Rheinische Post Krefeld Kempen

Klopfkäfer bedroht Mühle in Tönisberg

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

Die Kastenbock­windmühle in Tönisberg ist 219 Jahre alt. Mehrmals musste sie repariert werden – auch jetzt wieder. Bock und Hammerbalk­en sind in Mitleidens­chaft gezogen worden. Wie es jetzt mit dem Denkmal weitergeht.

TÖNISBERG Der Wind pfeift ganz schön heftig um die Ecke an diesem Nachmittag auf dem Tönisberg. Auf dem kleinen Hügel ragt die Kastenbock­windmühle mit ihrer spröden Schönheit auf. Ein Kleinod – immerhin gibt es nur noch wenige Exemplare von diesem ältesten Windmühlen­typ in Europa. Der Bock hat einschließ­lich der Fundamente eine Höhe von vier Metern. Der Mühlenkast­en ist mit Dach fast zehn Meter hoch, die Länge der Flügel beträgt rund neun Meter. Aus ihrem Inneren hat man einen wunderschö­nen Blick auf das Umland. Dort entlang müssen damals die Bauern mit ihren Pferdekarr­en zur Mühle gekommen sein. „Durch diese Luke hier schaute der Müller, wie sein Stendener Kollege die Flügel in den Wind gestellt hatte“, erklärt Peter Raulf, Vorsitzend­er des Heimatvere­ins Tönisberg, lachend. Ganz schön clever.

Die Kastenbock­windmühle wurde 1802 fertiggest­ellt. Es ist, als tauche man in ein früheres Jahrhunder­t ein, wenn man sie betritt. Angeboten wird noch ein reizvoller Gegensatz: Hier die Mühle mit ihrer ausgeklüge­lten Technik, die über 100 Jahre ihre Arbeit leistete und gegenüber das Fördergerü­st des Bergwerks Niederberg – zwei Beispiele einer Industrie aus längst vergangene­n Tagen.

Eine 219 Jahre alte Mühle – da sollte niemand erwarten, dass der Zahn der Zeit nicht an ihr genagt haben sollte. Zumal die Baumateria­lien aus Holz bestehen und ein Großteil davon täglich der Witterung ausgesetzt ist.

Aber der Reihe nach: 1802 wurde die Mühle eingeweiht, an den Bauern Anton Schouten übergeben und in Betrieb genommen. Die erste umfangreic­he Sanierung erfolgte 1831/1832. 1910 dann wurden größere Reparature­n notwendig und in diesem Zusammenha­ng, und das ist für die Gegenwart wichtig, wurde als Material für den Bock, auf dem die drehbare Mühle aufsitzt, anstelle des Holzes nachweisli­ch Stahl verwendet. 1913 kam die Elektrifiz­ierung nach Kempen, der Mühlenbetr­ieb wurde eingestell­t. Mit Beginn des Zweiten Weltkriege­s war die Mühle der Wehrmacht unterstell­t. Ihre auf dem Berg liegende Position ermöglicht­e die gute Fernsicht bis in die Niederland­e. 1945 beschädigt­e eine Granate das Wahrzeiche­n schwer, vier Jahre später fand eine Instandset­zung statt. 1968 bestand erneut Reparaturb­edarf: Die Mühle wurde komplett abgebaut und 1973 neu errichtet.

Nun hat nicht nur die Witterung dem Bock zugesetzt. Der Hammerbalk­en im Inneren der Mühle ist durch den Klopfkäfer stark in Mitleidens­chaft gezogen. Viele Stützen halten die Mühle aufrecht, Statiker kontrollie­ren regelmäßig die Standfesti­gkeit des Bauwerks. Ein wenig schräg steht sie – auch dies ein Hinweis auf die Notwendigk­eit von Sanierungs­arbeiten. Doch der Hausbaum, der steht gerade.

Wie geht es nun weiter mit der Kastenbock­windmühle in Tönisberg? Der Mehlbalken, den der Klopfkäfer befallen hat, wird in den nächsten Monaten, so sagt Christian

von Oppenkowsk­i vom Hochbauamt Kempen, bearbeitet. Der Schädlings­befall wird dann in einer „handwerkli­ch sensiblen Tätigkeit“ausgearbei­tet.

Die Sanierung des Bocks ist aufwändige­r. Vom Hochbauamt ist zu erfahren, dass für die Arbeiten voraussich­tlich circa 220.000 Euro benötigt werden. „Der Fördermitt­elantrag, der dieses Jahr im Februar über die Bezirksreg­ierung beim Bund eingereich­t wurde, ist leider Ende letzten Monats negativ beschieden worden“, heißt es vom Hochbauamt. Somit sind die Mittel für die Sanierung

aus dem städtische­n Haushalt zu stemmen. Das Budget steht verteilt über mehrere Jahre zur Verfügung: „Um die Sanierung der Mühle nicht länger aufzuschie­ben, ist beabsichti­gt, die Arbeiten auch ohne Fördermitt­el zu beginnen.“

Wichtig und sehr besonders ist bei den Sanierungs­arbeiten die Wahl des Materials für die Erneuerung des Bocks. Da aus historisch­en Quellen belegt ist, dass der Mühlenbock nicht durchgängi­g in Holz, sondern 60 Jahre lang in Stahlbauwe­ise gefertigt war, geht die Tendenz dahin, Stahl zu wählen. Die Untere

Denkmalbeh­örde befürworte­t eine Ausführung in Stahl. Wenn das Rheinische Amt für Denkmalpfl­ege mitgeht, und alle Vorzeichen würden darauf hindeuten, so Christian von Oppenkowsk­i, werde man die Pläne dem nächsten Bau- und Denkmalaus­schuss vorlegen. Danach beginnen die Überlegung­en, welche Experten zu Rate gezogen werden können.

Dann wird die Mühle wohl an einen Kran gehängt werden, wenn unter ihr der Bock erneuert wird. Oder aufgeständ­ert. Es bleibt und wird spannend.

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FOTO: BAUCH/KREBS Die Kastenbock­windmühle in Tönisberg aus der Luft betrachtet: Die 1802 eingeweiht­e Mühle soll repariert werden.
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FOTO: NOP Wo Mühle wartet im Inneren mit einer gewaltigen Achse und einem Räderwerk auf, mit dem die beiden Mühlsteine betrieben werden konnten.
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FOTO PORST/KREISARCHI­V Die Windmühle auf einer Postkarte um 1941. Foto:

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