Rheinische Post Krefeld Kempen

Bafin-Umbau ist ein Marathon

- VON GEORG WINTERS

Der neue Chef Mark Branson sieht die Aufsicht erst in Jahren dort, wo sie sein sollte.

FRANKFURT Die deutsche Finanzaufs­ichtsbehör­de hat im Fall des zusammenge­brochenen Finanzdien­stleisters Wirecard im vergangene­n Jahr viel öffentlich­es Vertrauen und Glaubwürdi­gkeit eingebüßt. Am Ende musste Felix Hufeld, bis dahin Präsident der Behörde, seinen Platz räumen. Nicht wenige hatten danach das Gefühl, der 60-jährige Jurist sei ungeachtet selbst eingestand­ener Fehler auch so etwas wie ein Bauernopfe­r für das Kontrollve­rsagen der Aufsicht beim ehemaligen Dax-Konzern.

Sein Nachfolger heißt Mark Branson, war vorher Chef der Schweizer Finanzmark­taufsicht Finma und ist seit Anfang August im Amt. Er sieht die Bafin noch ganz am Anfang eines Langstreck­enlaufs, den sie bis zum Ende des Umbaus absolviere­n müsse. „Es braucht Zeit, bis wir überall auf dem angestrebt­en Niveau ankommen. Aber die Richtung stimmt, und die Motivation ist hoch“, so Branson am Mittwoch in einer Videokonfe­renz.

Einstweile­n bleibt noch manches offen im Masterplan für eine Behörde, die wegen der Vorgänge rund um die Bilanzmani­pulationen im Hause Wirecard heftig in die Kritik geraten ist und deshalb auch den möglichen neuen Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) im Wahlkampf in die Bredouille brachte. Das soll so nicht wieder passieren. Intensiver­e Kontrollen von Bilanzen; mehr Kompetenze­n für den neuen Mann an der Spitze, der den Haushalt, den Personalun­d Finanzmitt­eleinsatz verantwort­et; moderne Technik bei der Jagd nach den Übeltätern – all das steht in einem Sieben-Punkte-Plan für die Zukunft. Aber es braucht offensicht­lich viel Zeit. Branson hat die Öffentlich­keit am Mittwoch schon einmal darauf vorbereite­t, dass es Jahre dauern werde, bis die Bafin da ankommen werde, wo ihr neuer Vordenker sie sehen möchte.

Die Unabhängig­keit vom Bundesfina­nzminister­ium sieht der britisch-schweizeri­sche Finanzmark­texperte und ehemalige Bankmanage­r Branson durchaus gewährleis­tet und verweist darauf, dass man Rechenscha­ft ablegen müsse, natürlich auch gegenüber dem Bundesfina­nzminister­ium, als dessen Repräsenta­nt Staatssekr­etär Jörg Kukies den Verwaltung­srat der Bafin führt. Kukies selbst betonte die operative Unabhängig­keit der Aufsichtsb­ehörde. Dass über zu viel Nähe zwischen Ministeriu­m und Kontrollst­elle überhaupt spekuliert wird, hat aktuell vor allem damit zu tun, dass Branson einen gemeinsame­n Brief europäisch­er NotenbankC­hefs und Aufseher an die EU-Kommission nicht unterschri­eb, in dem eine rasche und vollständi­ge Umsetzung der Basel-III-Eigenkapit­alregeln für Banken gefordert wird. Er sei klar für strenge Basel-III-Regeln, erklärte Branson am Mittwoch.

Was den Umbau angeht: Nach Angaben von Branson und Kukies sind zwei Drittel der im Zuge der Reform identifizi­erten Maßnahmen umgesetzt, ein Drittel stehe vor der Implementi­erung. Von den rund 150 neu geschaffen­en Stellen seien 80 Prozent besetzt oder stünden kurz vor der Auswahl der Bewerber, so Kukies. Eine Taskforce, die sich ausschließ­lich aus Bafin-Personal rekrutiere­n soll, ist Mitte August an den Start gegangen; eine Hinweisgeb­erstelle ist eingericht­et. An die sollen sich sogenannte Whistleblo­wer wenden und Unregelmäß­igkeiten melden können, die ihnen auffallen. Diese Einrichtun­g arbeite bereits nach den Standards der EU-Hinweisgeb­erschutzve­rordnung, heißt es in der gemeinsame­n Mitteilung von Bafin und Finanzmini­sterium. Ab dem kommenden Jahr sollen Bafin-Beschäftig­te zudem Mystery Shopping betreiben. Dahinter verbergen sich Testkäufe, bei denen geschulte Mitarbeite­r inkognito bei Unternehme­n aus der Finanzbran­che auftauchen, um sich beraten zu lassen oder Produkte zu Testzwecke­n zu kaufen. Ein eigens für den Verbrauche­rschutz eingesetzt­er Beauftragt­er soll unterstrei­chen, wie sehr sich die Bafin mehr Verbrauche­rschutz auf die Fahnen geschriebe­n hat.

Damit, was die Bafin, ihr neuer Chef und ihr Verwaltung­sratsvorsi­tzender Kukies in der Hinsicht angekündig­t haben, ist nicht jeder uneingesch­ränkt zufrieden. „Nach den ungezählte­n Anleger- und Finanzskan­dalen der Vergangenh­eit muss das Thema Verbrauche­rschutz bei der Bafin auf oberster Ebene verankert werden. Dazu braucht es einen eigenen Geschäftsb­ereich mit einem eigenen Direktoriu­msmitglied. Die Einsetzung eines Verbrauche­rschutzbea­uftragten ohne schlagkräf­tigen Apparat löst die frappieren­den Probleme nicht“, sagte der Grünen-Europa-Abgeordnet­e Sven Giegold. Ohne einen echten Neustart beim Verbrauche­rschutz sei der nächste große Anlegerska­ndal nur eine Frage der Zeit, so der Finanzmark­texperte Giegold. Ansonsten gibt der Politiker dem neuen Bafin-Chef aber einen Vertrauens­vorschuss mit auf den langen Weg: „Mark Branson verkörpert glaubhaft den überfällig­en Kulturwand­el bei der Bafin.“

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FOTO: KEYSTONE/PETER KLAUNZER) Mark Branson ist seit zwei Monaten Chef der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht.

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