Rheinische Post Krefeld Kempen
Die wilden frühen Jahre des Kresch
Reinhard Lange hat dem Stadtarchiv Doku-Material aus den Anfängen des Jugendtheaters übergeben. Damals hat USPräsident Ronald Reagen die Krefelder bei einem Gastspiel in Berlin gehörig in Aufregung versetzt.
Ein Anruf kann ein Leben verändern. Was so pathetisch klingt, das stimmt für Reinhard Lange. Der Anruf kam von Inge Brand, die gerade das städtische Kinder- und Jugendtheater Kresch gegründet hatte. Sie brauchte jemanden, der bei der Bühne half. Lange war sofort bereit und stellte fest: ,„Das Theater begeisterte mich mehr als ein Maschinenbau-Studium.“Lange blieb beim Kresch, wurde später Technischer Leiter der Fabrik Heeder - und sammelte über die Jahre eine Menge Kresch-Geschichte in Form von Flyern, Programmen, Plakaten, Videos und Fotos. Drei laufende Archivmeter Material hat er jetzt dem Stadtarchiv übergeben.
Drei Archivkartons entsprechen einem Archivmeter, rechnet Stadtarchivar Olaf Richter vor. Er ist sehr glücklich über die Sammlung, die auch Stücke aus dem privaten Besitz von Inge Brand, die 2019 verstorben ist, beinhaltet. Denn über die frühe Zeit des Kresch, das in diesem Jahr 30-jähriges Bestehen feiert, ist wenig bekannt. Die Unterlagen, die Lange brachte, sind weitgehend bearbeitet.
Die Geschichte von Reinhard Lange und Inge Brand begann vor dem Kresch, in den 1980er-Jahren. Da ging Lange am Maria-Sibylla-Merian-Gymnasium (MSM) zur Schule, und Brand, ehemalige Schauspielerin am Krefelder Stadttheater, etablierte am MSM ein Schülertheater, das später die Keimzelle fürs Kresch bilden sollte. Damals hat Brand den Zehntklässler das erste Mal um Hilfe rund um die Bühne gebeten.
Nach der Schule machte Lange eine Schlosserlehre beim Stadttheater, später seinen Meister für Veranstaltungstechnik. Das Theater faszinierte ihn, aber ins Rampenlicht wollte er nicht. „Mein Platz war immer am Pult mit den Knöpfen“, sagt er.
Neben den Unterlagen des Kulturbüros, zu dem das Kresch-Theater gehört, bilden diese privaten Unterlagen eine „zweite Sicht auf Gleichartiges“, sagt Archivleiter Richter. Mit der Inszenierung der antiken Komödie „Der Frieden“waren die MSM-Schüler 1987 zum Theatertreffen der Jugend nach West-Berlin eingeladen worden. „Das war eine große Nummer“, erinnert sich Lange. Denn auch US-Präsident Ronald Reagan war in diesen Tagen zum Staatsbesuch in Berlin. Es gab zahlreiche Protestaktionen gegen den Präsidenten - und ein entsprechend großes Polizeiaufgebot. „Wir spielten in Kreuzberg“, erzählt Lange. Ungewollt sei die Gruppe in eine Demo geraten. „Diese Berlin-Tour ist in vielerlei Hinsicht prägend gewesen. Die Fahrt war dann auch ein Startschuss. Es sollte weitergehen“, schildert Lange. So wurde 1988 das
zunächst auf drei Jahre konzipierte Kresch-Projekt mit und für Kinderund Jugendliche unter Leitung von Inge Brand gegründet.
Die Resonanz war enorm. Viele Jugendliche wollten mitmachen. Und das Publikum strömte zum Kresch: „Inge Brand hatte immer ein Gespür, was bei Jugendlichen die Themen sind“, sagt Lange. Das sei wichtig gewesen, weil es pro Spielzeit nur eine große Inszenierung gab. „Die musste sitzen“, so Lange. Mitarbeitende des Stadttheaters, Lehrer des MSM und viele Freunde unterstützten das junge Theater, das mit Inszenierungen wie „Till Eulenspiegel“1991 immer wieder Publikumserfolge feierte. „In dem Jahr kam die Idee einer dauerhaften Einrichtung auf“, so Lange. Die private Theaterinitiative wurde im Frühling 1991 mit rot-grüner Mehrheit zur städtischen Bühne, dem heutigen Kresch. Mit einem großen Premierenwochenende am 21./22. September begann das neue Kapitel.