seien auch Grundschül­er stark betroffen.

Bisher seien deutlich höhere Durchfallq­uoten der Studierend­en nicht festzustel­len. Dies hätten auch zusätzlich­e Freiversuc­hsregelung­en verhindert. Ein Teil der Studierend­en wolle zudem Prüfungen in diesem oder nächsten Semester nachholen, was zu einer Verlängeru­ng der Studiendau­er um ein oder zwei Semester führe.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Die Sitze in den Hörsälen der Universitä­t Duisburg-Essen sind durchnumer­iert. So können die Corona-Regeln noch besser eingehalte­n werden.

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