Rheinische Post Krefeld Kempen
Wasser aus der Tiefe bringt Wärme
2022 und 2023 führte der Geologische Dienst NRW seismologische Untersuchungen am Niederrhein durch. Auch im Kreis Viersen waren die imposanten Vibro-Trucks unterwegs. Die Ergebnisse werden jetzt ausgewertet.
KREIS VIERSEN In Nordrhein-Westfalen soll die Nutzung von Erdwärme künftig eine größere Rolle spielen als bislang. Das machte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) kürzlich klar, als sie den „Masterplan Geothermie NRW“vorstellte. „Unter unseren Füßen liegt ein wahrer Schatz: eine unerschöpfliche und klimaneutrale Energiequelle, von der wir heute noch viel zu wenig Gebrauch machen“, schreibt Neubaur darin. Ziel sei es, die in der Tiefe vorhandene Wärme in großem Stil zu nutzen und mit der Geothermie perspektivisch bis zu 20 Prozent des Wärmebedarfs in NRW zu decken: „Nur wenn wir dieses Energiepotenzial breit in den Einsatz bringen, wird es uns gelingen, unsere Wärmeversorgung bis 2045 komplett klimaneutral zu gestalten.“
Doch ganz einfach ist das nicht: Bislang verhindere vor allem das wirtschaftliche Risiko einer erfolglosen Bohrung, dass Unternehmen, Kommunen und Stadtwerke investierten, so Neubaur. Deshalb untersuchen Fachleute des Geologischen Dienstes NRW mit Sitz in Krefeld nun schon seit einer Weile den Untergrund und führen Erkundungsbohrungen durch, damit niemand eine teure Bohrung anstrengt, die dann möglicherweise erfolglos bleibt.
2022 und 2023 führte der Geologische Dienst NRW dazu in der Region seismische Messungen durch. Viele Bürger im Kreis Viersen werden sich noch an die imposanten VibroTrucks erinnern, die langsam durchs Kreisgebiet zogen und an etlichen Messstellen die Reflexionen der in die Tiefe geschickten Schallwellen empfingen. Im Herbst 2022 starteten die Messungen unter dem Titel „Seismik Rheinland“in Schwalmtal im Westen des Kreises Viersen, von dort arbeiteten sich die 21 Tonnen schweren Messfahrzeuge auf drei Messlinien über Viersen, Tönisvorst, Krefeld und Düsseldorf nach Duisburg vor. Ende 2023 starteten die Experten eine weitere Messkampagne unter dem Titel „Seismik
Niederrhein“. Eine Messlinie führte dabei von Goch über Geldern, Straelen und Wachtendonk in den Kreis Viersen.
Noch befinden sich die Messungen vom vergangenen Herbst in der Auswertung, berichtet Projektleiter Ingo Schäfer vom Geologischen Dienst NRW. Bis zur Sommerpause, das heißt bis Ende Juni, werde man erste belastbare Ergebnisse vorstellen können. Dann werden die Fachleute auch sagen können, in welcher Tiefe das begehrte heiße Wasser zu finden ist, mit dem ein Teil der Wärmeversorgung klimafreundlich gedeckt werden könnte. Das werden Unternehmen, Kommunen und
Stadtwerke wissen wollen, wenn sie sich mit einer möglichen Nutzung der Erdwärme auseinandersetzen.
Für den Herbst ist außerdem eine Probebohrung auf Krefelder Gebiet geplant, dabei geht es 600 oder 700 Meter in die Tiefe. Etwa vier Monate wird das dauern, mit der Einrichtung des Bohrplatzes und der Herstellung eines Schallschutzes sei solch eine Probebohrung schon sehr aufwendig, so Schäfer. Dabei geht es nicht allein um Krefeld: Die Probebohrung werde für das gesamte Umland, für den Kreis Viersen wie für Mönchengladbach, Moers oder Duisburg gleichermaßen wertvoll sein.
Für die Förderung der Erdwärme interessant sind die wasserführenden Schichten im Untergrund. Im Kohlenkalk und Massenkalk könne Wasser eingeschlossen sein wie in einem Schwamm, erklärt Schäfer: „Hier war früher ein Meer, Krefeld lag am Äquator.“An dieses Wasser im Boden will man heran, sich mit der Probebohrung den Kohlenkalk dort einmal genauer anschauen, seine Beschaffenheit untersuchen. Es gehe nicht um Fracking, betont Schäfer: „Wir suchen die normalen Wasserreservoire.“Für die Geothermie werde das Wasser, das warm (oder heiß, je nach Tiefe) aus der Erde komme, nach oben befördert, wo man seine Wärme nutze und es dann wieder zurückschicke an eben jene Stelle, von der man es entnommen habe.
Wie tief man bohren muss, hängt zum einen davon ab, wo die Schichten aus Kohlenkalk und Massenkalk liegen. Das ist in der Region durchaus unterschiedlich. Es hängt aber auch davon ab, wie heiß das Wasser sein muss, das man braucht. Reicht 50 Grad heißes Wasser, oder muss es heißer sein? Je tiefer man bohrt, desto wärmer ist das Wasser: In Mitteleuropa nimmt die Temperatur um etwa drei Grad pro 100 Meter Tiefe zu, pro 1000 Meter Tiefe ist man circa 30 Grad weiter.
Genutzt werden kann Erdwärme etwa von der Industrie, kommunalen Fernwärmenetzen oder für das Beheizen von Wohnhäusern und ganzen Quartieren. Die Landesregierung sieht in der Geothermie einen Beitrag für stabile Energiepreise, Klimaschutz und Versorgungssicherheit. Für Kommunen, die schon jetzt über ein Fernwärmenetz verfügten, wie etwa Kempen, sei die Geothermie eine große Chance, so Schäfer. Wie man die Geothermie vor Ort konkret nutzen wolle, müssten Kommunen und Stadtwerke im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung ermitteln. Immerhin: „Wir wollen Sicherheit da reinbringen, Mut machen, dass sich die Region des Themas annimmt“, sagt Schäfer. Deshalb habe die geplante Probebohrung im Herbst auch solch eine große Strahlkraft auf die gesamte Region.