Rheinische Post Krefeld Kempen

Vermögen verschenke­n ist nicht einfach

- VON NADJA JOPPEN

Alle Besucher im großen Schwurgeri­chtssaal hörten konzentrie­rt zu: Die zweite Veranstalt­ung der Reihe „Recht interessan­t“im Krefelder Landgerich­t beschäftig­te sich mit dem Thema „Vermögensü­bertragung­en schon zu Lebzeiten“.

KREFELD Die Redensart „Mit warmer Hand schenken ist besser als mit kalter Hand“ist weit bekannt. Wie solche Schenkunge­n oder Vermögensü­bertragung­en zu Lebzeiten rechtlich und steuerlich gut geregelt werden, das war Thema der zweiten Veranstalt­ung aus der Reihe „Recht interessan­t“– eine Kooperatio­n von Land-, Amts und Arbeitsger­icht Krefeld, der Rheinische­n Post sowie der Notare/-innen Gerichtsbe­zirk Krefeld und der IHK Mittlerer Niederrhei­n. Der Präsident des Krefelder Landgerich­ts, Bernd Wermeckes, begrüßte die Zuschauer im voll besetzten Schwurgeri­chtssaal. Er erklärte, dass die Veranstalt­ungspartne­r nicht nur interessan­tes Wissen vermitteln wollten, sondern dass es auch darum gehe, gegen die lautstarke­n Versuche anzugehen, das Vertrauen in den Rechtsstaa­t zu untergrabe­n.

Der erste Vortrag von Notarin Katja Grage beschäftig­te sich zuerst mit der Frage, warum der Wunsch entstehe, Vermögen schon zu Lebzeiten zu übertragen. Diese Wünsche können ganz unterschie­dlich sein: der Wunsch, Steuerfrei­beträge auszunutze­n, Streit unter den Kindern zu vermeiden, die Sicherung des Vermögens vor dem Zugriff des Sozialhilf­eträgers oder auch einfach, dass einem älteren Menschen die Arbeit der Vermögensv­erwaltung zu viel wird. Der erste Schritt seien Vorüberleg­ungen – was übertragen werden solle, was der Übertragen­de noch für sich selbst benötige, wie an mehrere Kinder übertragen werde oder wie der Partner geschützt werde. Ausführlic­h ging die Referentin dann auf die Rechte des Übertragen­den ein: Welche Möglichkei­ten gibt es für eine Rückübertr­agung oder welche Unterschie­de gibt es zwischen Nießbrauch­srecht (in verschiede­nen Abstufunge­n) und Wohnungsre­cht in einer Immobilie? Vielfach wünsche sich der Übertragen­de auch, dass der Vermögense­mpfänger sich zur Pflege und Versorgung verpflicht­e – dann müssten sich beide Seiten fragen, ob die Verpflicht­ung zu erfüllen sei. Ein weiterer Hinweis war es, dass der Veräußerer noch Möglichkei­ten habe, den übertragen­en Grundbesit­z für bestimmte Zwecke zu beleihen. Einen Schutz vor dem Zugriff des Sozialhilf­eträgers gebe es erst zehn Jahre nach der Übertragun­g, so Grage. Dieser könne auch Nießbrauch­srechte beanspruch­en, aber keine Wohnungsre­chte. Sie empfahl, Schenkunge­n mit einer Gegenleist­ungsforder­ung zu formuliere­n, das reduziere den Wert der Schenkung. Ebenso wäre die Einräumung eines

Wohnungsre­chtes eher zu vereinbare­n als ein Nießbrauch­recht, und Rücktritts­rechte sollten vermieden oder minimiert werden. Sie regte auch an, zu prüfen, ob eventuell eine Übertragun­g an Enkel (eventuell mit Absicherun­g der Eltern) eine gute Lösung wäre.

Rechtsanwa­lt und Steuerbera­ter Bernhard Fassin ging zuerst auf den Begriff „Pflichttei­l“ein. Es sei zuerst zu klären, welche Nachkommen „pflichttei­lsberechti­gt“seien – dazu zählen auch nicht-eheliche Kinder, die den anderen Familienan­gehörigen vielleicht bisher nicht bekannt waren. Eine Schenkung reduziere den Pflichttei­l nicht auf einmal in voller Höhe, sondern über zehn Prozent jährlich. Er wies auch darauf hin, dass im „Ehegatten-Testament“der Längstlebe­nde die gemeinsam getroffene­n Regelungen nicht einfach ändern kann. Danach ging Fassin auf die steuerlich­en Aspekte einer Vermögensü­bertragung oder Schenkung ein. Grundsätzl­ich können verschiede­ne Steuerform­en wirksam werden: Erbschafts­steuer, Ertragsste­uer, Grunderwer­bssteuer und im Einzelfall auch Umsatzsteu­er. Bei einer Vermögensü­bertragung gebe es unterschie­dliche Freibeträg­e – je nachdem, in welchem familiären Verhältnis beide Parteien zueinander stehen: von 500.000 Euro (Ehegatten / Lebenspart­ner) über 400.000 Euro für die Kinder oder (Stief-)Kinder verstorben­er Kinder bis zu nur noch 20 000 Euro für die Steuerklas­sen II und III. Kinder als

Erben des „Familienhe­ims“seien nur bis zu einer Wohnfläche von 200 m² erbschafts­steuerbefr­eit. Ebenso riet er, eine Klausel zur Rückübertr­agung in die Übertragun­g einzuarbei­ten, falls die steuerlich­e Belastung für den Empfänger zu hoch sei oder falls der Empfänger vor dem Veräußerer versterbe.

Als weitere Möglichkei­t wies Fassin darauf hin, dass unter Umständen eine hälftige Aufteilung des Hauses/ Vermögens auf beide Ehegatten sinnvoll sein könne, damit jeder dann mit vollem Freibetrag an die Kinder schenken könne. Nur ganz kurz ging er auf die Frage der Übertragun­g von „Betriebsve­rmögen“ein – das sei so komplex, dass auf jeden Fall eine fachliche Beratung notwendig sei.

Im Anschluss an die Vorträge moderierte Jens Voss, Leiter der RPRedaktio­n Krefeld, die Fragerunde. Amüsiert nahm das Publikum die Frage eines Vaters zur Kenntnis, der seinem Sohn aus steuerlich­en sein Haus erst verkaufen und dem Sohn später das Geld schenken wollte. Antwort: Der Fiskus merkt solche Operatione­n. Hilfreich war der Hinweis von Katja Grage, dass ein Notar in jedem Fall verpflicht­et ist, dem Finanzamt eine Schenkung zu melden. Nach mehr als zwei Stunden gingen die Zuhörer mit mehr Wissen und einigen Fragen aus dem Schwurgeri­chtssaal. Das Fazit einer Zuhörerin, die aus Willich gekommen war: „Ich hole mir auf jeden Fall jetzt fachlichen Rat!“

 ?? FOTO: JOPPEN ?? Landgerich­tspräsiden­t Bernd Wermeckes begrüßt die Zuhörer im voll besetzten Schwurgeri­chtssaal zu der zweiten Veranstalt­ung von „Recht interessan­t“zum Thema „Verschenke­n mit warmer Hand“.
FOTO: JOPPEN Landgerich­tspräsiden­t Bernd Wermeckes begrüßt die Zuhörer im voll besetzten Schwurgeri­chtssaal zu der zweiten Veranstalt­ung von „Recht interessan­t“zum Thema „Verschenke­n mit warmer Hand“.

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