Rheinische Post Krefeld Kempen
FDP will dem Bundestrend trotzen
Die Ampel in Berlin wird teils stark kritisiert. Besonders hohe Verluste beklagt in Umfragen die FDP. Der Willicher Ortsverband will sich nun davon lösen und mit eigenen Inhalten dagegen halten. Die Kommunalwahl 2025 ist das Ziel.
WILLICH Wähler oder gar Parteimitglieder der FDP bekommen bei Wahlumfragen derzeit das kalte Grausen: In Brandenburg, Sachsen und Thüringen wird in diesem Jahr gewählt. Die FDP steht in Umfragen auf 3 Prozent. Auch in NRW hätte sie es mit aktuell 5 Prozent schwer, in den Landtag einzuziehen. Bei den Willicher Liberalen schrillen deshalb die Alarmglocken. Die Partei will sich gerade dem Wähler gegenüber neu positionieren.
„Es muss uns gelingen, dem Wähler zu verdeutlichen, dass wir Politik für Willich machen. Natürlich sind wir auch FDP und stehen zu unserer Partei. Aber inhaltlich haben wir mit der Ampel in Berlin wenig zu tun“, betont Parteichef Hannes Zühlsdorff. Der Fokus der Willicher FDP liege darum klar auf der Kommunalwahl im Herbst 2025, nicht auf der Europawahl im Herbst diesen Jahres.
Erschwert wird das Vorhaben aber dadurch, dass die Kommunalwahl zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfinden wird. Ist der Wähler bereit und in der Lage, zu differenzieren, ein Kreuz möglicherweise gegen die Ampel im Bund, dann aber Sekunden später eins für die FDP in Willich zu machen? Auf die Frage, ob er daran glaubt, lächelt Zühlsdorff etwas gequält. „Am Ende müssen wir das. Wir können nicht mehr, als hier unser Bestes zu geben, gute Arbeit abzuliefern und zu hoffen, dass es honoriert wird“, sagt er.
Doch wie soll diese Sacharbeit aussehen? „Für uns geht es vor allem um wirtschaftliche Stabilität. Dafür haben wir unseren Finanzkompass noch einmal aktualisiert und vorgelegt. Wir wollen für solide Finanzen stehen“, sagt Ratsherr Franz-Josef Stapel. Doch damit sei es nicht erschöpft. „Wir wollen für eine Politik der offenen Türen stehen, wir wollen interfraktionell Dinge bewegen. Als eine der kleinsten Ratsfraktionen sind das aber sehr dicke Bretter, die wir bohren“, erläutert Fraktionschef Karl-Heinz Koch.
Es reiche aber nicht mehr aus, nur als Wirtschaftspartei wahrgenommen zu werden. „Es ist sicher richtig und wichtig, als Hüter der Finanzen wahrgenommen zu werden. Aber wir wollen auch mehr sein. Wir wollen für liberale Inhalte in allen Bereichen stehen“, betont Stapel.
Dass die Partei dabei durchaus auch offen und in einer Art Findungsphase ist, zeigt sich dann beim Thema Menstruationsartikel für Mädchen und junge Frauen an Schulen. Für Ratsfrau Ellen RoidlHock ein gutes Beispiel, wo die Stadt sparen könne. „Das kostet uns 3000 Euro. Dabei ist es doch die Verantwortung jeder jungen Frau, sich selbst darum zu kümmern“, sagt die einzige Frau in der Runde. Unterstützung erhält sie von Stapel. „Im Rat weiß jeder, dass das eigentlich keinen Sinn ergibt, aber keiner traut sich wirklich etwas dagegen zu sagen“, sagt er.
Zühlsdorff hingegen widerspricht. „Ich denke, das ist schon ein eigener Fall. Ich glaube, es trägt auch ein Stück weit zur Enttabuisierung des Themas bei. Außerdem suchen sich junge Frauen ja nicht aus, die Regel zu bekommen“, sagt er. Ralf Klein, bis vor kurzer Zeit Pressesprecher der FDP Willich, fügt hinzu: „Es mag als Schwäche wirken, dass wir sogar im Pressegespräch über Inhalte diskutieren. Tatsächlich ist es unsere Stärke. Wir haben keinen Fraktionszwang, keine vorgegebene Linie, sondern suchen im stetigen Diskurs nach richtigen Lösungen und Positionen“, so Klein.
Der fehlende Fraktionszwang habe sich auch in der Abstimmung zum Kreisverkehr an der Korschenbroicher/Willicher Straße gezeigt.
Hier hatte Stapel anders abgestimmt als die restliche Fraktion. „Das ist bei uns gar kein Problem“, sagt Klein.
Die FDP sucht den Dialog mit dem Bürger und will den Spagat schaffen, sich klar zu positionieren, ein eigenes Profil gegen den Bundestrend zu entwickeln und gleichzeitig der Bundespartei nicht in den Rücken zu fallen. Die Situation für die Liberalen vor Ort ist nicht leicht. Ergebnisse können sie nur im interfraktionellen Diskurs erreichen – was ob einer starken CDU und weitgehend isolierter Grüner schwierig ist – und müssen dann hoffen, dass der Wähler es honoriert. Und erkennt, dass das Kreuz binnen Sekunden an zwei unterschiedlichen Stellen gesetzt werden könnte. Es ist auch ein Stück weit das Prinzip Hoffnung.