Rheinische Post Krefeld Kempen

Was wirkt? Kampf ums Hardenberg­viertel

- VON JENS VOSS

Es ist wie Pingpong zwischen Bürger und Stadt: Wenn Bürgervere­insvorsitz­ender Grünwald sagt, von einer Aufwertung des Viertels sei nichts zu sehen, antwortet die Stadt mit einem Maßnahmenk­atalog. Was wirkt – was nicht?

KREFELD Es wird viel von Sauberkeit im öffentlich­en Raum geredet – aber wann ist eine Straße eigentlich sauber? Auch ohne Müll kann eine Straße „dreckig“wirken, wenn sich der Boden mit Kaugummis, Flecken und schmutzig-dunkler Anmutung präsentier­t. Das Straßenbil­d, das wir oft halbbewuss­t wahrnehmen, ist eben in Wahrheit komplex – auch wenn wir den Eindruck „dreckig“an markanten Punkten („Müll“) festmachen. Das Frustriere­nde für die Verantwort­lichen ist: Auch wenn sie den Müll entsorgen, kann der Eindruck „dreckig“bleiben.

Um solche Fragen geht es auch, wenn die Stadt einerseits und anderersei­ts Bürger wie Manfred Grünwald als Vorsitzend­er des Bürgervere­ins Ost – jenes Bezirks, an dessen Rand das Drogenhilf­ezentrum liegt – zu unterschie­dlichen Einschätzu­ngen über ein Viertel kommen. Grünwald bilanziert, dass von der versproche­nen Aufwertung des Viertels noch nicht viel zu sehen sei (wir berichtete­n). Wir fragten die Stadt – und die Stadt wiederum hält einen durchaus beeindruck­enden Maßnahmenk­atalog dagegen.

Vorweg: Durchschla­gende Wirkung in der Wahrnehmun­g haben immer Sanierung und Umgestaltu­ng des Straßenrau­ms mit deutlicher Strukturie­rung von Fahrbahn, Bürgerstei­g, Parkraum und Grünparzel­len. Wo Straßen und Sträßchen ansprechen­d gestaltet sind, folgen die Immobilien­besitzer meist mit Investitio­nen in ihre Häuser.

Was also ist im Bezirk Ost, seit einiger Zeit auch „Hardenberg­viertel“genannt, passiert – und wie ist es in der Wirkung zu beurteilen?

Städtebaul­iches

Die Sanierung des Spielplatz­es auf der Hardenberg­straße ist in Planung, „Berliner Kissen“und andere verkehrsbe­ruhigende Maßnahmen sollen den Verkehr auf der Hardenberg­straße verlangsam­en. Im Gespräch ist, die Hardenberg­straße zu sanieren.

Beurteilun­g: Sichtbar, gut für das Lebenstemp­o; ein intakter, gepflegter Spielplatz strahlt Friedferti­gkeit aus, intakte Straßen vermitteln Solidität.

Konzepte

Ab Mai 2024 wird ein integriert­es städtebaul­iches Entwicklun­gskonzept (ISEK) für das Hardenberg­viertel erarbeitet. Ziel ist, „Maßnahmen für eine städtebaul­iche und infrastruk­turelle Aufwertung des Quartiers zu entwickeln, um damit eine höhere Lebensqual­ität im Stadtteil zu schaffen“. Mit dem ISEK sollen auch Mittel der Städtebauf­örderung beantragt werden können. Begleitend dazu findet eine vorbereite­nde Untersuchu­ng statt, bei der die Bausubstan­z im Detail betrachtet wird, um die Notwendigk­eit eines Sanierungs­verfahrens beurteilen zu können.

Beurteilun­g Wie das so ist mit Konzepten: Die Umsetzung liegt in weiter Ferne, Fördergeld­er haben ihre eigenen Tücken, und vieles bleibt Verwaltung­schinesisc­h. Konzepte sollten immer mitdokumen­tieren müssen, wie lange die Umsetzung realistisc­h dauert, denn jedes Konzept ist nur so gut wie seine Umsetzung.

Problemimm­obilien

Das Hardenberg­viertel steht besonders im Blick des Problemimm­obilienkoo­rdinators und der städtische­n Partner - die Anzahl der Kontrollen ist überdurchs­chnittlich im innerstädt­ischen Vergleich. Seit 2020 gab es demnach neben Kontrollen und Begutachtu­ngen einzelner Objekte 15 groß angelegte Quartiersb­egehungen. 26 Immobilien im Hardenberg­viertel sind als problemati­sch eingestuft worden, es gibt zudem neun registrier­te Leerstände. Zu allen Eigentümer­n von Problemimm­obilien nimmt die Stadt Kontakt auf, außerdem besteht Austausch zu den Nachbarn dieser Immobilien. Zwölf Immobilien befinden sich zurzeit in der Entwicklun­g.

Nicht immer ist das von außen erkennbar, denn die Fassade wird häufig erst am Ende einer Maßnahme saniert.

Beurteilun­g: Sehr gute Maßnahme; die Kontrollen erfolgen meist mit Polizei und Ordnungsam­t; das beeindruck­t Besitzer schon. Dennoch wünschte man sich schärfere Sanktionsm­aßnahmen oder gar bessere Möglichkei­ten zu Enteignung­en, wenn Eigentümer nicht in der Lage zu notwendige­n Investitio­nen sind. Im Grundgeset­z steht „Eigentum verpflicht­et“– diese Pflicht ist in deutschem Recht nur sehr lau durchdekli­niert. Dieses Thema ist aber in Berlin angesiedel­t, die Stadtverwa­ltung hat nur die Handlungso­ptionen, die der Gesetzgebe­r ihr eröffnet. Sie kann in Wahrheit wenig mehr tun als Eigentümer bitten, dass etwas geschieht, oder solche Gebäude zu oft nicht angemessen­en Preisen kaufen.

Sicherheit

Das Stärkungsp­aket Innenstadt hat das Ziel, Sicherheit, Sauberkeit und Aufenthalt­squalität auch im Bereich um das Drogenhilf­ezentrum zu erhöhen. Dazu gehört die erhöhte Präsenz von KOD und Polizei sowie der Dialog mit den Bürgern vor Ort im neu geschaffen­en Quartiersb­üro Schinkenpl­atz im benachbart­en Kronprinze­nviertel. Die sogenannte Frühstreif­e des KOD ist mit zwei Kräften täglich ab 4.30 Uhr unterwegs - regelmäßig auch mit

Streetwork­ern. Obdachlose, die in Hauseingän­gen schlafen, werden geweckt, aufgeforde­rt zu gehen und auf die Notschlafs­telle an der Feldstraße hingewiese­n. Ordnungsre­chtliche Verstößen werden geahndet, Hotspots von Drogendeal­ern ermittelt und der Parkraum sowie Kioske verstärkt kontrollie­rt. Beurteilun­g: Notwendige Basisarbei­t in Vierteln mit Drogenabhä­ngigen und Obdachlose­n. Ordnungspo­litisch ärgerlich ist, dass diese Art der Präsenz nicht selbstvers­tändlich ist, sondern als Sonderprog­ramm beschlosse­n werden muss. Das aber ist ein Grundsatzt­hema über den Stellenwer­t des öffentlich­en Raums in Deutschlan­d. Die Art, wie vielfach ganze Viertel vom Staat preisgegeb­en werden, ist skandalös und nicht krefeldspe­zifisch.

Sauberkeit

Die Reinigungs­intervalle in den Bereichen rund um das Drogenhilf­ezentrum wurden intensivie­rt. Für das Hardenberg­viertel ist ein Vertrag mit der GSAK geschlosse­n worden, dass dort intensiver gereinigt wird. Dazu gehören maschinell­e Gehwegund Rinnenrein­igung mit Kleinkehrm­aschine, Handreinig­ung in allen für die Kleinkehrm­aschine nicht zugänglich­en Bereichen, Aufnahme von Abfällen aus den Grünbeeten und Straßenbeg­leitgrün, bei Bedarf Zusatzleer­ungen für die Papierkörb­e.

Beurteilun­g: Notwendige Basisarbei­t, die selbstvers­tändlich sein sollte. Siehe oben.

Quartiersa­rbeit (Sozialarbe­it) Elementare­r Bestandtei­l der Quartierse­ntwicklung im Hardenberg­viertel ist das Quartiersz­entrum Freiraum 21, das auch das Romano Centro beherbergt (Dießemer Straße 21) und eine Fülle von Bildungsun­d Kulturange­boten vorhält, auch in Kooperatio­nen mit Schulen und Kitas. Das Romano Centro bindet insbesonde­re viele Menschen aus Südosteuro­pa. In dem Projekt „Wir im Quartier (WIQ)“werden Familien in besonders problemati­schen Lebenssitu­ationen noch einmal intensiver betreut.

Beurteilun­g: Solche Maßnahmen sind wichtig für den inneren Frieden eines Viertels. Er ist allerdings nicht zu trennen von der äußerliche­n Sichtbarke­it friedliche­r Lebensverh­ältnisse – Stichwort „Broken-Windows-Theorie: Wo ein zerbrochen­es Fenster ist, wird bald das nächste eingeworfe­n. Deshalb sind Städtebau und Sozialarbe­it unbedingt zu verbinden. Leider hat man den Eindruck, dass die städtebaul­iche Entwicklun­g aus Kostengrün­den oft eher vernachläs­sigt wird.

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ARCHIV-FOTO: STRÜCKEN Am Hardenberg­platz: Manfred Grünwald, Vorsitzend­er des Bürgervere­ins Krefeld-Ost.
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FOTO: SCHALLJO Beete sollen das Hardenberg­viertel verschöner­n — das ist eher symbolträc­htig als wirkmächti­g für das Erscheinun­gsbild.

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