Rheinische Post Krefeld Kempen
Wie ein Wohnviertel klimaneutral wird
Die klimaneutrale Zukunft beginnt in Oppum: Die Wohnstätte saniert dort 102 Wohnungen an der Straße Am Dorfgraben – die Baustelle birgt Speziallösungen und Überraschungen bis hin zu den Wärmepumpen, die verbaut werden.
OPPUM Es gibt viele faszinierende Details auf dieser Großbaustelle. Eins davon ist die Größe der beiden Wärmepumpen, die eine Häuserzeile mit 18 Wohnungen versorgen sollen. Sie sind, wenn man an die Wärmepumpen denkt, die man mittlerweile immer mal wieder neben Einfamilienhäusern stehen, gar nicht so groß. Eine Überraschung. Die Größe der Geräte wächst nicht proportional mit der Größe der Objekte, die sie heizen sollen. Das ist eine gute Nachricht: Mietshäuser benötigen keine Pumpen in Kraftwerksgröße, sondern Einheiten, die sich vergleichsweise dezent unterbringen lassen.
Ortstermin an der Straße Am Dorfgraben in Oppum. Dort saniert die Wohnstätte gerade eine Wohnsiedlung mit 102 Wohnungen aus den 60-er Jahren, die mit ihrem zeittypisch bräunlichen, heute als potthässlich empfundenen Anstrich einen trüben Anblick bietet. Was heißt schon sanieren? Es ist mehr – denn es ist ohne Übertreibung eine echte Zukunftsbaustelle. Denn für eine Wärmewende hin zu Klimaneutralität müssen in Deutschland zahllose Gebäude auf CO2-Neutralität getrimmt werden. Eine gewaltige Aufgabe – bautechnisch und finanziell. Die Wohnstätte stellt sich bekanntlich dieser Aufgabe mit einer eindrucksvollen Kraftanstrengung. Sie plant, ihren gesamten Immobilienbestand bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen. Kosten nach einer groben Schätzung: rund 845 Millionen Euro oder 35 Millionen Euro pro Jahr.
Die Siedlung in Oppum ist wie eine Blaupause für diesen Plan. 2022 wurden in der Siedlung im Schnitt 62 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Wohnfläche ausgestoßen, „dieser Ausstoß wird sich durch die Maßnahmen auf annähernd null verringern“, erläutert Wohnstätte-Vorstand Bastian Imig. Die Klimasanierungen werden auch mehr Komfort für die Bewohner mit sich bringen und eine andere Zukunftsbaustelle gleich mitbeackern: So werden alle Bäder barrierefrei hergerichtet – keine Schwelle behindert in Zukunft mehr den Zugang zur Dusche.
Alle Gebäude werden mit einem 16 Zentimeter dicken Wärmedämmverbundsystem aus Mineralwolle gedämmt. Fenster und Türen werden ausgetauscht, Bestandsbalkone werden abgeschnitten und durch neue, vorgebaute Balkone ersetzt. Den Grund erläutert Wohnstätte-Architekt Marcel Füser: Bis in die 70-er Jahre hinein wurden die Bodenplatten aus Beton einfach nach außen durchgezogen und zur Anlage von Balkonen genutzt. „Dadurch entstanden Wärmebrücken, es konnte zu Feuchtigkeitsbildung im Innern kommen“, so Füser. Daher schneidet man heute solche Balkone ab und ersetzt sie durch angebaute Systeme. Angenehmer Nebeneffekt beim Projekt Am Dorfgraben: Die neuen Balkone werden größer sein als die alten.
Neben den Fassaden werden auch Kellerdecken und Dachgeschosse gedämmt. Zum Einbau der neuen Heiztechnik waren Speziallösungen gefragt: Die neuen Heizleitungen können nicht in den Gebäuden verlegt werden. So werden sie in auf die Außenmauer aufgesetzten Schächten nach oben auf den Dachboden und von dort aus in die Wohnungen geführt. Die neuen Außenschächte sind schmal, flach und unauffällig – das Gesamtbild wird nicht unangenehm beeinflusst.
Zu den Besonderheiten dieser Sanierung gehört die Gestaltung der Außenflächen zwischen den Häuserzeilen. Sie werden nicht nur neu gestaltet, sie werden ergänzt um Beete, die zugleich „Schwammflächen“zur Aufnahme von Regenwasser sind. „Die Siedlung wird eine Schwammstadt“, sagt Wohnstätte-Vorstand Imig; Ziel ist es, auch das Regenwasser der Dächer dorthinzuleiten und über die Versickerung wieder dem Grundwasser zuzuführen. Gartenästhetisch sieht man lediglich Beete, der raffiniert komponierte Untergrund bleibt unsichtbar. Zudem verbessert sich das Mikroklima zwischen den Häusern; die Bäume werden selbstredend erhalten. Wenn das Ganze fertig ist, sind diese Wohnungen Schmuckstücke,
hochwertiger Wohnraum mit schönen Grünflächen zwischen Häuserzeilen.
Die Gesamtkosten belaufen sich nach Wohnstätte-Angaben auf insgesamt 21,7 Mio Euro, die sich aus 5,4 Mio Euro Eigenkapital (Grundstück) und 15,1 Mio Euro Baukosten (macht 2.157 Euro pro Quadratmeter) sowie weiteren 1,2 Mio Euro Baunebenkosten zusammensetzen. Der Quadratmeterpreis lässt sich als Kostenschätzung nicht auf private Bauherren übertragen – dazu sind die Bedingungen zu verschieden.
14,1 Mio Euro (oder 64,91 Prozent) der Gesamtkosten werden über ein Darlehen der NRW-Bank finanziert, wobei 4,2 Mio Euro als Tilgungsnachlass gewährt werden. „Des Weiteren erhalten wir einen BAFA-Zuschuss vom Bund in Höhe von 2,2 Mio EUR (oder 10,36 Prozent der Gesamtkosten)“, erläutert Wohnstätte-Vorstand Imig. Die Zuschüsse haben zur Folge, dass die Wohnungen Sozialwohnungen werden – das Projekt zeigt auch, dass der mit diesem Begriff verbundene womögliche schlechte Klang aus früheren Zeiten nicht mehr die Realität spiegeln: Diese Wohnungen werden schöne Wohnungen in sehr attraktivem Umfeld zu einem günstigen Preis. Gut für Krefeld, gut für das Klima.