Rheinische Post Krefeld Kempen
Noch nie war Bauen so teuer wie heute
Die Preise sind im August gegenüber dem Vorjahr um 12,6 Prozent gestiegen. Das liegt derzeit vor allem am Materialmangel. Weil auch die Kaufpreise hoch sind, wird der Traum vom Eigenheim immer schwieriger umzusetzen.
DÜSSELDORF Weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland lebt in einer Immobilie, die ihnen selbst gehört. Hierzulande ist die Wohneigentumsquote traditionell niedriger als in anderen europäischen Ländern, doch stagnierte sie auch zuletzt. Das liegt wohl auch an den exorbitanten Preissteigerungen in den gefragten Wohnregionen Deutschlands: den Ballungszentren, wo ein Großteil der Jobs ist; wo kulturelle und sonstige Freizeitangebote stimmen; wo die verkehrstechnische Vernetzung stärker ist als auf dem Land. Deshalb würden viele gern in der Stadt wohnen, können sich ein eigenes Haus aber nur auf dem Land leisten. Und auch das wird immer kostspieliger. Das Statistische Bundesamt hat am Donnerstag mitgeteilt, dass die Baupreise im August dieses Jahres so stark gestiegen sind wie seit 50 Jahren nicht mehr – und zwar um rund 12,6 Prozent. Zum Vergleich: Im November 1970 betrug die Steigerungsrate 13,1 Prozent. In den Jahren danach lag sie immer mehr oder weniger deutlich darunter.
Dass die Baupreise so sehr in die Höhe geschossen sind, hat vor allem mit dem seit Monaten zu beachtenden Materialmangel bei wichtigen Baustoffen zu tun. Das ist zum Beispiel bei den Preisen für Zimmerund Holzbauarbeiten zu beobachten, die binnen Jahresfrist um fast 15 Prozent geklettert sind, weil die Nachfrage nach Bauholz um beinahe die Hälfte gestiegen ist. Das wiederum liegt auch an der unverändert hohen Nachfrage vor allem aus China und den USA. Beide Länder kaufen in Europa sowohl Holz als auch Stahl in großem Stil, weil ihnen zwischenzeitlich die Hauptlieferanten Russland (für China) und Kanada (für die USA) den Rücken gekehrt haben.
Aber auch Kanal- und Betonarbeiten, Dachdecken und -abdichten, Klempnerarbeiten – alles wurde ungefähr in gleichem Ausmaß teurer wie das Holz. Die Liste ist lang. Und Besserung nicht in Sicht. Das ist bei laufenden Verträgen ein Problem für Bauunternehmer, weil sie ohne entsprechende Nachverhandlungsoption die Mehrkosten schultern müssen, bei Neuverträgen aber das des Bauherren, dessen Budget dann leicht obsolet wird.
Deshalb hat so mancher angesichts der nicht absehbaren Entspannung bei den Baupreisen den Plan von den selbst gebauten vier Wänden schon wieder zu den Akten gelegt, zumal auch Bauland begrenzt ist und der Quadratmeterpreis sich in vielen Städten und Gemeinden stark verteuert hat. Also lieber auf den Markt für Kaufimmobilien schauen? Kein Trost. Auch da sieht es für viele düster aus, weil mitunter mehrere Hunderttausend Euro über einen Kredit finanziert werden müssen, um ein passendes Eigenheim für eine Familie bezahlen zu können.
Im vergangenen Jahr sind die Preise weiter gestiegen, wie eine gemeinsame Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft und des Immobiliendienstleisters Accentro zeigt. Das liegt auch an zahlungskräftigen Interessenten, die bereit sind, die hohen Preise zu zahlen. „Dies hängt sicherlich mit der gestiegenen Bedeutung des Wohnens zusammen. Gerade während des Lockdowns wurde vielen Menschen bewusst, wie wichtig ein schönes und geräumiges Zuhause ist“, sagt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. Insgesamt seien Eigentumswohnungen im Wert von etwa 36 Milliarden Euro ge- und verkauft worden, ein Plus von rund 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Verkaufszahlen sind im Corona-Jahr 2020 allerdings gesunken, in Düsseldorf beispielsweise um 4,9 Prozent, in Köln sogar um 17,5 Prozent.
„Vielfach können sich nur die Eigentum leisten, die geerbt haben oder von den Eltern das nötige Eigenkapital und das Geld für die Kaufnebenkosten bekommen“, sagte Voigtländer unserer Redaktion.
Ohne solche Hilfe – in der Regel um die 60.000 Euro – könnten nur 15 Prozent der Mieterhaushalte in Deutschland das nötige Kapital für den Erwerb von Wohneigentum aufbringen, so der Experte.
Voigtländer sprach sich für eine Verbesserung bei der Wohneigentumsförderung aus. Die Einkommensgrenzen für den Erhalt der Wohnungsbauprämie sind in diesem Jahr zwar erstmals seit Mitte der 90er-Jahre heraufgesetzt worden, aber das reicht aus Sicht des IW-Experten noch nicht aus: „Der Staat könnte die Vermögensbildung stärker fördern.“Hilfreich wären aus seiner Sicht auch eine Absenkung der Grunderwerbssteuer (die wird vom Land erhoben und beträgt in Nordrhein-Westfalen aktuell 6,5 Prozent des Kaufpreises) und Nachrangdarlehen, die Bauund Kaufwillige wie Eigenkapital einsetzen könnten.