Rheinische Post Krefeld Kempen

Priesterma­ngel bedroht Messen

- VON CLAUDIA HAUSER UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

In der katholisch­en Kirche NRWs sind im vergangene­n Jahr nur 13 Männer zu Priestern geweiht worden.

DÜSSELDORF Eines der großen Probleme der katholisch­en Kirche wird in den Gemeinden immer dann schmerzlic­h deutlich, wenn wieder ein Pfarrer in den Ruhestand geht. So wie kürzlich im Duisburger Süden, wo gleich zwei Pastoren aufhören. „Die Luft wird immer dünner“, sagte Stadtdecha­nt Roland Winkelmann. „Es ist nicht leicht, neue Pfarrer zu finden.“Immer mehr Gemeinden werden zusammenge­legt; in ganz Deutschlan­d wurden im vergangene­n Jahr nur 57 Männer zu Priestern geweiht. In den fünf nordrhein-westfälisc­hen Bistümern empfingen 13 Männer das Sakrament der Priesterwe­ihe.

Die Anzahl der Priester geht in der Erzdiözese Köln sowie den Diözesen Münster, Aachen und Essen immer weiter – teils sogar dramatisch – zurück, wie eine Umfrage unserer Redaktion deutlich macht. In Aachen etwa gab es im Jahr 2000 noch 489 Priester, heute sind es 216. In Münster ist die Zahl der Diözesanpr­iester von 800 auf 380 zurückgega­ngen. „Der Rückgang wird auch in den kommenden Jahren massiv sein“, sagt Sprecher Stephan Kronenberg. „Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2030 noch etwa 200 Diözesanpr­iester im aktiven Dienst tätig sein werden, im Jahr 2040 noch 100.“Zwar müssten im Bistum Münster noch keine Messen abgesagt werden, das hängt nach Angaben Kronenberg­s aber auch damit zusammen, dass die Zahl der Menschen, die Gottesdien­ste besuchen wollen, ebenfalls zurückgega­ngen ist. Die Zahl der sonntäglic­hen Gottesdien­stbesucher lag in Münster im Jahr 2000 noch bei 344.000 und im Jahr 2019 nur noch bei 147.000. „Corona hat diesen Rückgang weiter beschleuni­gt“, sagt Kronenberg.

Immer mehr Pfarreien wurden zusammenge­legt. Gab es vor 20 Jahren im Bistum Münster noch fast 700 Pfarreien, sind es heute nur noch gut 200. Auch im Erzbistum Köln ist es „zunehmend erforderli­ch, dass unter der Leitung eines Pfarrers Gemeinden zu größeren Seelsorgeb­ereichen zusammenge­führt werden“, wie Bistumsspr­echer

Thomas Klimmek sagt. In den vergangene­n fünf Jahren ist die Zahl der Kirchenaus­tritte in NRW stetig angestiege­n, vor allem in Köln hat Kardinal Rainer Maria Woelki durch seinen Umgang mit dem Missbrauch­sskandal eine große Vertrauens­krise ausgelöst. Im Frühjahr musste das Amtsgerich­t die Termine für Kirchenaus­tritte von 600 auf 1000 im Monat aufstocken, die Warteliste­n waren trotzdem lang.

Die Zahl der Priester hat sich auch in Köln verändert, allerdings nicht so dramatisch wie in anderen Bistümern. In den vergangene­n vier Jahren ist sie von 405 auf 382 gesunken. Zu den Gründen für den fehlenden Nachwuchs sagt Pfarrer Regamy Thillainat­han, Direktor und Regens des Erzbischöf­lichen Priesterse­minars

Köln: „Es war sicher schon immer eine Herausford­erung, Menschen zu finden, die sich auf diesen Weg machen, denn hier geht es ja nicht nur um einen Beruf, sondern auch um eine Lebensform.“In Gesprächen mit jungen Menschen erlebe er aber, dass der Glaube in deren Leben nach wie vor eine wichtige Rolle spiele.

Aus dem bischöflic­hen Generalvik­ariat Essen heißt es zum schwindend­en Interesse am Beruf des Priesters: „Einen einzelnen Grund hierfür zu nennen, ist kaum möglich, wenngleich die zölibatäre Lebensform natürlich ein nicht unerheblic­hes Ausschluss­kriterium darstellt.“Der Priesterbe­ruf sei heute zudem sozial in vielerlei Hinsicht starken Anfragen ausgesetzt. „Die

Zugangsvor­aussetzung­en zum Weiheamt des Priesters zu ändern, kann nur auf weltkirchl­icher Ebene geschehen“, sagt Sprecher Jens Albers. „Da von grundlegen­den Änderungen derzeit nicht ausgegange­n werden kann, ist zu erwarten, dass Pastoralte­ams künftig noch pluraler zusammenge­setzt sein werden und dass der Anteil der Priester dabei weiter rückläufig sein wird.“

Im Bistum Aachen ist zwar noch jeder zweite Bewohner Katholik, die Zahl ist trotzdem rückläufig, wie Margherita Onorato-Simonis, Leiterin der Hauptabtei­lung Personal beim Bistum Aachen, sagt. „Volkskirch­liche Strukturen, wie es sie früher gab, sind verschwund­en. Auch in vielen Familien ist das religiöse Leben nicht mehr so ausgeprägt“, sagt sie. „Insofern fehlen oftmals auch die Vorbilder, die junge Menschen den Entschluss fassen lassen: Ich will Priester werden.“Dass sich das kirchliche Leben verändert, spürt man vor allem bei den Gottesdien­sten, zu deren Gelingen auch viele Ehrenamtle­r beitragen. Im Bistum Münster wird nun eine Bestimmung des Kirchenrec­hts genutzt, wonach der Bischof bei Priesterma­ngel die Pfarreilei­tung einer Einzelpers­on oder mehreren Personen übertragen kann, die nicht Priester sind. Sie dürfen auch weiblich sein. Mit der Pastoralre­ferentin Christel Winkels wird im November eine Frau dem Seelsorget­eam der Pfarrei Sankt Willibrord in Kleve vorstehen.

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FOTO: MARIUS BECKER/DPA Pfarrer Regamy Thillainat­han glaubt, dass die besondere Lebensform eines Priesters viele junge Leute abschreckt.

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