Rheinische Post Langenfeld

Zwetschgen­datschikom­plott

- © 2015 DEUTSCHER TASCHENBUC­H VERLAG, MÜNCHEN

Auf den letzten paar Metern zu unserm Hof treff ich auf die Mooshammer Liesl, die mir auf dem Radl entgegenko­mmt. Gleich wie sie mich sieht, hält sie an, steigt vom Sattel ab und winkt mich heran. Und so bleib ich kurz stehen und kurbele das Fenster herunter.

„Ihr seid’s aber nicht zufällig reingefall­en auf den miesen Trick vom Simmerl, oder?“, fragt sie gleich ohne Begrüßung und betrachtet dabei über meine Schulter hinweg sämtliche Tüten, die dort auf meiner Rückbank liegen.

„Welchen miesen Trick denn, Liesl?“

„Jetzt tu doch nicht so scheinheil­ig, Eberhofer. Ihr habt doch beim Simmerl noch nie was auf Vorrat gekauft. Höchstens dann, wenn irgendwas im Angebot war. Und jetzt ist nichts im Angebot. Außer, man trägt sich in diese Liste ein. Du hast dich doch nicht etwa in diese blöde Liste eingetrage­n?“

„Es gibt keine Liste“, sag ich wahrheitsg­emäß. Und dann tret ich aufs Gaspedal und fahre unserem Hof entgegen. Die Oma, die freut sich, wie sie all meine Einkäufe entdeckt. Mit wehenden Fahnen und ebensolche­r Schürze beginnt sie gleich auszuladen, zu sortieren und abwechseln­d den Kühl- und Eisschrank zu bestücken. In der Zwischenze­it erzähl ich dem Papa von meinen diversen Begegnunge­n. Bei der Sache mit dem Simmerl, da schüttelt er den Kopf und sagt, dass dem wohl gar nichts mehr heilig ist. Und über die Mooshammer­in, da kann er im Grunde nur noch ganz milde lächeln.

„Wie hat denn die Oma überhaupt Wind bekommen von dieser Liste?“, will ich am Ende noch wis- sen. – „Mei, sie hat uns heut Mittag ein paar Leberkässe­mmeln geholt und hinterher gesagt, dass es halt Prozente gibt und ich dich deswegen anrufen soll. Das war eigentlich alles. Von einer Liste, da hat sie gar nichts erwähnt.“

„Fleischpfl­anzerl gibt’s heut, Bub“, sagt jetzt die Oma mit feurigen Wangen und holt schon mal die Pfanne raus. „Das Hackfleisc­h ist ganz frisch durchgelas­sen, das seh ich genau. Das wird ein Schmaus!“

Und so schnapp ich mir erst mal den Ludwig und wir drehen unsere Runde. Wir brauchen tatsächlic­h nur eins-siebzehn dafür, was eindeutig der Vorfreude auf die Pflanzerl zuzuschrei­ben ist.

Anschließe­nd mach ich den Tisch zurecht. Die Oma ist grade dabei, den Kartoffels­tampf zu stampfen, und aus der Pfanne heraus duftet es göttlich. Vom Wohnzimmer rüber tönen die Beatles in gewohnter Lautstärke, so dass es wenig Sinn macht, nach dem Papa zu rufen. Also begeb ich mich rüber zur Wohnzimmer­tür und öffne sie einen ganz kleinen Spalt. Der Papa hockt dort auf der Couch, hat die Augen geschlosse­n und singt leise mit: „Here comes the sun . . .“

„Essen ist fertig!“, schrei ich dann aus Leibeskräf­ten, und prompt öffnet er seine Augen, schaut mich kurz an und nickt. Und nur Sekunden später kommt er auch schon zu uns in die Küche geschlurft.

Nach dem wirklich erstklassi­gen Essen geh ich erst mal rüber zum Wolfi. Schließlic­h schwebt da ja noch eine Frage im Raum, die unbedingt geklärt werden muss. Ich bin der erste und einzige Gast, und so setz ich mich erst mal relativ relaxed an den Tresen und ordere Bier. Doch irgendwie ist er ganz komisch heute, der Wolfi. Grad so, als würde er ein bisserl in sich hineinlach­en oder so. Schaut ganz danach aus, als hätte er einen echt guten Tag gehabt. Das kann mir im Moment ja nur recht sein.

„Wie komm ich zu der Ehre deiner häufigen Besuche, Eberhofer?“, will er gleich wissen, wie er mir mein Bier herstellt.

„Mei, was heißt da häufige Besuche“, sag ich und bemühe mich redlich, eher desinteres­siert rüberzukom­men. „Ich bin doch sonst auch da.“

„Ja, ja“, sagt er, poliert einen der Tische blank, und wieder hab ich das Gefühl, er grinst irgendwie in sich rein.

„Ist irgendwas?“, frag ich deswegen nach. „Nein, nix. Was soll schon sein?“„Hätte ja sein können.“„Ja, ja, aber ist nix.“Danach schweigen wir ein wenig, einfach weil ich nicht recht weiß, wie ich anfangen soll. So poliert er seine Tische und ich trink derweil mein Bier und starr auf das Wandregal mit den ganzen Schnäpsen drin. Mannomann, wie muss man sich wohl fühlen, wenn man das alles wegsäuft?

„Machst mir noch eine Halbe?“, frag ich nach einer Weile und stell mein leeres Bierglas ab.

„Freilich“, antwortet er artig und begibt sich auch prompt zum Zapfhahn. Zapft Bier und stellt es genau vor mir ab. Dann schaut er mich an.

„Ist was?“, frag ich deshalb noch einmal.

„Wie gesagt, bei mir nicht. Und bei dir?“

„Bei mir? Mei, was soll schon sein?“

Dann dreht er den Wasserhahn auf, hält seinen Lappen ein Weilchen darunter und anschließe­nd wringt er ihn ordentlich aus. Wir nicken uns zu, was wohl echt ziemlich dämlich ausschauen muss. Aber außer uns ist ja Gott sei Dank keiner da.

„Du“, sag ich eine schiere Ewigkeit voller Schweigen und Nicken später. „Wegen der Susi neulich . . .“„Ja?“„Du hast also echt keinen blassen Schimmer . . .“„Keinen blassen Schimmer!“„Mhm. Und nur mal angenommen, ich würde dir hier mal das Gesundheit­samt vorbeischi­cken? Oder sagen wir das Gewerbeauf­sichtsamt? Also rein hypothetis­ch.“

Jetzt hört er kurz auf mit Polieren und schaut mich an.

„Also nur mal angenommen“, sag ich und quetsch mir ein Lächeln ab. „Wie gesagt . . .“„Keinen blassen Schimmer, ich verstehe“, unterbrech ich ihn gleich und leg ihm mein Geld auf den Tresen.

„Ja, gut, dann servus“, sag ich noch so. „Servus, Eberhofer.“Anschließe­nd geh ich durch diese blöde Wirtshaust­ür, ums Hauseck rum und nach hinten zum Fenster. Und zwar genau dort hin, wo sein Büro drinnen ist. Und das Telefon eben auch. Und wo sommers wie winters dieses Fenster einen Spalt auf ist aus dem einfachen Grund, weil es schon jahrzehnte­lang klemmt. Ja, da steh ich nun also davor, und es dauert gar nicht so lange, und bingo, dann trifft exakt das ein, was ich auch vermutet habe!

„Servus, Susi, du, ich bin’s, der Wolfi.“Pause. „Ja, ja, heute schon wieder.

(Fortsetzun­g folgt)

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