Rheinische Post Krefeld Kempen
Was wirkt? Kampf ums Hardenbergviertel
Es ist wie Pingpong zwischen Bürger und Stadt: Wenn Bürgervereinsvorsitzender Grünwald sagt, von einer Aufwertung des Viertels sei nichts zu sehen, antwortet die Stadt mit einem Maßnahmenkatalog. Was wirkt – was nicht?
KREFELD Es wird viel von Sauberkeit im öffentlichen Raum geredet – aber wann ist eine Straße eigentlich sauber? Auch ohne Müll kann eine Straße „dreckig“wirken, wenn sich der Boden mit Kaugummis, Flecken und schmutzig-dunkler Anmutung präsentiert. Das Straßenbild, das wir oft halbbewusst wahrnehmen, ist eben in Wahrheit komplex – auch wenn wir den Eindruck „dreckig“an markanten Punkten („Müll“) festmachen. Das Frustrierende für die Verantwortlichen ist: Auch wenn sie den Müll entsorgen, kann der Eindruck „dreckig“bleiben.
Um solche Fragen geht es auch, wenn die Stadt einerseits und andererseits Bürger wie Manfred Grünwald als Vorsitzender des Bürgervereins Ost – jenes Bezirks, an dessen Rand das Drogenhilfezentrum liegt – zu unterschiedlichen Einschätzungen über ein Viertel kommen. Grünwald bilanziert, dass von der versprochenen Aufwertung des Viertels noch nicht viel zu sehen sei (wir berichteten). Wir fragten die Stadt – und die Stadt wiederum hält einen durchaus beeindruckenden Maßnahmenkatalog dagegen.
Vorweg: Durchschlagende Wirkung in der Wahrnehmung haben immer Sanierung und Umgestaltung des Straßenraums mit deutlicher Strukturierung von Fahrbahn, Bürgersteig, Parkraum und Grünparzellen. Wo Straßen und Sträßchen ansprechend gestaltet sind, folgen die Immobilienbesitzer meist mit Investitionen in ihre Häuser.
Was also ist im Bezirk Ost, seit einiger Zeit auch „Hardenbergviertel“genannt, passiert – und wie ist es in der Wirkung zu beurteilen?
Städtebauliches
Die Sanierung des Spielplatzes auf der Hardenbergstraße ist in Planung, „Berliner Kissen“und andere verkehrsberuhigende Maßnahmen sollen den Verkehr auf der Hardenbergstraße verlangsamen. Im Gespräch ist, die Hardenbergstraße zu sanieren.
Beurteilung: Sichtbar, gut für das Lebenstempo; ein intakter, gepflegter Spielplatz strahlt Friedfertigkeit aus, intakte Straßen vermitteln Solidität.
Konzepte
Ab Mai 2024 wird ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept (ISEK) für das Hardenbergviertel erarbeitet. Ziel ist, „Maßnahmen für eine städtebauliche und infrastrukturelle Aufwertung des Quartiers zu entwickeln, um damit eine höhere Lebensqualität im Stadtteil zu schaffen“. Mit dem ISEK sollen auch Mittel der Städtebauförderung beantragt werden können. Begleitend dazu findet eine vorbereitende Untersuchung statt, bei der die Bausubstanz im Detail betrachtet wird, um die Notwendigkeit eines Sanierungsverfahrens beurteilen zu können.
Beurteilung Wie das so ist mit Konzepten: Die Umsetzung liegt in weiter Ferne, Fördergelder haben ihre eigenen Tücken, und vieles bleibt Verwaltungschinesisch. Konzepte sollten immer mitdokumentieren müssen, wie lange die Umsetzung realistisch dauert, denn jedes Konzept ist nur so gut wie seine Umsetzung.
Problemimmobilien
Das Hardenbergviertel steht besonders im Blick des Problemimmobilienkoordinators und der städtischen Partner - die Anzahl der Kontrollen ist überdurchschnittlich im innerstädtischen Vergleich. Seit 2020 gab es demnach neben Kontrollen und Begutachtungen einzelner Objekte 15 groß angelegte Quartiersbegehungen. 26 Immobilien im Hardenbergviertel sind als problematisch eingestuft worden, es gibt zudem neun registrierte Leerstände. Zu allen Eigentümern von Problemimmobilien nimmt die Stadt Kontakt auf, außerdem besteht Austausch zu den Nachbarn dieser Immobilien. Zwölf Immobilien befinden sich zurzeit in der Entwicklung.
Nicht immer ist das von außen erkennbar, denn die Fassade wird häufig erst am Ende einer Maßnahme saniert.
Beurteilung: Sehr gute Maßnahme; die Kontrollen erfolgen meist mit Polizei und Ordnungsamt; das beeindruckt Besitzer schon. Dennoch wünschte man sich schärfere Sanktionsmaßnahmen oder gar bessere Möglichkeiten zu Enteignungen, wenn Eigentümer nicht in der Lage zu notwendigen Investitionen sind. Im Grundgesetz steht „Eigentum verpflichtet“– diese Pflicht ist in deutschem Recht nur sehr lau durchdekliniert. Dieses Thema ist aber in Berlin angesiedelt, die Stadtverwaltung hat nur die Handlungsoptionen, die der Gesetzgeber ihr eröffnet. Sie kann in Wahrheit wenig mehr tun als Eigentümer bitten, dass etwas geschieht, oder solche Gebäude zu oft nicht angemessenen Preisen kaufen.
Sicherheit
Das Stärkungspaket Innenstadt hat das Ziel, Sicherheit, Sauberkeit und Aufenthaltsqualität auch im Bereich um das Drogenhilfezentrum zu erhöhen. Dazu gehört die erhöhte Präsenz von KOD und Polizei sowie der Dialog mit den Bürgern vor Ort im neu geschaffenen Quartiersbüro Schinkenplatz im benachbarten Kronprinzenviertel. Die sogenannte Frühstreife des KOD ist mit zwei Kräften täglich ab 4.30 Uhr unterwegs - regelmäßig auch mit
Streetworkern. Obdachlose, die in Hauseingängen schlafen, werden geweckt, aufgefordert zu gehen und auf die Notschlafstelle an der Feldstraße hingewiesen. Ordnungsrechtliche Verstößen werden geahndet, Hotspots von Drogendealern ermittelt und der Parkraum sowie Kioske verstärkt kontrolliert. Beurteilung: Notwendige Basisarbeit in Vierteln mit Drogenabhängigen und Obdachlosen. Ordnungspolitisch ärgerlich ist, dass diese Art der Präsenz nicht selbstverständlich ist, sondern als Sonderprogramm beschlossen werden muss. Das aber ist ein Grundsatzthema über den Stellenwert des öffentlichen Raums in Deutschland. Die Art, wie vielfach ganze Viertel vom Staat preisgegeben werden, ist skandalös und nicht krefeldspezifisch.
Sauberkeit
Die Reinigungsintervalle in den Bereichen rund um das Drogenhilfezentrum wurden intensiviert. Für das Hardenbergviertel ist ein Vertrag mit der GSAK geschlossen worden, dass dort intensiver gereinigt wird. Dazu gehören maschinelle Gehwegund Rinnenreinigung mit Kleinkehrmaschine, Handreinigung in allen für die Kleinkehrmaschine nicht zugänglichen Bereichen, Aufnahme von Abfällen aus den Grünbeeten und Straßenbegleitgrün, bei Bedarf Zusatzleerungen für die Papierkörbe.
Beurteilung: Notwendige Basisarbeit, die selbstverständlich sein sollte. Siehe oben.
Quartiersarbeit (Sozialarbeit) Elementarer Bestandteil der Quartiersentwicklung im Hardenbergviertel ist das Quartierszentrum Freiraum 21, das auch das Romano Centro beherbergt (Dießemer Straße 21) und eine Fülle von Bildungsund Kulturangeboten vorhält, auch in Kooperationen mit Schulen und Kitas. Das Romano Centro bindet insbesondere viele Menschen aus Südosteuropa. In dem Projekt „Wir im Quartier (WIQ)“werden Familien in besonders problematischen Lebenssituationen noch einmal intensiver betreut.
Beurteilung: Solche Maßnahmen sind wichtig für den inneren Frieden eines Viertels. Er ist allerdings nicht zu trennen von der äußerlichen Sichtbarkeit friedlicher Lebensverhältnisse – Stichwort „Broken-Windows-Theorie: Wo ein zerbrochenes Fenster ist, wird bald das nächste eingeworfen. Deshalb sind Städtebau und Sozialarbeit unbedingt zu verbinden. Leider hat man den Eindruck, dass die städtebauliche Entwicklung aus Kostengründen oft eher vernachlässigt wird.