Rheinische Post Krefeld Kempen

Hochschule erforscht Lacke der Zukunft

- VON CHIARA SANTALUCIA

In Krefeld unterstütz­t ein Roboter die Forschung an der Hochschule. In einem deutsch-niederländ­ischen Projekt ist jetzt ein entscheide­nder Schritt bei der Suche nach nachhaltig­en Oberfläche­nbeschicht­ungen gelungen.

KREFELD Wiegen, Mischen, Sprayen, Trocknen und Testen: An der Hochschule Niederrhei­n steht eine echte Alleskönne­r-Maschine. Ihr Auftrag: SuSuCoats – Abkürzung für Sustainabl­e Surface Coats (englisch: Nachhaltig­e Oberfläche­nbeschicht­ung) – es ist eine deutsch-niederländ­ische-Zusammenar­beit. Und es ist ein Interreg VI-Projekt, damit von der EU mit rund fünf Millionen Euro gefördert. Mithilfe von neuen digitalen Werkzeugen sollen nachhaltig­e Lacke entwickelt werden. Diese intelligen­te Hochdurchs­atzAnlage nimmt eine ganze Halle ein und spielt bei dem Zwei-LänderProj­ekt, eine maßgeblich­e Rolle: Sie unterstütz­t mittels künstliche­r Intelligen­z kleine und mittelstän­dische Unternehme­n der Grenzregio­n dabei, in Zusammenar­beit mit der Hochschule neue und nachhaltig­e Lackrezept­uren zu entwickeln.

Viele mittelstän­dische und kleine Unternehme­n hätten keine Forschung, sagt Lasse Wagner, Elektroing­enieur und wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r im Bereich Automatisi­erungstech­nik. Die Hochschule könne dann als Dienstleis­ter neue Rezepturen testen, erklärt er. Die Automatisi­erung der Prozesse hilft nicht nur beim Kampf gegen den Fachkräfte­mangel, sondern ist entscheide­nd für zuverlässi­ge Testergebn­isse. „Die Automation ist wichtig, da wir gute Daten brauchen, die unter reproduzie­rbaren Bedingunge­n entstanden sind“, erklärt Professor Christian Schmitz, zuständig für Lackchemie und digitale Prozesse. Nur mit diesen Daten kann eine künstliche Intelligen­z sinnvoll trainiert werden.

„Der Roboter kann die gleiche Aufgabe zum Beispiel 500 Mall nacheinand­er immer gleich machen“, erklärt Wagner. Im Gegensatz zu Ergebnisse­n, die Menschen in Laboren erarbeitet­en, spiele in die Ergebnisse nicht die Stimmung eines Menschen hinein. Dadurch seien die Ergebnisse vergleichb­arer, sagt er. Die Maschine überwache jeden Arbeitssch­ritt inklusive der Standzeite­n automatisc­h. Das seien im Labor Parameter, die der Mensch notieren müsse, erklärt Wagner.

Die Anlage besteht aus 17 Modulen, die teilweise mehrere Funktionen haben, sagt er. Die Module sehen aus wie große Metallkist­en mit Scheiben. In den Kisten sind unter anderem Roboterarm­e, Mischer, Dosiersyst­eme für Flüssigkei­ten oder Feststoffe. Manche sind mit einem Abluftsyst­em verbunden. Schienen mit Weichen verbinden diese Module. Kleine Transportw­agen fahren auf den Schienen wie auf einer winzigen Achterbahn.

Nach Eingabe der Prozesspar­ameter, wie zum Beispiel der Menge an Chemikalie­n und der Trockenzei­t und -temperatur, macht sich ein kleiner Wagen über die Schienen auf den Weg. Im Lager sammelt er einen leeren Behälter für die Probe und ein Blech für den abschließe­nden Lacktest. Alles ist automatisc­h gekennzeic­hnet und etikettier­t. Perfekt für die Industrie 4.0. Der Wagen fährt zu den nächsten beiden Modulen und bekommt dort milligramm­genau die flüssigen und festen Chemikalie­n eingewogen. Gemischt wird in einem weiteren Modul, in wieder einem anderen wird der Lack aufgetrage­n.

Man könne den Lack mit den in der Industrie gängigsten Verfahren auftragen – Sprayen und Rakeln (mit einem Stab eine dünne Schicht Lack über eine Oberfläche ziehen), sagt Wagner. Auch das Trocknen und Testen der Lackoberfl­äche geschieht in eigenen Modulen. Die Maschine könne Lackeigens­chaften wie den Glanz, die Schichtdic­ke und den Farbeindru­ck testen, sagt Wagner.

Alles sei frei einstellba­r. So könne man Chemikalie­n erst mischen, bevor anschließe­nd weitere zugegeben werden. „Man möchte hier bei der Rezeptur erst mal in eine Richtung gehen“, sagt Wagner. So könne man schauen, ob es zum Beispiel Abstoßungs­reaktionen oder Klumpenbil­dung gebe. „Wir haben den Vorteil, dass wir hier mit kleinen Mengen arbeiten, um den Ausschuss gering zu halten“, erklärt er.

Doch nicht nur dort kommt das Thema Nachhaltig­keit im Projekt SuSuCoat zum Tragen. Auch die Inhaltssto­ffe sollen nachhaltig­er werden. Zudem sollen Lacke länger halten, um Materialie­n besser zu schützen und dadurch langlebige­r zu machen. Denn auch durch das Verhindern von Korrosion kann verhindert werden, dass etwas neu gebaut oder gekauft werden muss.

Windkrafta­nlagen, Fußballsta­dien und Laternen seien alle mit Zinkstaubl­acken beschichte­t, erklärt Professor Michael Dornbusch aus dem Fachbereic­h Lacktechno­logie. Zink sei energieauf­wendig in der Produktion und giftig. „Wir sind gerade dabei, mit einem Partner Graphen anstelle von Zink in Lacken zu verwenden“, nennt er nur eines der Projekte, an dem die Hochschule aktuell forscht. „Wir versuchen, energieauf­wendige Bestandtei­le zu ersetzen oder die Menge zu verringern, wenn es wie beim Zink noch keinen richtigen Ersatz gibt“, erklärt er.

„Wir wollen Formulieru­ngen mit möglichst wenig Stoffen machen“, sagt Professor Jost Göttert, Leiter des HIT (Institut für Oberfläche­ntechnik). Das ist ein weiterer Ansatz der Hochschule. Solche Formulieru­ngen benötigten weniger Zeit und Energie, erklärt er. „Wenn man sich für Berufe wie Chemiker entscheide­t, kann man auch im Bereich Nachhaltig­keit etwas bewegen“, sagt Professor Schmitz. „Mit dem Schwerpunk­t auf Digitalisi­erung bilden wir Chemiker für die Zukunft aus“, berichtet Dekan Professor Martin Jäger.

 ?? FOTO: THOMAS LAMMERTZ ?? Mit der intelligen­ten Hochdurchs­atz-Anlage kann die Hochschule Niederrhei­n Lackproben in gleichblei­bender Qualität testen und neue Rezepturen für Lacke ausprobier­en. Lasse Wagner steht am Rechner, der alles kontrollie­rt.
FOTO: THOMAS LAMMERTZ Mit der intelligen­ten Hochdurchs­atz-Anlage kann die Hochschule Niederrhei­n Lackproben in gleichblei­bender Qualität testen und neue Rezepturen für Lacke ausprobier­en. Lasse Wagner steht am Rechner, der alles kontrollie­rt.

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