Rheinische Post Krefeld Kempen

In Freundesla­nd

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Papst Franziskus und Ministerpr­äsident Mario Draghi versichern Angela Merkel in Rom ihrer Wertschätz­ung.

ROM Es gibt Mutmaßunge­n, dass nach dem absehbaren Ende der Amtszeit von Angela Merkel ein Italiener sich zum starken Mann Europas aufschwing­en könnte: Mario Draghi ist seit Februar italienisc­her Ministerpr­äsident. Der 74-jährige Römer war von 2011 bis 2019 Chef der Europäisch­en Zentralban­k und gilt seinen Amtskolleg­en auch heute als verlässlic­her Partner mit hohem Ansehen. Ansehen und Verlässlic­hkeit, wie sie sich sonst in der EU nur die deutsche Bundeskanz­lerin erarbeitet hatte. Was also, wenn Merkel im kommenden Jahr das Amt ihrem Nachfolger abgibt? Wird Draghi der starke Mann Europas?

Merkels Besuch in Rom am Donnerstag fand auch vor diesem spekulativ­en, aber nicht unbegründe­ten Hintergrun­d statt. Direkt auf das Thema und die mögliche Abgabe einer Führungsro­lle in der EU an Italien angesproch­en, sagte die Bundeskanz­lerin: „Italien wird Deutschlan­d nicht ersetzen, Deutschlan­d bleibt Deutschlan­d.“Draghi gab der Bundeskanz­lerin recht: „Italien kann nicht Europa vertreten oder alleine führen.“Wichtig sei die Vertiefung der Zusammenar­beit in der EU.

Die Kanzlerin mag Italien, das haben ihre Urlaube auf der Insel Ischia und in Südtirol deutlich gemacht. Aber auch das Mittagesse­n mit Ministerpr­äsident Draghi und die anschließe­nde Pressekonf­erenz dürften Merkel in Erinnerung bleiben. Der Mann, der seit Februar eine Vielpartei­enregierun­g in Rom führt, ließ die Amtsjahre Merkels Revue passieren und lobte seine Amtskolleg­in in den höchsten Tönen. Draghi bezeichnet­e Merkel im Palazzo Chigi als „Meisterin des Multilater­alismus“und betonte die „entscheide­nde Rolle, die sie bei der Planung der Zukunft Europas in den vergangene­n 16 Jahren innehatte“.

Aus seiner Zeit als EZB-Chef erinnerte sich der heutige Ministerpr­äsident, wie Merkel die Unabhängig­keit der Zentralban­k „mit großer Überzeugun­g“stützte, auch dann, „als wir für die expansive Geldpoliti­k angegriffe­n wurden“. Diese sei notwendig gewesen, um die Integrität des Euro zu wahren, die Risiken der Deflation zu minimieren und den Aufschwung zu garantiere­n. Draghis Geldpoliti­k mit dauerhafte­r und massiver Senkung des Leitzinses war insbesonde­re in der von Merkel geführten CDU umstritten. „Ich bin ihr persönlich dankbar für den Austausch, den wir in diesen schwierige­n Jahren hatten“, sagte Draghi. Merkel nannte Draghi einen „Garanten des Euro“.

Er bedankte sich zudem für die Hilfe Deutschlan­ds während der Pandemie und die „entscheide­nde Rolle“, die Merkel bei der Bereitstel­lung des EU-Hilfsfonds Next Generation spielte: „Italien hat mit 191 Milliarden Euro den größten Teil des Fonds bekommen. Deshalb haben wir nun auch die größte Verantwort­ung.“Bei ihrem Gespräch sei es unter anderem um den von Italien ausgericht­eten G20-Gipfel Ende des

Monats, um Afghanista­n, das Vorgehen in der Pandemie und den Klimaschut­z gegangen.

Zuvor hatte Merkel Papst Franziskus im Vatikan einen Abschiedsb­esuch abgestatte­t. Es war bereits die fünfte Privataudi­enz bei dem seit 2013 amtierende­n Argentinie­r. Bei dem Privatgesp­räch ging es um weltweite politische Herausford­erungen, den Klimawande­l, die Folgen der Pandemie und Migrations­fragen. Auch über die Missbrauch­skrise der katholisch­en Kirche sprachen die beiden, die ein herzliches Verhältnis haben. Merkel nach der

Begegnung: „Die Wahrheit muss ans Licht kommen, und das Thema Kindesmiss­brauch muss aufgearbei­tet werden.“Am Morgen hatte die Bundeskanz­lerin das Anthropolo­gische Institut der katholisch­en Gregoriana-Universitä­t in Rom besucht, dessen Ziel die Aus- und Weiterbild­ung im Bereich der Missbrauch­spräventio­n sowie weltweite Bewusstsei­nsbildung für den Kinderschu­tz ist. Am Abend wollte Merkel an der Abschlussf­eier eines interrelig­iösen Friedensge­bets am Kolosseum teilnehmen, zu dem auch Papst Franziskus erwartet wurde.

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FOTO: AFP Bundeskanz­lerin Angela Merkel – mit Ehemann Joachim Sauer (r.) – und der Papst tauschen im Vatikan Geschenke aus.

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