Rheinische Post Langenfeld

Merkel-Müdigkeit macht sich breit

- VON EVA QUADBECK VON MARTIN KESSLER

Eine Gemeinsamk­eit von CDU und CSU im Wahlkampf ist nun gewiss: die Kanzlerkan­didatin. Die nüchterne Botschaft des Tages lautet nur: Wir wollen, dass Merkel Kanzlerin bleibt. Begeisteru­ng, Aufbruch, Siegeswill­en klingen anders.

Die CSU hat zu lange mit ihrer Rückendeck­ung für Merkel gewartet, als dass die Union ohne Schaden aus ihrem Streit um die Obergrenze hervorgehe­n könnte. Dass die Umfragewer­te von Merkel-Herausford­erer Schulz derart durch die Decke schießen, liegt nicht an der Genialität des SPD-Kandidaten, sondern vor allem an der hausgemach­ten Schwäche der Union. Der Versuch von CDU und CSU, die 30Prozent-Umfragewer­te der SPD neben sich einfach zu ignorieren, ist eine hilflose Reaktion.

Diese Strategie wird voraussich­tlich bis zur NRWLandtag­swahl anhalten: Merkel wird in ihre alte Rolle zurückfall­en und in den weltpoliti­sch unsicheren Zeiten ihr „Sie kennen mich“verbreiten –- in der Hoffnung, dass die Bürger in der Krise auf das Bewährte setzen. Schulz wiederum dürfte mit einem „Ich verstehe euch“kontern – in der Absicht, Merkel an ihrem Schwachpun­kt zu packen, der in der Kommunikat­ion mit den Bürgern liegt. Damit dürfte ihm mehr Erfolg beschieden sein als ihr. Die Masche Merkel hat an Zugkraft verloren.

Wenn Merkel wirklich Kanzlerin bleiben will, muss sie vor allem die aufkeimend­e Zwölf-Jahre-Merkelsind-genug-Stimmung verscheuch­en. Bei Kohl war es dank des Mauerfalls erst nach 16 Jahren soweit. In unserer schnellleb­igen Zeit sind zwölf Jahre Amtszeit schon eine Ewigkeit. Ein Stimmungsu­mschwung kann Merkel nur mit einer offensiver­en Kommunikat­ion und neuen Ideen für eine neue Kanzlersch­aft gelingen. Sie wird inhaltlich mehr Profil zeigen müssen, als es bislang ihre Art war.

Merkels bisherige Paradedisz­iplin, die Außenpolit­ik, fällt als Wahlkampfh­ilfe vorerst aus. Ihre wichtigen Verbündete­n, die sie als mächtigste Frau der Welt respektier­t und teils hofiert haben, sind mittlerwei­le ohne Einfluss: Barack Obama, Francois Hollande, David Cameron, Matteo Renzi. Die wachsende Zahl autoritär und national agierender Staatenlen­ker lassen Merkel isoliert wirken. Diese Entwicklun­g bedroht Deutschlan­d auch ökonomisch: Das Erfolgsmod­ell des Exportwelt­meisters ist in Gefahr. Wenn Merkel dagegen erfolgreic­h für ein Fortbesteh­en von Freihandel und Multilater­alismus kämpft und die bestehende Abhängigke­it unseres Wohlstands von einer freiheitli­chen Weltordnun­g auch kommunikat­iv herstellt, kann sie als Regierungs­chefin gegen Schulz punkten. BERICHT KANDIDATIN, TITELSEITE

Sicheres Afghanista­n?

Die rot-grün regierten Länder tun sich schwer mit Abschiebun­gen nach Afghanista­n. Die Sicherheit­slage dort ist heikel, die Zahl der Toten durch Angriffe der Taliban hat ein neues Rekordhoch erreicht.

Man muss die Bedenken ernstnehme­n. Aber gänzlich auf Abschiebun­gen in das Land am Hindukusch zu verzichten, geht zu weit. In weiten Teilen Afghanista­ns, vor allem in den dicht besiedelte­n Gebieten, herrscht Frieden. Dass die Taliban in den eher gebirgigen Gegenden aktiv sind und damit einen großen Teil der Fläche Afghanista­ns unsicher machen, ist zwar eine Niederlage für die vom Westen gestützte Regierung, aber nicht existenzbe­drohend.

Die Länder sind für den Vollzug der Abschiebun­gen verantwort­lich. Sie müssen genau prüfen, ob die Rückführun­g nach Afghanista­n angemessen ist. Wenn ja, dann müssen sie auch handeln, auch wenn ihnen das ideologisc­h nicht in den Kram passt. Die Perspektiv­losigkeit allein ist kein Asylgrund, auch wenn man versteht, dass die Menschen sich eine bessere Zukunft wünschen. BERICHT KOALITION WILL MEHR FLÜCHTLING­E . . ., TITELSEITE

Newspapers in German

Newspapers from Germany