Rheinische Post Krefeld Kempen
Vermögen verschenken ist nicht einfach
Alle Besucher im großen Schwurgerichtssaal hörten konzentriert zu: Die zweite Veranstaltung der Reihe „Recht interessant“im Krefelder Landgericht beschäftigte sich mit dem Thema „Vermögensübertragungen schon zu Lebzeiten“.
KREFELD Die Redensart „Mit warmer Hand schenken ist besser als mit kalter Hand“ist weit bekannt. Wie solche Schenkungen oder Vermögensübertragungen zu Lebzeiten rechtlich und steuerlich gut geregelt werden, das war Thema der zweiten Veranstaltung aus der Reihe „Recht interessant“– eine Kooperation von Land-, Amts und Arbeitsgericht Krefeld, der Rheinischen Post sowie der Notare/-innen Gerichtsbezirk Krefeld und der IHK Mittlerer Niederrhein. Der Präsident des Krefelder Landgerichts, Bernd Wermeckes, begrüßte die Zuschauer im voll besetzten Schwurgerichtssaal. Er erklärte, dass die Veranstaltungspartner nicht nur interessantes Wissen vermitteln wollten, sondern dass es auch darum gehe, gegen die lautstarken Versuche anzugehen, das Vertrauen in den Rechtsstaat zu untergraben.
Der erste Vortrag von Notarin Katja Grage beschäftigte sich zuerst mit der Frage, warum der Wunsch entstehe, Vermögen schon zu Lebzeiten zu übertragen. Diese Wünsche können ganz unterschiedlich sein: der Wunsch, Steuerfreibeträge auszunutzen, Streit unter den Kindern zu vermeiden, die Sicherung des Vermögens vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers oder auch einfach, dass einem älteren Menschen die Arbeit der Vermögensverwaltung zu viel wird. Der erste Schritt seien Vorüberlegungen – was übertragen werden solle, was der Übertragende noch für sich selbst benötige, wie an mehrere Kinder übertragen werde oder wie der Partner geschützt werde. Ausführlich ging die Referentin dann auf die Rechte des Übertragenden ein: Welche Möglichkeiten gibt es für eine Rückübertragung oder welche Unterschiede gibt es zwischen Nießbrauchsrecht (in verschiedenen Abstufungen) und Wohnungsrecht in einer Immobilie? Vielfach wünsche sich der Übertragende auch, dass der Vermögensempfänger sich zur Pflege und Versorgung verpflichte – dann müssten sich beide Seiten fragen, ob die Verpflichtung zu erfüllen sei. Ein weiterer Hinweis war es, dass der Veräußerer noch Möglichkeiten habe, den übertragenen Grundbesitz für bestimmte Zwecke zu beleihen. Einen Schutz vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers gebe es erst zehn Jahre nach der Übertragung, so Grage. Dieser könne auch Nießbrauchsrechte beanspruchen, aber keine Wohnungsrechte. Sie empfahl, Schenkungen mit einer Gegenleistungsforderung zu formulieren, das reduziere den Wert der Schenkung. Ebenso wäre die Einräumung eines
Wohnungsrechtes eher zu vereinbaren als ein Nießbrauchrecht, und Rücktrittsrechte sollten vermieden oder minimiert werden. Sie regte auch an, zu prüfen, ob eventuell eine Übertragung an Enkel (eventuell mit Absicherung der Eltern) eine gute Lösung wäre.
Rechtsanwalt und Steuerberater Bernhard Fassin ging zuerst auf den Begriff „Pflichtteil“ein. Es sei zuerst zu klären, welche Nachkommen „pflichtteilsberechtigt“seien – dazu zählen auch nicht-eheliche Kinder, die den anderen Familienangehörigen vielleicht bisher nicht bekannt waren. Eine Schenkung reduziere den Pflichtteil nicht auf einmal in voller Höhe, sondern über zehn Prozent jährlich. Er wies auch darauf hin, dass im „Ehegatten-Testament“der Längstlebende die gemeinsam getroffenen Regelungen nicht einfach ändern kann. Danach ging Fassin auf die steuerlichen Aspekte einer Vermögensübertragung oder Schenkung ein. Grundsätzlich können verschiedene Steuerformen wirksam werden: Erbschaftssteuer, Ertragssteuer, Grunderwerbssteuer und im Einzelfall auch Umsatzsteuer. Bei einer Vermögensübertragung gebe es unterschiedliche Freibeträge – je nachdem, in welchem familiären Verhältnis beide Parteien zueinander stehen: von 500.000 Euro (Ehegatten / Lebenspartner) über 400.000 Euro für die Kinder oder (Stief-)Kinder verstorbener Kinder bis zu nur noch 20 000 Euro für die Steuerklassen II und III. Kinder als
Erben des „Familienheims“seien nur bis zu einer Wohnfläche von 200 m² erbschaftssteuerbefreit. Ebenso riet er, eine Klausel zur Rückübertragung in die Übertragung einzuarbeiten, falls die steuerliche Belastung für den Empfänger zu hoch sei oder falls der Empfänger vor dem Veräußerer versterbe.
Als weitere Möglichkeit wies Fassin darauf hin, dass unter Umständen eine hälftige Aufteilung des Hauses/ Vermögens auf beide Ehegatten sinnvoll sein könne, damit jeder dann mit vollem Freibetrag an die Kinder schenken könne. Nur ganz kurz ging er auf die Frage der Übertragung von „Betriebsvermögen“ein – das sei so komplex, dass auf jeden Fall eine fachliche Beratung notwendig sei.
Im Anschluss an die Vorträge moderierte Jens Voss, Leiter der RPRedaktion Krefeld, die Fragerunde. Amüsiert nahm das Publikum die Frage eines Vaters zur Kenntnis, der seinem Sohn aus steuerlichen sein Haus erst verkaufen und dem Sohn später das Geld schenken wollte. Antwort: Der Fiskus merkt solche Operationen. Hilfreich war der Hinweis von Katja Grage, dass ein Notar in jedem Fall verpflichtet ist, dem Finanzamt eine Schenkung zu melden. Nach mehr als zwei Stunden gingen die Zuhörer mit mehr Wissen und einigen Fragen aus dem Schwurgerichtssaal. Das Fazit einer Zuhörerin, die aus Willich gekommen war: „Ich hole mir auf jeden Fall jetzt fachlichen Rat!“