Rheinische Post Krefeld Kempen
Vonovia steht vor dem Einstieg bei Adler
Die Luxemburger Immobilienfirma gerät an der Börse durch Betrugsvorwürfe unter Druck. Die Ankündigung des Wohnkonzerns hilft zunächst.
BOCHUM Gerade erst hat Vonovia die Übernahme der Mehrheit am Berliner Konkurrenten Deutsche Wohnen faktisch unter Dach und Fach gebracht, da steht der Bochumer Immobilienkonzern schon vor dem Einstieg beim nächsten Wettbewerber. Diesmal geht es um die Adler Group, ein Unternehmen aus Luxemburg, das in den vergangenen Tagen durch Spekulationen um seine Bilanzen in die Schlagzeilen geraten ist. Der Aktienkurs des Unternehmens war danach binnen weniger Tage um mehr als ein Viertel abgestürzt, erholte sich am Freitag aber nach der Ankündigung von Vonovia deutlich.
Die Bochumer haben sich bei Adler eine Option auf 13,3 Prozent der Anteile gesichert, die sie in den nächsten eineinhalb Jahren ziehen könnten. Diese Vereinbarung haben sie mit dem Adler-Großaktionär Aggregate Holdings getroffen, der dem österreichischen Investor Günther Walcher gehört. Dem würden sie bei Umsetzung die Hälfte seines Pakets abkaufen.
Insofern hat Deutschlands größter Wohnungskonzern Adler zumindest vorerst vor einem weiteren Kursabsturz bewahrt und sich selbst für den Fall eines deutlichen Anstiegs einen vergleichsweise günstigen Preis gesichert. Denn Vonovia könnte seine Option für 14 Euro je Aktie ziehen. Der Preis läge zwar rund zwei Euro über dem aktuellen Börsenkurs vom Freitag, aber noch unter dem Niveau, auf dem sich die Adler-Aktie noch zu Wochenbeginn bewegt hatte, ehe sie steil abgestürzt war. Offensichtlich setzt Vonovia auf Kurserholung.
Auslöser für das Börsen-Desaster bei Adler, das in der heutigen Form erst seit 2020 existiert und durch Zusammenschlüsse auf Aktientausch entstanden ist, waren Äußerungen des britischen Investors Fraser Perring, der dem Management vorgeworfen hat, die Bilanzen aufgeblasen und sich selbst bereichert zu haben. Adler hat diese Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, die in der Bilanz ausgewiesenen Immobilienwerte seien keinesfalls überhöht. Sie seien von unabhängigen Immobiliengutachtern ermittelt und von finanzierenden Banken selbstständig überprüft worden. Die Finanzaufsichtsbehörde Bafin ist mittlerweile aktiv geworfen und prüft die
Anschuldigungen. Die Aufseher werden nach dem Debakel bei Wirecard vermutlich besonders genau hinschauen.
Der Vorgang wäre vermutlich gar nicht so bemerkenswert, wäre Perring vor Jahren nicht einer derjenigen gewesen, der mit Vorwürfen gegen das Wirecard-Management die Lawine bei dem Finanzdienstleister aus der Nähe von München erst so richtig lostrat. Perrings Vorgehen ist bekannt: Seine Analysefirma Viceroy durchleuchtet Unternehmen auf mögliche Unregelmäßigkeiten. Perring praktiziert dann bei diesen Firmen sogenannte Leerverkäufe, verkauft also Papiere, die er gar nicht besitzt. Er setzt aber darauf, dass nach Bekanntwerden seiner Vorwürfe die Aktienkurse des betroffenen Unternehmens purzeln und er dann billiger nachkaufen kann. Funktioniert die Idee nicht, macht er allerdings Verlust.
Wie der Fall Wirecard endete, ist bekannt: Das Unternehmen flog aus dem Dax und musste Insolvenz anmelden, der frühere Vorstandsvorsitzende Markus Braun kam in Haft, nach dem ehemaligen Finanzchef Jan Marsalek wird bis heute gefahndet. Der mutmaßlich kriminelle Ex-Manager ist auf der Flucht. Und auch beim Möbelkonzern Steinhoff lösten Perrings Attacken Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und einen Kurssturz aus. Andererseits gibt es auch Unternehmen, bei denen sich seine Vorwürfe nicht bestätigt haben. Dazu gehören der Wiesbadener Leasing-Dienstleister Grenke und der Münchner Fernsehkonzern Pro Sieben Sat 1.