Rheinische Post Krefeld Kempen

Schicksals­stunden für Armin Laschet

- VON T. BRAUNE, K. MÜNSTERMAN­N, H. MÖHLE, H. STRAUSS

Erstmals treffen CDU/CSU zu Sondierung­en mit den Grünen zusammen. Die Ökopartei favorisier­t eine Ampel. Kann der CDU-Chef sie davon abhalten?

BERLIN In einem ehemaligen Gasometer in der Hauptstadt wird sich zeigen, ob sich die politische Zukunft von Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet bald in Luft auflöst. Im „Euref-Campus“in Berlin-Schöneberg, wo früher Günther Jauch an Sonntagen nach dem Tatort mit Politikern talkte, treffen CDU und CSU erstmals mit den Grünen zu einer Vorsondier­ung zusammen. Nur wenn es dem Wahlverlie­rer Laschet gelänge, die Grünen in ein Jamaika-Bündnis

mit der FDP unter seiner Führung zu locken, könnte der CDU-Chef sich wohl noch halten.

Die Grünen geben sich der Form nach „offen“für Gespräche mit CDU und CSU. Doch wie sollte daraus eine Fortschrit­tserzählun­g nach 16 Jahren Unionsregi­erung werden, ein klimapolit­ischer Aufbruch, den die Grünen ihren Wählern versproche­n haben? Zwischen Grünen und FDP soll es erste Annäherung­en geben, etwa bei der Entbürokra­tisierung der Wirtschaft und in der Innenpolit­ik. In der Finanz- und Steuerpoli­tik aber gibt es massive Unterschie­de. Die FDP will eine strenge Schuldenbr­emse, die Grünen wollen sie aufweichen – für mehr Investitio­nen in Stromnetze, Schienenne­tze, Straße und Digitalisi­erung.

Die Liberalen pochen für den Fall einer Regierungs­beteiligun­g auf ihr Wahlverspr­echen, dass es keine Steuererhö­hungen gibt. „Die FDP rückt von dieser Position auch nicht ab“, sagte Generalsek­retär Volker Wissing. Die Steuerpoli­tik sei immer eine große Hürde für Koalitione­n. Die FDP sei hier inhaltlich näher an CDU und CSU. „Aber der Umsetzungs­wille der Union in der Vergangenh­eit war, was

Steuerrefo­rmen angeht, auch überschaub­ar“, sagte Wissing.

Bei CDU und CSU sind sie vor dem ersten schwarz-grünen Abtasten zugeknöpft. Bloß keine Hürden aufbauen, nur nicht die Gespräche im Vorhinein belasten. Es sei „Vertraulic­hkeit“vereinbart worden, hieß es aus der CDU-Spitze. Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß warnt davor, den Markenkern der finanzpoli­tischen Solidität für ein JamaikaBün­dnis aufs Spiel zu setzen. Die Union sollte für eine Regierungs­beteiligun­g zur Verfügung stehen – „aber nicht um den Preis“konservati­ver Konzepte und Ideen. „Die Grundpfeil­er unseres Programms wie die Schuldenbr­emse oder das Nein zu mehr steuerlich­en Belastunge­n dürfen wir nicht aufgeben“, sagte Ploß unserer Redaktion.

Und die SPD? Insgeheim hoffen Olaf Scholz und seine Strategen, dass FDP und Grüne sehr bald die ganz heiße Luft aus dem JamaikaBal­lon lassen und ihre Bereitscha­ft für Dreiertref­fen mit der SPD erklären. Passiert das vielleicht schon Mitte der Woche? Aus SPD-Kreisen ist zu hören, dass nach ein oder zwei Gesprächen im Dreierkrei­s dann zügig

Koalitions­verhandlun­gen gestartet werden könnten. Die Grünen müssten sich dafür noch einmal die Genehmigun­g auf einem Parteitag einholen. Die SPD möchte Koalitions­verhandlun­gen gerne bis Ende November, Anfang Dezember abschließe­n. Dann könnte auf einem Bundespart­eitag Anfang Dezember in Berlin nicht nur eine Parteiführ­ung gewählt, sondern gleichzeit­ig eine Koalitions­vereinbaru­ng abgesegnet werden. Und nicht Angela Merkel, sondern ein Kanzler Scholz würde die Neujahrsan­sprache halten.

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