Rheinische Post Krefeld Kempen
Ringerchef trainiert Kita-Kinder
Erfolgstrainer Hans-Georg Focken, Vater der Olympiasiegerin Aline Rotter-Focken, unterrichtet die Kinder der benachbarten Kita Hubertusstraße im Ringen. Die Kleinen lernen nach zwei Wochen erste Griffe.
Ein halbes Dutzend Kinder flitzt durch die Sporthalle an der Steinstraße. Aufgrund einer Corona-Quarantäne fehlen einige. Mit viel Freude befolgen die Kinder, die dabei sein können, die Anweisungen der Trainer. Am Rand steht Hans-Georg Focken und beobachtet alles. Er ist Vorsitzender des KSV Germania Krefeld, sowie Vater und langjähriger Trainer der frisch gebackenen Olympiasiegerin im Ringen, Aline Rotter-Focken. Selbst eingreifen kann der erfahrene Ringer-Trainer derzeit nicht. Aufgrund einer Verletzung beschränkt sich seine Rolle auf Beobachtungen und Anweisungen.
„Ich habe aber bereits vor längerer Zeit eine der Erzieherinnen in die Übungen eingewiesen, und sie betreut die Kinder“, erzählt der erfahrene Trainer. Auf sein Betreiben hin lernen die Kinder der direkt neben der Halle liegenden Kita an der Hubertusstraße ringen. „Wir haben seit 2018 eine Kooperation mit dem Verein. Herr Focken kam damals auf uns zu und bot an, dass unsere Kinder bei ihm ringen lernen könnten“, erzählt Kita-Leiterin Sonja Löhmann.
Für die Kinder sei das Ringer-Training der absolute Höhepunkt der Woche. „Herr Focken ist bei den Kleinen unglaublich beliebt. Immer wieder fragen sie, wann sie wieder rüber gehen können, um zu ringen. Wenn er zu uns rüber kommt, laufen alle Kinder nur um ihn herum“, sagt sie. Dabei mache das Ringen den Kleinen aber nicht nur Spaß, sie würden auch viel lernen. „Das allererste, was die Kinder beim Ringen lernen, ist das ‚Stopp`-Kommando. Wenn das kommt, hören sie sofort auf. Das tragen sie auch in die Gruppen, und es ist eine gute Art des sozialen Umgangs. Dazu gehören auch Fairness oder nach Regeln zu spielen“, sagt sie.
Außerdem sei schnell zu spüren, wie die Kleinen sich koordinativ verbessern. „Nach zwei Wochen lernen sie erste Griffe. Sie lernen, sich abzurollen und zu fallen. Die Begeisterung
ist so groß, dass sie oft am Tor stehen und fragen, wann sie rüber dürfen“, erzählt Löhmann. Besagtes Tor trennt den Außenbereich der Kita vom Parkplatz der Sporthalle. „Ich finde es toll hier. Ich freue mich schon auf das nächste Mal. Das Schaukeln an den Ringen war super“, erzählt die fünf Jahre alte Amelia und die dreijährige Anna setzt mit wichtigem Blick hinzu: „Auch das Klettern an den Seilen war toll. Ich bin ganz hoch gekommen und dann runter gesprungen.“Die beiden hatten gerade die erste Stunde beim Ringen, bei der das Kennenlernen der Halle, Spiel und Spaß im Mittelpunkt standen.
„Wir fangen auf diese Art an, um den Kindern erst einmal die Sicherheit in der Halle zu geben. Das wirkliche Ringen kommt dann in den kommenden Wochen“, erläutert Focken. Die Hilfen bei den Übungen gibt Franziska Papen. Die junge Erzieherin wurde vom erfahrenen Trainer, der seine Tochter sogar bei Olympia betreute, ausgiebig angelernt. „Für diese Gruppe ist es das erste Mal, das sie hier sind. Darum fangen wir mit einfachen Übungen an. Sie kennen beispielsweise diese große Halle noch gar nicht. Viele sind beeindruckt. Wichtig ist, ihnen erst das ‚Stopp`-Kommando beizubringen. Dann haben wir Übungen wie Turnen, Liegestütz oder Rollen gemacht und gespielt. Die Kinder aus den Gruppen, die schon länger hier sind, fragen mich immer, ob wir nicht ringen können“, erzählt sie.
Die Kinder seien, das erzählen alle Beteiligten, ausgeglichener und hätten eine bessere Kompetenz, Streitigkeiten zu lösen. Hinzu kommen
Bewegung, bessere Koordination und natürlich viel Spaß. Doch auch für den Verein lohnt sich das Projekt. „Erst einmal macht es mir Spaß. Ich liebe Ringen und bin Trainer mit Leib und Seele. Aber das Leistungsringen, bei dem ich teilweise monatelang jedes Wochenende unterwegs bin, das ist langsam zu viel. Ich werde auch nicht jünger“, erzählt Trainer Focken schmunzelnd. Darum habe er sich der Jugendförderung noch mehr als zuvor verschrieben. „Durch das Projekt haben sich bis heute über 30 Kinder im Verein angemeldet. Zwei haben mittlerweile einen Startausweis und gehen für uns bald an den Start. Einige sind sehr talentiert. Leider ist uns einer der talentiertesten Jungs durch die Lappen gegangen. Er ist Grieche und seine Eltern gingen zurück nach Griechenland. Da kann man dann wenig machen. Ich hoffe aber, er macht dort weiter“, sagt Focken.
Die AG ist für alle Beteiligten ein Erfolgskonzept. Das sieht auch Bettina Dewan, Sachgebietsleiterin im Bereich Kinder- und Jugendhilfe der Stadt so. „Die Rückmeldungen, die wir von allen Seiten bekommen, sind sehr gut. Gerade in diesem Quartier mit hoher Migrantenquote ist der Sport auch eine wichtige Komponente der Integration. Aus unserer Sicht ist es ein Musterprojekt“, sagt sie. Mit Olympiasiegerin Aline Focken hätten die Kinder übrigens noch nicht mitgefiebert. „Sie sind noch zu klein – bei uns Erzieherinnen war es dafür umso mehr der Fall“, erzählt Löhmann schmunzelnd. Bei den Kindern wird die Identifikation mit dem Sport aber fraglos noch kommen.