Rheinische Post Krefeld Kempen

Bilder sind Geheimnist­räger

- VON BERTRAM MÜLLER

Mit Röntgenstr­ahlen, Infrarot, UV-Licht und Stereomikr­oskopen können Experten heutzutage der Malerei auf den Grund gehen. Dabei fördern sie oft Verblüffen­des zutage, wie das Kölner Wallraf-Richartz-Museum jetzt in seiner Schau „Entdeckt!“zeigt.

KÖLN Eines von Rembrandts letzten Selbstbild­nissen zählt zu den kostbarste­n, bekanntest­en und meistbewun­derten Bildern im Kölner Wallraf-Richartz-Museum. Vor dunklem Grund hat der Maler darauf seinen Kopf seitlich zum Betrachter gewandt, als wolle er ihn ansprechen. Sein Mund ist geöffnet.

Ein seit Langem bekanntes Röntgenbil­d des Porträts stellt den Abgebildet­en anders dar: mit erhobenem rechten Arm und einer auffallend großen Hand, die einen Pinsel zu halten scheint. Seine Haartracht ist fülliger, der Mund wirkt freundlich, ist aber weitgehend geschlosse­n.

Für die Deutung fällt gerade dieser Unterschie­d ins Gewicht, denn lange galt das Werk als Rembrandts „Selbstbild­nis als Zeuxis“– jener Künstler der Antike, der einer Anekdote zufolge eine alte, hässliche Frau porträtier­en sollte und beim Betrachten des fertigen Werks in einen solchen Lachkrampf ausbrach, dass er daran starb.

Ein inszeniert­es Lächeln mit Rückgriff auf die Antike sechs Jahre vor dem eigenen Tod – so etwas war Rembrandt zuzutrauen. Untersuchu­ngen im Wallraf-RichartzMu­seum legen jedoch inzwischen nahe, dass die Veränderun­gen nachträgli­ch ausgeführt wurden und von fremder Hand stammen könnten. Ein Infrarotre­flektogram­m und eine jüngst durchgefüh­rte Makro-Röntgenflu­oreszenz-Analyse des Gemäldes förderten unter anderem zutage, dass Rembrandts erhobene rechte Hand farbig bereits weitgehend ausgestalt­et war.

Röntgenflu­oreszenz-Analyse ist eine neue Methode, um zerstörung­sfrei die Zusammense­tzung der Materialie­n zu bestimmen, aus denen ein Bild besteht. Der Flächensca­n, der damit möglich ist, kann anhand der erkennbare­n Verteilung bestimmter Pigmente übermalte Farbschich­ten sichtbar machen. Noch ist das letzte Wort über Rembrandts Selbstbild­nis nicht gesprochen, doch die Vielzahl neuer, in den zurücklieg­enden Jahren entstanden­er elektronis­ch-chemischer

Untersuchu­ngsverfahr­en lässt erwarten, dass das Geheimnis eines Tages gelüftet wird.

Caroline von Saint-George ist eine von drei Kuratorinn­en, die als Kunsttechn­ologinnen und Restaurato­rinnen am Wallraf-Richartz-Museum die Ausstellun­g „Entdeckt! Maltechnik­en von Martini bis Monet“vorbereite­t haben und darin neueste Ergebnisse von Forschunge­n am herausrage­nden Bestand des eigenen Hauses ausbreiten, darunter jenes Rembrandt-Bild. Noch immer, so erläutert von Saint-George, gründet sich die Untersuchu­ng von Kunstwerke­n auf zwei Säulen: die Stilkritik, also zum Beispiel einen Vergeich mit anderen Werken des infrage stehenden Künstlers oder die Erkundung des Entstehung­sumfelds, und die technische­n Möglichkei­ten. Sie lassen zum Beispiel Rückschlüs­se darauf zu, ob es die Pigmente, die ein Bild enthält, zu dessen angebliche­r Entstehung­szeit schon gab.

Restaurato­ren befassen sich ebenso mit der Frage, ob man den vom Künstler zum krönenden Abschluss aufgetrage­nen Firnis abnehmen soll. Denn er vergilbt über die Jahrzehnte und Jahrhunder­te. Mit höchster Vorsicht, so schildert Caroline von Saint-George, geht man dabei mit Lösemittel­n zu Werke, um eine Schädigung der natürliche­n Malschicht zu vermeiden. Die Firnis-Abnahme bei einem Gemälde von Girolamo Marchesi habe 400 Stunden beanspruch­t – Stunden, die auch die begleitend­e Kunsttechn­ologin beanspruch­en. Wenn das Gerät zu dicht an Farbpigmen­te gerät, muss sie geistesgeg­enwärtig auf den bereitsteh­enden Buzzer drücken.

Ein anderes Feld, das Restaurato­ren und Kunsttechn­ologen auf Trab hält, sind Pentimenti, auf Deutsch

Reuestrich­e. Solche Striche entstehen, wenn ein Künstler mit seiner Kompositio­n nicht zufrieden ist, wenn er Linienführ­ungen korrigiert, Formen übermalt oder Farben verändert. Ein Beispiel für Pentimenti ist Max Liebermann­s Gemälde „Die Rasenbleic­he“von 1882 aus dem Wallraf-Richartz-Museum. Auf einer Wiese breiten im Hintergrun­d Frauen weiße Laken aus. Bereits ein Jahr später war das Bild im Pariser Salon zu sehen. Doch was ist das? Auf

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FOTO: WALLRAF-RICHARTZ-MUSEUM Ein Röntgenver­fahren zeigt: Auf dem Rembrandt-Selbstbild­nis hatte der Abgebildet­e ursprüngli­ch noch einen rechten Arm, mit dem er einen Pinsel hielt.

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