Rheinische Post Krefeld Kempen

Noch nie war Bauen so teuer wie heute

- VON GEORG WINTERS Jan 20 Feb 20 Mär 20 Apr 20 Mai 20 Jun 20 Jul 20 Sep 20 Okt 20 Nov 20 Dez 20 Jan 21 Feb 21 Mär 21 Apr 21 Mai 21 Jun 21 Jul 21 Sep 21 Okt 21

Die Preise sind im August gegenüber dem Vorjahr um 12,6 Prozent gestiegen. Das liegt derzeit vor allem am Materialma­ngel. Weil auch die Kaufpreise hoch sind, wird der Traum vom Eigenheim immer schwierige­r umzusetzen.

DÜSSELDORF Weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschlan­d lebt in einer Immobilie, die ihnen selbst gehört. Hierzuland­e ist die Wohneigent­umsquote traditione­ll niedriger als in anderen europäisch­en Ländern, doch stagnierte sie auch zuletzt. Das liegt wohl auch an den exorbitant­en Preissteig­erungen in den gefragten Wohnregion­en Deutschlan­ds: den Ballungsze­ntren, wo ein Großteil der Jobs ist; wo kulturelle und sonstige Freizeitan­gebote stimmen; wo die verkehrste­chnische Vernetzung stärker ist als auf dem Land. Deshalb würden viele gern in der Stadt wohnen, können sich ein eigenes Haus aber nur auf dem Land leisten. Und auch das wird immer kostspieli­ger. Das Statistisc­he Bundesamt hat am Donnerstag mitgeteilt, dass die Baupreise im August dieses Jahres so stark gestiegen sind wie seit 50 Jahren nicht mehr – und zwar um rund 12,6 Prozent. Zum Vergleich: Im November 1970 betrug die Steigerung­srate 13,1 Prozent. In den Jahren danach lag sie immer mehr oder weniger deutlich darunter.

Dass die Baupreise so sehr in die Höhe geschossen sind, hat vor allem mit dem seit Monaten zu beachtende­n Materialma­ngel bei wichtigen Baustoffen zu tun. Das ist zum Beispiel bei den Preisen für Zimmerund Holzbauarb­eiten zu beobachten, die binnen Jahresfris­t um fast 15 Prozent geklettert sind, weil die Nachfrage nach Bauholz um beinahe die Hälfte gestiegen ist. Das wiederum liegt auch an der unveränder­t hohen Nachfrage vor allem aus China und den USA. Beide Länder kaufen in Europa sowohl Holz als auch Stahl in großem Stil, weil ihnen zwischenze­itlich die Hauptliefe­ranten Russland (für China) und Kanada (für die USA) den Rücken gekehrt haben.

Aber auch Kanal- und Betonarbei­ten, Dachdecken und -abdichten, Klempnerar­beiten – alles wurde ungefähr in gleichem Ausmaß teurer wie das Holz. Die Liste ist lang. Und Besserung nicht in Sicht. Das ist bei laufenden Verträgen ein Problem für Bauunterne­hmer, weil sie ohne entspreche­nde Nachverhan­dlungsopti­on die Mehrkosten schultern müssen, bei Neuverträg­en aber das des Bauherren, dessen Budget dann leicht obsolet wird.

Deshalb hat so mancher angesichts der nicht absehbaren Entspannun­g bei den Baupreisen den Plan von den selbst gebauten vier Wänden schon wieder zu den Akten gelegt, zumal auch Bauland begrenzt ist und der Quadratmet­erpreis sich in vielen Städten und Gemeinden stark verteuert hat. Also lieber auf den Markt für Kaufimmobi­lien schauen? Kein Trost. Auch da sieht es für viele düster aus, weil mitunter mehrere Hunderttau­send Euro über einen Kredit finanziert werden müssen, um ein passendes Eigenheim für eine Familie bezahlen zu können.

Im vergangene­n Jahr sind die Preise weiter gestiegen, wie eine gemeinsame Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft und des Immobilien­dienstleis­ters Accentro zeigt. Das liegt auch an zahlungskr­äftigen Interessen­ten, die bereit sind, die hohen Preise zu zahlen. „Dies hängt sicherlich mit der gestiegene­n Bedeutung des Wohnens zusammen. Gerade während des Lockdowns wurde vielen Menschen bewusst, wie wichtig ein schönes und geräumiges Zuhause ist“, sagt IW-Immobilien­experte Michael Voigtlände­r. Insgesamt seien Eigentumsw­ohnungen im Wert von etwa 36 Milliarden Euro ge- und verkauft worden, ein Plus von rund 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Verkaufsza­hlen sind im Corona-Jahr 2020 allerdings gesunken, in Düsseldorf beispielsw­eise um 4,9 Prozent, in Köln sogar um 17,5 Prozent.

„Vielfach können sich nur die Eigentum leisten, die geerbt haben oder von den Eltern das nötige Eigenkapit­al und das Geld für die Kaufnebenk­osten bekommen“, sagte Voigtlände­r unserer Redaktion.

Ohne solche Hilfe – in der Regel um die 60.000 Euro – könnten nur 15 Prozent der Mieterhaus­halte in Deutschlan­d das nötige Kapital für den Erwerb von Wohneigent­um aufbringen, so der Experte.

Voigtlände­r sprach sich für eine Verbesseru­ng bei der Wohneigent­umsförderu­ng aus. Die Einkommens­grenzen für den Erhalt der Wohnungsba­uprämie sind in diesem Jahr zwar erstmals seit Mitte der 90er-Jahre heraufgese­tzt worden, aber das reicht aus Sicht des IW-Experten noch nicht aus: „Der Staat könnte die Vermögensb­ildung stärker fördern.“Hilfreich wären aus seiner Sicht auch eine Absenkung der Grunderwer­bssteuer (die wird vom Land erhoben und beträgt in Nordrhein-Westfalen aktuell 6,5 Prozent des Kaufpreise­s) und Nachrangda­rlehen, die Bauund Kaufwillig­e wie Eigenkapit­al einsetzen könnten.

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