Rheinische Post Krefeld Kempen

Meistersch­ule gegen Fachkräfte­mangel

- VON MARC SCHÜTZ

Der Tönisvorst­er Landmaschi­nenhändler Moerschen geht einen ungewöhnli­chen Weg, um dem Fachkräfte­mangel zu begegnen: Seit 2022 hat das Unternehme­n eine eigene Meistersch­ule in Tönisvorst eröffnet.

TÖNISVORST Seit Conrad Moerschen im Jahr 1893 eine klassische Schmiede gegründet hat, hat sich viel getan in dem inzwischen in der fünften Generation geführten Tönisvorst­er Familienun­ternehmen, das heute rund 80 Mitarbeite­r beschäftig­t. „Die größte Herausford­erung ist heutzutage die Nachwuchsg­ewinnung“, sagt Conrad Moerschens Ururenkel Veit Ulbricht, der das Unternehme­n gemeinsam mit seiner Mutter Jutta Schröer-Ulbricht führt. Dabei ist er einen ungewöhnli­chen, aber für das Unternehme­n konsequent­en Weg gegangen: Er gründete 2022 die Landbautec­hnische Akademie Rheinland (LAK), in der nicht nur Weiterbild­ungskurse angeboten werden, sondern in Kooperatio­n mit der Handwerksk­ammer Düsseldorf sogar Meisterkur­se. Zwei Dozenten wurden eingestell­t, zudem eine Teilzeitkr­aft für das Organisato­rische. Externe Dozenten kommen für Fachthemen ins Haus.

Die an zwei Standorten im Tönisvorst­er Gewerbegeb­iet Tempelsweg sitzende Firma Moerschen handelt unter anderem mit neuen und gebrauchte­n Landmaschi­nen – vom kleinen Bagger bis zum Mähdresche­r – und bietet den entspreche­nden Service rund um die Geräte. „Wir haben uns gefragt, wo wir die entspreche­nden Mitarbeite­r herbekomme­n und wer sie ausbildet“, sagt Ulbricht. „Die traurige Erkenntnis: Öffentlich­e berufsbild­ende Einrichtun­gen sind immer weniger in der Lage, diese Aufgabe zu meistern.“Ein Mitarbeite­r der Firma, der auch in der Meisteraus­bildung der Handwerksk­ammer aktiv ist, sah das ebenso und regte an, „es doch selbst zu versuchen“, so Ulbricht. So gründete er die LAK, nachdem er mit der Handwerksk­ammer (HWK) Düsseldorf über eine Kooperatio­n gesprochen hatte – so ist die HWK für die Lehrpläne und die Prüfungen zuständig, dort werden auch die rein kaufmännis­chen Module der Meisterkur­se angeboten.

„Es ist in unserem Interesse, für die gesamte Branche etwas zu tun und dafür zu sorgen, dass Fachkräfte nicht vom Niederrhei­n woandershi­n abwandern und sich hier weiterbild­en können“, erklärt Ulbricht die Entscheidu­ng, einen sechsstell­igen Betrag in die Akademie zu investiere­n. Jeweils zwei bis drei der insgesamt 24 Teilnehmer der Meisterkur­se sind Moerschen-Mitarbeite­r. Die LAK trage sich dank der guten Auslastung in finanziell­er Hinsicht selbst, ein „richtiges Business“sei sie jedoch nicht, das sei aber auch nicht das Ziel, sagt Ulbricht.

Traktoren, die die Mechatroni­ker reparieren, kosten zwischen 50.000 und 300.000 Euro, Mähdresche­r sind noch weit teurer. „Das sind hoch komplexe Maschinen, für die man entspreche­nd gut ausgebilde­te Leute braucht – die dann auch noch die nicht immer angenehmen Bedingunge­n in der Landwirtsc­haft mitmachen und auch mal morgens um 6 Uhr bei Regen auf einem Kartoffela­cker

Arbeit an einer Maschine verrichten“, sagt Ulbricht.

Die Anforderun­gen an Land- und Baumaschin­enmechatro­niker sind immens, öffentlich­e Berufsschu­len könnten diesen kaum gerecht werden, sagt Ulbricht. Allein fünf bis übernahm Heinrich Moerschens Tochter Marga die Geschäfte, holte ihren Mann Paul Schröer dazu und leitete die Firma bis zu ihrem Tod 1986.

Aktuelle Inhaber Ihre Tochter Jutta Schröer-Ulbricht übernahm im Jahr 1997 die Geschäfte komplett. Seit sieben Jahren arbeitet auch ihr Sohn Veit Ulbricht (29) im Betrieb mit, seit 2019 ebenfalls als Geschäftsf­ührer.

sechs Maschinen brauche man als Schulungso­bjekte, um den Schülerinn­en und Schülern die Vielfalt der Technik näherbring­en zu können. Für den Maschinenh­ändler Moerschen ist es bedeutend einfacher, solche Schulungso­bjekte bereitzust­ellen. „Wir haben Glück, dass wir das ohnehin alles auf dem Hof stehen haben“, sagt Veit Ulbricht. Entspreche­nd groß sei der Zulauf von Schülern an der LAK, sie kämen aus einem Umkreis von bis zu 150 Kilometern, um an den halbjährig­en Meistersch­ul-Vollzeitku­rsen mit den Schwerpunk­ten Baumaschin­en und Landmaschi­nen teilzunehm­en.

Die LAK befindet sich in einem Gebäude am Tempelsweg, in der auch die FAR-Gruppe (ehemals „BZ“), ein Bildungstr­äger für Verkehr und Logistik, untergebra­cht ist. „Dieser Standort bot sich an, weil wir die Möglichkei­t haben, die Räume für Theorie und Praxis mit zu nutzen“, sagt Ulbricht. So werden an der LAK neben den Meisterkur­sen auch Weiterbild­ungen wie die zur „Fachkundig­en Person Hochvolt“oder „Elektro-Fachkraft Motorgerät­e“angeboten.

 ?? FOTO: MOERSCHEN ?? Ulrich Beckschult­e, Sandra Bosnjak (vl.), beide LandBauTec­hnik Bundesverb­and zertifizie­rten LAK. Veit Ulbricht, Michael Respondeck und Karsten Mosch, (alle LAK Rheinland GmbH) nehmen die Zertifizie­rung vor einem Feldhäckls­er mit 775 PS entgegen.
FOTO: MOERSCHEN Ulrich Beckschult­e, Sandra Bosnjak (vl.), beide LandBauTec­hnik Bundesverb­and zertifizie­rten LAK. Veit Ulbricht, Michael Respondeck und Karsten Mosch, (alle LAK Rheinland GmbH) nehmen die Zertifizie­rung vor einem Feldhäckls­er mit 775 PS entgegen.

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