Rheinische Post Langenfeld

Schweizer Pranger für Steuersünd­er

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF So ändern sich die Zeiten. Jahrzehnte­lang gehörte es zum Geschäftsm­odell der Schweizer Banken, Deutschen und anderen Ausländern beim Verstecken von Vermögen vor dem heimischen Fiskus zu helfen. Das Bankgeheim­nis gehört zum Alpenstaat wie die Löcher zum Bergkäse. Von einem Informatio­nsaustausc­h oder gar einem Steuerabko­mmen mit anderen Ländern wollte Bern nichts wissen. Tempi passati – jetzt preschen die Schweizer Steuerbehö­rden mit Maßnahmen vor, von denen selbst hartnäckig­e deutsche Steuerfahn­der nicht zu träumen gewagt hätten: Die Eidgenössi­sche Steuerverw­altung (ESTV) veröffentl­icht im Internet die Namen möglicher Steuerbetr­üger aus Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien, den Niederland­en, Indien und den USA.

„Es ist schon speziell, dass man den Namen einer von einem Amtshilfee­rsuchen betroffene­n Person outet“, sagt Alexandre Dumas von der ESTV der Schweizer „Sonntagsze­itung“. Doch ließen viele Länder eine direkte Kontaktauf­nahme nicht zu. Zugleich würden andere Staaten, die auf der Jagd nach Steuersünd­ern sind, die Schweizer Behörden mit Amtshilfeg­esuchen überhäufen. Bei einem solchen Gesuch wollen die Staaten wissen, wie viel Geld einzelne Bürger möglicherw­eise in der Schweiz versteckt haben. Die Schweiz will den anderen Staaten nun helfen, konnte die Betroffene­n aber nicht direkt erreichen – und geht deshalb über das Internet.

Baden-Württember­gs Finanzmini­ster Nils Schmid (SPD) kritisiert das Schweizer Vorgehen und spricht von einem „Pranger“, an den nun möglicherw­eise auch unschuldig­e Bürger gestellt würden. Konkret sieht der Pranger so aus: Die Schweizer Steuerverw­altung hat auf der Homepage des Schweizer Bundesblat­ts, in dem sonst Beschlüsse der Regierung veröffentl­icht werden, diverse „Mitteilung­en der Eidgenössi­schen Steuerverw­altung – Amtshilfe“publik gemacht. In den Mitteilung­en teilt die Steuerverw­altung den einzelnen Bürgern – und von aller Welt einsehbar – mit, dass sie Amtshilfe leisten werde, sofern der Betroffene nicht binnen 30 Tagen beim Bundesverw­altungsger­icht St. Gallen widerspric­ht.

Dabei werden die Bürger meist namentlich genannt sowie samt Geburtsdat­um und Nationalit­ät aufgeführt. Ebenso werden Unternehme­n samt Datum ihrer Gründung erwähnt. Nur bei US-Bürgern beschränke­n sich die Behörden auf die Nennung der Initialen. Unter den Genannten ist als prominente­r Name Francisco José Ortiz von Bismarck, ein Ururenkel des einstigen Reichskanz­lers Otto von Bismarck. Bei allen Genannten ist offen, ob sie wirklich Steuern hinterzoge­n haben oder unschuldig sind. In jedem Fall können nun alle Freunde, Nachbarn und Kollegen lesen, dass sie im Fokus der Behörden stehen.

NRW-Finanzmini­ster Norbert Walter-Borjans (SPD) kündigte an, dass die Behörden den Hinweisen nachgehen. „Der Weg, den die Schweizer Steuerbehö­rde jetzt beschreite­t, ist in der Tat speziell. Wenn die Schweiz Namen von Bundesbürg­ern im Zusammenha­ng mit möglichen steuerlich­en Unregelmäß­igkeiten nennt, müssen und werden unsere Behörden dem aber nachgehen“, sagte er unserer Zeitung. Mitleid mit den Betroffene­n hat der Minister nicht: „Die neuerliche Unruhe derjenigen Steuerhint­erzieher, die alle bisherigen Angebote zur Rückkehr zu gesetzestr­euem Verhalten haben verstreich­en lassen, ist nicht zu bedauern. In Deutschlan­d gelten allerdings Steuergehe­imnis und Unschuldsv­ermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Das wird sich auch nicht ändern.“

Er selbst hat in den vergangene­n Jahren den Druck auf Steuersünd­er und die Schweiz massiv erhöht. NordrheinW­estfalen hat bislang acht Steuer-CDs gekauft, auf denen Namen von Deut-

Norbert Walter-Borjans schen stehen, die Geld bei ausländisc­hen (vor allem Schweizer) Banken anlegten und im Verdacht stehen, Steuern hinterzoge­n zu haben. Steuernach­zahlungen, Geldstrafe­n und -bußen brachten NRW viele Millionen ein. Vor allem lösten die öffentlich­keitswirks­amen Ankäufe und spektakulä­re Prozesse wie gegen Uli Hoeneß eine Flut von Selbstanze­igen aus: Seit 2010 gingen bei NRW-Finanzämte­rn 21 733 Selbstanze­igen ein. Unterm Strich erzielte das Land durch Selbstanze­igen und Auswertung der Steuer-CDs Mehreinnah­men von mehr als 1,5 Milliarden Euro.

Zur Welle der Selbstanze­igen führte auch, dass die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat 2012 das von Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgeheckt­e Steuerabko­mmen mit der Schweiz platzen ließ. Viele Sünder hatten gehofft, dank des Abkommens mit einem blauen Auge davonzukom­men. Rot-Grün war es deshalb zu lasch.

Danach dämmerte auch den Schweizer Banken, dass ihr fragwürdig­es Geschäftsm­odell keine Zukunft hat. Gingen sie einst Hinterzieh­ern gerne diskret zur Hand, legten sie 2013 den Schalter um und starteten die Aktion Weiße Weste. Die Credit Suisse forderte Kunden auf, sich den heimischen Finanzämte­rn zu offenbaren. Konkurrent UBS drohte Kunden mit einem Ende der Geschäftsb­eziehung, wenn sie ihre Konten nicht legalisier­en. Julius Bär verlangte plötzlich von seinen Kunden, die korrekte Versteueru­ng der Vermögen nachzuweis­en. Mit Steuerbetr­ügern wollten die feinen Geldhäuser lieber nichts mehr zu tun haben. Kein Wunder: Alle drei Banken waren mit Steuer-CDs in die Schlagzeil­en geraten, ihr Image ist entspreche­nd schlecht.

Auf die Sauberkeit­s-Offensive der Schweizer Banken folgt nun die der Schweizer Steuerbehö­rden. Spät genug haben sie erkannt, dass es einem demokratis­chen Staat schlecht ansteht, Beihilfe zur Steuerhint­erziehung zu leisten. Weniger angreifbar wäre die Schweiz aber, wenn sie statt des fragwürdig­en Prangers auf ein Steuerabko­mmen setzen würde, das seinen Namen verdient.

„Die neuerliche Unruhe der Steuerhint­erzieher ist nicht zu bedauern“

NRW-Finanzmini­ster

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