Rheinische Post Krefeld Kempen
Europol leitet Einsatz am Dießemer Bruch
700 Einsatzkräfte allein in Nordrhein-Westfalen waren bei einer Großrazzia gegen organisierte Schleuserei im Einsatz. Einige Haftbefehle wurden vollstreckt. Einer der Einsatzorte liegt in Krefeld, am Dießemer Bruch.
KREFELD Bewaffnete Beamte der Bundespolizei kontrollierten bei einer internationalen Großrazzia gegen Schleuser am gestrigen Mittwoch auch ein Objekt am Dießemer Bruch in Krefeld. Die Einsatzkräfte sperrten das Gelände ab, bis ein Verantwortlicher für die LagerImmobilie eintraf, um dann von ihm Informationen über Mieter zu bekommen. Nach Augenzeugenberichten wurden weder Gegenstände oder Akten beschlagnahmt noch Personen festgenommen. Ein Sprecher der Bundespolizei bestätigte auf Anfrage unserer Redaktion die Aktion in Krefeld.
Dabei geht um ein mutmaßliches Schleuser-Netzwerk und um Boote zur Überquerung des Ärmelkanals nach Großbritannien. An einem von Europol koordinierten Großeinsatz in mehreren europäischen Ländern haben sich in Deutschland am Hunderte zum Teil schwer bewaffnete Beamte beteiligt. Bei der Großrazzia gegen mutmaßliche Mitglieder einer Schleuserbande in vier Bundesländern mit dem Schwerpunkt Nordrhein-Westfalen hat die Bundespolizei zahlreiche Personen festgenommen. Es seien Haftbefehle im zweistelligen Bereich vollstreckt worden, sagte ein Sprecher der Bundespolizei in NRW der Deutschen Presseagentur.
Wie zuvor ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage sagte, geht es bei der Aktion in NRW, Hessen, Bayern und Schleswig-Holstein um die Vollstreckung mehrerer europäischer Haftbefehle. Auch die Polizeibehörden in Frankreich und Belgien seien beteiligt. Die Verdächtigen sollen an Schleusungen über den Ärmelkanal beteiligt gewesen sein.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei in Deutschland in Zusammenhang mit Schleusungen nach Großbritannien aktiv wird. Mit einem grenzüberschreitenden Großeinsatz hatten Ermittler in fünf Ländern nach Angaben von Europol 2022 eine der größten Schleuserbanden Europas ausgehoben. Die Bande, die damals im Fokus der Ermittlungen stand, soll Tausende Menschen in Schlauchbooten über den Ärmelkanal nach Großbritannien geschmuggelt haben. Damals waren bei Durchsuchungen in Deutschland neben zahlreichen Schlauchbooten und Motoren große Mengen Bargeld sowie Schusswaffen entdeckt worden.
Auch die Stadt Krefeld ist im Zusammenhang mit Schleusungen kein weißer Fleck in der Bundesrepublik. Im Februar 2020 gelang der Polizei und der Staatsanwaltschaft Krefeld ein Schlag gegen die Personen hinter der illegalen Einwanderung. 24 Personen kamen in Folge in Abschiebehaft. Eine gemeinsame Ermittlungsgruppe mit dem Namen Kiew aus Beamten der Bundespolizeiinspektion Kleve, des Polizeipräsidiums Krefeld und der Staatsanwaltschaft Krefeld hatten vier Immobilien in den Städten Oberhausen, Köln, Straelen und Krefeld durchsucht.
Hintergrund der Aktion war die Bekämpfung von Schleuserkriminalität.
Gegen ein deutsches Ehepaar im Alter von 55 und 53 Jahren, einen britischen Staatsangehörigen (51 Jahre) sowie einen Ukrainer (40 Jahre) und einen Letten (41 Jahre) bestand der Verdacht des banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern. Die Beschuldigten sollen vorrangig ukrainischen, kasachischen und tadschikischen Drittstaatsangehörigen durch eine in Lettland ansässige Arbeitsvermittlungsfirma lettische Arbeitsvisa beschafft haben. Anschließend vermittelten sie die Personen widerrechtlich zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland.
Im Juni 2018 durchsuchten Beamte der Bundespolizei und des Zolls bundesweit insgesamt elf Wohnungen und Geschäftsräume einer möglichen Schleuserorganisation, unter anderem auch in Krefeld. Im Rahmen der Maßnahmen konnte umfangreiches Beweismaterial sichergestellt werden. Die Bundespolizeiinspektion führte seit 2017 ein umfangreichreiches Ermittlungsverfahren gegen fünf Hauptbeschuldigte durch. Die aus Aserbaidschan und Rumänien stammenden mutmaßlichen Täter stehen im Verdacht, überwiegend moldawische Staatsangehörige, die mit ge- und
verfälschen EU-Dokumenten ausgestattet wurden, die Einreise, den Aufenthalt und die illegale Arbeitsaufnahme als Fahrer eines Paketzustellers ermöglicht und organisiert zu haben. Nach Aussage der Behörde konnte gestern unter anderem in Krefeld umfangreiches Beweismaterial sichergestellt werden. Dabei handelte es sich unter anderem um diverse Geschäftsunterlagen, Mobiltelefone und Computer, gefälschte Ausweisdokumente, Bargeld in Höhe von rund 30.000 Euro sowie in Neumünster um eine schussbereite 7,6 Millimeter Handfeuerwaffe und eine Schreckschusswaffe ohne Prüfzeichen.
Vor wenigen Monaten im August hat das Landgericht Düsseldorf einen Mann aus Krefeld zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Zeugen hatten den Angeklagten identifizieren können. Dem 31 Jahre alten Vater war vorgeworfen worden, Teil einer Schleuserbande zu sein, die Landsleute aus Eritrea in Libyen gefangen gehalten und massiv bedroht hat. Die vier Fälle, die ihm nachgewiesen werden konnten, lagen in den Jahren 2013 bis 2015. Wegen einer guten Sozialprognose entschlossen sich die Richter zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen Beihilfe zur Einschleusung von Landsleuten sowie zu erpresserischem Menschenraub.