Rheinische Post Krefeld Kempen
Zwei Komponisten namens Mozart
Nur wenige im Publikum hatten von diesem Mozart gehört — einem brasilianischen Komponisten, mit vollem Namen Mozart Camargo Guarnieri, dessen Musik nach der des Salzburgers erklang.
KREFELD Mit allerfeinster Wiener Klassik begann das 4. Sinfoniekonzert im Seidenweberhaus. Die „Prager Sinfonie“, Nr.38 D-Dur KV 504, die Mozart im Januar 1787 in der böhmischen Metropole zur umjubelten Uraufführung brachte, hatte Generalmusikdirektor (GMD) Mihkel Kütson ausgesucht. Kompositionen aus dieser Zeit – wie beispielsweise auch die Sinfonien von Joseph Haydn – sieht der GMD nach eigener Aussage als willkommene Schulung der Klangkultur und der technischen Feinarbeit für seine Musikerinnen und Musiker an.
In diesem Sinne hatte Kütson offensichtlich geprobt, und so genoss das Publikum (das dankbar ist, wenn mal wieder Mozart oder Haydn im Programm erscheinen), eine erlesene Wiedergabe dieses von melodischer Schönheit geprägten, aber für die Interpreten durchaus mit tückischen Fallstricken versehenen Meisterwerks.
Die Streicher spielten delikat, durchsichtig und fein aufeinander abgestimmt – die Bläser wetteiferten in ihren anspruchsvollen Soli. Besonders schöne Klangeffekte setzten die hier eingesetzten Naturhörner und
Naturtrompeten. Über all dem lag die beschwingte Leichtigkeit dieses mit zahlreichen Figaro-Motiven gewürzten Klanggemäldes.
Nach der Pause erlebte das Auditorium dann einen heftigen Kontrast in Form des selten aufgeführten Violinkonzertes D-Dur op .35a von Ferruccio Busoni (1864-1924). Der Sohn eines italienischen Klarinettisten und einer deutschen Pianistin gilt als vielseitiger Künstler – als Virtuose, Komponist, Dirigent, Bearbeiter, Musiktheoretiker, Pädagoge und Förderer junger Talente. Busonis Kompositionen sind stilistisch kaum einzuordnen, sein Komponistenkollege Wolfgang Riehm sagte einmal: „Er ist eigentlich nicht festzulegen auf irgendeine Begrifflichkeit. Man kann sich bei ihm auf nichts verlassen, er entwischt einem ständig.“
So überrascht auch das 1896 für den niederländischen Geiger Henri Petri, einen Schüler Joseph Joachims, geschriebene Violinkonzert durch fast verwirrende stilistische Vielfalt. Das durchkomponierte Opus hält für den Solisten enorme Schwierigkeiten bereit und fasziniert im Mittelteil mit weit ausschwingenden lyrischen Linien.
Der aus Griechenland stammende Solist Simos Papanas wurde dank seiner stupenden, recht zupackenden Technik und außerordentlicher Einfühlsamkeit (in den getragenen Passagen) allen Anforderungen in hohem Maße gerecht. Kütson leitete aufmerksam, und so war auch das Zusammenwirken mit dem Orchester in dessen teils nicht unproblematischer
Begleitfunktion ohne Tadel. Die Zuhörer feierten den Geiger mit von Bravorufen begleitetem Beifall und verlangten vehement eine gerne gewährte Zugabe.
Zum Abschluss erklang die Suite „Vila Rica“aus der Feder des Brasilianers Camargo Guarnieri (19071993), dem sein Vater aus Verehrung für den großen Salzburger und Wiener Meister den Vornamen „Mozart“gegeben hatte. Der Schüler von Charles Koechlin und Nadja Boulanger in Paris arbeitete in seiner Heimat als Dirigent und Lehrer – später feierte er als Dirigent seiner Werke, die meist auf brasilianischer Folklore basieren, große Erfolge in den USA.
Die Suite ist eine zehnteilige Abfolge brasilianischer Melodien und Tänze, die Mozart Camargo Guarnieri aus
seiner Musik zu dem Film „Rebeliao em Vila Rica“zusammenstellte. Der Film handelt von einer Studentenrebellion in einer Kleinstadt im Jahre 1945. Die zehn Sätze sind sehr unterschiedlich in ihrer musikalischen Aussage, meist locker-leicht und gespickt mit anspruchsvollen, allesamt bestens gemeisterten Bläsersoli. Orchester und Dirigent gelang es, trotz der Vielzahl der Sätze abwechslungsreich zu musizieren.
Ausgedehnter Schlussapplaus dankte allen Akteuren – und sicher dachten auch dann noch viele Zuhörer an den großen Wolfgang Amadeus Mozart.
2. Konzert am Freitag, 23. Februar, 20 Uhr im Seidenweberhaus. Ab 19.15 Uhr Konzerteinführung im Foyer.