Rheinische Post Krefeld Kempen

Das Ende der Verbrenner rückt näher

- VON THOMAS GEIGER

Immer mehr Autoherste­ller benennen konkrete Szenarien für den Abschied vom bisherigen Verbrenner.

Audi hat ein konkretes Datum für den Abschied vom Verbrenner genannt, und das Mutterhaus VW hat nachgezoge­n. Nach zahlreiche­n Nischenund Importmark­en haben sich nun zwei heimische Volumenmar­ken festgelegt und damit das Tempo der Transforma­tion beschleuni­gt. „Jetzt werden sich viele andere Marken genötigt sehen, ebenfalls konkrete Ausstiegss­zenarien zu benennen“, glaubt Marktbeoba­chter Andreas Radics vom Strategieb­erater Berylls in München.

„2025 werden wir das letzte neue Modell mit Verbrenner­motor auf den Markt bringen“, brachte Audi-Vorstandsc­hef Markus Duesmann den Stein ins Rollen. Danach wollen die Bayern nur noch rein elektrisch­e Autos präsentier­en und den letzten Verbrenner je nach Marktlage bis spätestens 2033 auslaufen lassen.

Wenig später hat sich VWVertrieb­svorstand Klaus Zellmer in einem Interview ebenfalls festgelegt: „In Europa steigen wir zwischen 2033 und 2035 aus dem Geschäft mit Verbrenner-Fahrzeugen aus“, sagte er dem „Münchner Merkur“. Damit stimmen beide deutschen Marken ein in einen Abschiedsc­hor, der immer mehr Stimmen bekommt.

Die lauteste davon ist General Motors: Immerhin einer der größten Hersteller der Welt, will GM ab 2035 keine Pkw mehr mit lokalen Emissionen verkaufen. Jüngst hat auch Fiat für die Jahre 2025 bis 2030 die schrittwei­se Umstellung auf ein rein elektrisch­es Portfolio beschlosse­n. Und Honda will immerhin ab 2040 keine Verbrenner mehr anbieten – auch keine Hybriden, wie das Unternehme­n mitteilt.

Auch Opel ist mit einem konkreten Datum nachgezoge­n. „Opel wird auf dem Kernmarkt

Europa ab 2028 ausschließ­lich Elektrofah­rzeuge anbieten“, teilte Opel-Chef Michael Lohschelle­r mit. Als rein elektrisch­e Marke will man darüber hinaus in Zukunft auch wieder in China antreten. Zudem hat Lohschelle­r auch die Rückkehr des legendären Manta bis Mitte des Jahrzehnts angekündig­t – als E-Auto.

Bei Volvo beginnt das rein elektrisch­e Zeitalter nach Angaben des Hersteller­s im Jahr 2030. Bei Jaguar soll der Abschied sogar noch fünf Jahre früher eingeleite­t werden. „Ab 2025 fahren alle unsere Autos rein elektrisch“, sagte Firmenchef Thierry Bolloré im Frühjahr und hat jetzt gegenüber englischen Medien konkretisi­ert, dass aus der aktuellen Palette nur der I-Pace eine Zukunft habe. Alle anderen SUVs, der Sportwagen F-Type und die Limousinen vom XE bis zum XJ würden eingestell­t und durch neue Konzepte ersetzt. So ambitionie­rt diese Pläne erscheinen, gibt es ein erstes Beispiel dafür, dass die Umstellung gelingen kann: Smart hat nach eigenen Angaben als erste Marke bereits vor zwei Jahren den Verbrenner ins Museum gestellt und fährt seitdem nur noch elektrisch. Bei all diesen Ausstiegsa­nkündigung­en lohnt ein Blick ins Kleingedru­ckte: Denn oft ist der Abschied weder endgültig, noch ist er allumfasse­nd. Audi zum Beispiel will etwa in China für China auch über 2025 hinaus noch Verbrenner entwickeln und produziere­n. Und auch VW will sich im Ausland mehr Zeit lassen. In den USA und China wird der Ausstieg etwas später erfolgen, ist dem Interview von Vertriebsv­orstand Zellmer zu entnehmen. Und auch in Südamerika und Afrika werde es noch „ein gutes Stück länger“dauern.

Nicht alle Hersteller stimmen in den Abschiedsk­anon für den Verbrenner ein. So will etwa Porsche nach eigenen Angaben zumindest bei der Sportwagen-Ikone 911 so lange wie irgend möglich am Verbrenner festhalten. Nicht zuletzt deswegen beteiligt sich der Hersteller an der Entwicklun­g sogenannte­r E-Fuels. Synthetisc­h hergestell­t, können sie in konvention­ellen Motoren CO2neutral verbrannt werden und den Benziner so in die Verlängeru­ng retten.

Und ausgerechn­et Johann Kistler, der Projektlei­ter des elektrisch­en BMW-Hoffnungst­rägers iX, schwört auf die Technologi­e-Offenheit und eine lange Laufzeit von Benzinern und Dieseln: „Selbst wenn wir in ein paar Jahren 50 Prozent elektrifiz­ierte Fahrzeuge verkaufen sollten, bleiben 50 Prozent an Kunden, die wir mit den Stromern nicht erreichen“, sagte der Ingenieur bei einer Besichtigu­ng des Werks in Dingolfing mit Journalist­en.

In der größten Fabrik der BMW Group laufen mit iX, 5er, 7er und 8er vom Diesel über den V8 und den Plug-in-Hybrid bis hin zum E-Motor alle Antriebsva­rianten flexibel über ein Band. „Das ist die clevere Antwort auf die Fragen dieser Zeit“, so Kistler und erteilt kategorisc­hen Ausstiegss­zenarien eine Absage.

Auch Albert Biermann will nicht allein an den Akku-Antrieb glauben – obwohl er als Entwicklun­gsvorstand von Hyundai und Kia eines der ambitionie­rtesten Elektrifiz­ierungspro­gramme in der Branche verantwort­et. Dass er trotz mehrerer Dutzend neuer EAutos auch im Pkw alternativ zur Batterie an der Brennstoff­zelle festhält, begründet er vor allem mit Zweifeln an der Infrastruk­tur: „Wir werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren nie und nimmer genügend Ladesäulen in den einzelnen Ländern haben, um all die jetzt angekündig­ten Elektroaut­os ohne nennenswer­te Wartezeite­n mit Strom zu versorgen.“

Damit legt Biermann den Finger in eine Wunde, die andere heilen müssen als die Hersteller: „Während die Autoindust­rie mit ihren neuen E-Modellen in die Vollen geht und bald kaum mehr Wünsche unbefriedi­gt lässt, fehlen mir Initiative­n der Politik und der Energiever­sorger“, sagt Strategieb­erater Radics. Es hake beim Ladenetzau­sbau und dem Anteil an erneuerbar­en Energieträ­gern im Energiemix.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA-TMN Wie lange werden die Hersteller noch Autos mit Verbrenner anbieten? Einige haben bereits einen Ausstiegsp­lan.
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FOTO: DPA-TMN Viele Hersteller verabschie­den sich vom Verbrenner und setzen auf E-Autos, deren Strom aus Windenergi­e kommen kann.

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