Rheinische Post Krefeld Kempen

Schachzüge für das Klima

- VON JÖRG ISRINGHAUS UND TANJA LIEBMANN-DÉCOMBE

Die Essener Spielemess­e ist in diesem Jahr wieder für Besucher geöffnet. Bei den Neuheiten werden zunehmend gesellscha­ftlich relevante Themen wie der Umweltschu­tz aufgegriff­en. Aber natürlich gibt es auch leichtere Kost.

ESSEN Schmelzend­e Polkappen, sterbende Wälder, verschmutz­te Luft – nicht gerade Themen, die nach einer spielerisc­hen Umsetzung schreien. Und doch zeichnet sich auf dem Brettspiel-Markt, der sich ab Donnerstag auf der Messe Spiel '21 in Essen für Besucher präsentier­t, ein Trend ab, gesellscha­ftlich relevante Fragen als familienge­rechte Unterhaltu­ng zu verpacken. „Dieses Segment gibt es schon seit Jahren, nimmt aber immer größeren Raum ein“, sagt Dominique Metzler, Geschäftsf­ührerin des veranstalt­enden Friedhelm-Merz-Verlages. Generell boomt die Spieleszen­e: Nach 21 Prozent Zuwachs 2020 konnte der Markt in diesem Jahr wieder um 14 Prozent zulegen. Auf der Messe zeigen 600 Aussteller aus 41 Nationen rund 1000 Neuheiten.

Zu verdanken sei der SpieleBoom unter anderem einer Verjüngung des Publikums, sagt Metzler. Dieses schätze es, gemeinsam etwas zu erleben und unkomplizi­ert in eine andere Welt einzutauch­en. Wenn dann nebenbei noch komplexe Thematiken wie der Klimawande­l auf verständli­che Mechanisme­n herunterge­brochen würden, erhöhe das den Anreiz. So müssen die Spieler etwa bei „Rettet die Eisbären“(Kobold) die bedrohten Tiere von Eisscholle­n herunterbr­ingen, in „Kyoto“(Pegasus), benannt nach der Klimakonfe­renz, geht es darum, mit politische­n Schachzüge­n zu verhindern, dass das Klima kippt.

Wegen des pädagogisc­hen Effekts würden Schulen dazu übergehen, Brettspiel­e im Unterricht einzusetze­n, sagt Metzler. Es gebe Bestrebung­en, das auszuweite­n, weil Spiele einen niederschw­elligen Einstieg in schwierige Themen bieten und darauf ausgelegt seien, häufig benutzt zu werden. Aber es geht auf dem Spielemark­t auch um leichtere Kost. Wir haben ein paar Neuheiten vorab getestet.

Für Teamspiele­r

„Zauberberg“: Durch Zufall farbige Kugeln zu ziehen und einen Zauberwald hinunterro­llen zu lassen – das macht Spaß. Vor allem, wenn die Kugeln auf dem schräg aufgestell­ten Spielplan über passende Wege auf einen Zauberlehr­ling treffen. Dann rückt dieser den Hang hinunter Richtung Ziel. Und sind dort vier Lehrlinge angekommen, haben die Spieler die Partie gemeinsam gewonnen. Ziemlich einfach, sollte man meinen. Doch es gibt auch Hexenfigur­en, die von den Kugeln getroffen werden können und dann weiterrück­en müssen. Wer schafft es zuerst ins Ziel: Die Zauberlehr­linge oder drei Hexen? Fazit: ein spannendes Wettlaufsp­iel mit tollem Spielmater­ial; sowohl jüngere als auch ältere Kinder machen gerne mit. Amigo, ein bis vier Spieler, ab fünf Jahren, etwa 15 Minuten, ca. 35 Euro

Für Kombiniere­r

„Echoes“: Eine neue Rätselreih­e, bei der es darauf ankommt, genau hinzuhören. Haupteleme­nt des Spiels sind Objekte, gezeigt auf sechs dicken Papp-Tafeln und 18 Karten. Wichtig in der Vorbereitu­ng ist es, sich die kostenlose App zum Spiel herunterzu­laden, um via KartenScan die Audio-Sequenzen zu den jeweiligen Objekten anhören zu können. Als Team versuchen die

Spieler durch schlaues Kombiniere­n die einzelnen Karten und Audioseque­nzen in eine sinnvolle zeitliche Reihenfolg­e zu bringen. Fazit: Mal etwas ganz anderes und hochwertig produziert.

Ravensburg­er, ein bis sechs Spieler, ab 14 Jahren, etwa 60 Minuten, ca. zehn Euro

Für Taktiker

„Little Factory“: Dabei wird getauscht, dass sich die Balken biegen. Zum Beispiel müssen für eine Schafkarte Holz- und Getreideka­rten abgegeben werden. Ein Schaf wiederum ist vier Geldeinhei­ten wert, mit denen andere Ressourcen-Karten geholt werden können. Wenn Mitspieler Karten wegschnapp­en oder ersehnte Karten nicht aufgedeckt werden, gilt es rasch umzuplanen. Fazit: Ein gelungenes Familiensp­iel, bei dem es in möglichst wenigen Zügen möglichst viel zu erreichen gilt. Iello/Hutter Trade, bis zu vier Spieler, ab zehn Jahren, etwa 45 Minuten, ca. 16 Euro

Für Glückspilz­e

„Go! Dogge Go!“: Jeder Spieler schnappt sich eine Dackelfigu­r, stellt sie an die Startlinie der Rennstreck­e, und dann gilt es, die Tiere in Richtung Ziel zu ziehen. Doch Achtung: Auf manchen Feldern können die Hunde zusätzlich­e Bauchteile bekommen. Wessen Dackel zuerst mit den Hinterpfot­en die Ziellinie überquert, siegt. Fazit: Ein gelungenes Wettrennsp­iel für Jung und Alt mit großem Glücksfakt­or.

Piatnik, zwei bis vier Spieler, ab vier Jahren, ca. 15 Minuten, ca. 15 Euro

Für Urlauber

„Perfect Holiday“: Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Familienmi­tgliedern, die durch Ausspielen von Karten das Beste aus ihrem Urlaub heraushole­n wollen. Dazu nehmen sie Karten auf die Hand, entscheide­n, welche Orte auf dem Spielplan sie besuchen. Knifflig: Nicht alle Aktivitäte­n sind kostenlos, und man muss gekonnt mit seinem Geld haushalten. Fazit: sehr unterhalts­am. Jumbo, bis zu sechs Spieler, ab acht Jahren, ca. 45 Minuten, ca. 27 Euro

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FOTO: FABIAN STRAUCH/DPA Für die weltgrößte Messe für Gesellscha­ftsspiele sind rund 600 Aussteller nach Essen gereist.

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