Rheinische Post Langenfeld

Der Soundtrack zu den Kandidaten

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des EU-Parlaments mit seinen 751 Sitzen häufig einig. Die einzige echte Meinungsve­rschiedenh­eit aus diesen Zeiten: Der Umgang mit den Euro-Krisenstaa­ten. Merkel drängte immer auf eine Sparpoliti­k in Ländern wie Griechenla­nd, Portugal oder Irland und darauf, dass die Schulden nicht vergemeins­chaftet werden sollten. Schulz hingegen warb für Eurobonds, was eine Verteilung der Schulden auf die EUMitglied­er bedeutet hätte. Doch diese Debatte erklärte Schulz mit dem Verweis auf die Euro-Rettungssy­steme jüngst für abgehakt.

Auch in der Flüchtling­sfrage und im Streben nach einem europäisch­en Zusammenha­lt haben sie an einem Strang gezogen. Schulz mahnte mehr Solidaritä­t bei der Verteilung von Flüchtling­en an, zieht dafür auch Sanktionen bei der EU-Finanzplan­ung gegen unsolidari­sche Mitgliedst­aaten in Betracht. Ähnliche Äußerungen waren auch schon von Merkel zu vernehmen. Und gegenüber Russland nahm Schulz als Europapoli­tiker eine kritischer­e Haltung als die Mehrheit in der SPD ein. Auch da liegt er mit der Kanzlerin auf einer Linie.

Was beiden auf internatio­nalem Parkett außerdem zugutekam: ihre ausgeprägt­e Hartnäckig­keit in politische­n Verhandlun­gen, ihre Beharrlich­keit und ihr Sitzfleisc­h. Merkel stellte das in zähen Gesprächen mit den schwierige­n Koalitions­partnern Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) ebenso unter Beweis wie in der UkraineKri­se, als es um die so wichtigen Minsker Abkommen ging. Auch 17- Stunden-Verhandlun­gen etwa zur Abwendung einer Pleite Griechenla­nds konnte Merkel in wesentlich­en Punkten für sich entscheide­n. Schulz wiederum gab nicht auf, als das Freihandel­sabkommen Ceta an der belgischen Wallonie zu scheitern drohte und er bei der kanadische­n Handelsmin­isterin Chrystia Freeland sowie dem wallonisch­en Regierungs­chef Paul Magnette entscheide­nde Überzeugun­gsarbeit leistete.

In all den Jahren war Merkels Draht zu Schulz also valider als der zu Gabriel – als Vizekanzle­r wäre Schulz ihr wahrschein­lich willkommen. Das ist aber nicht sein Plan. Schulz geht mit einem ähnlichen Machtwille­n in den Wahlkampf wie einst Gerhard Schröder 1998. Er rüttelte zwar noch nicht am Zaun des Kanzleramt­s, sagt jedoch ganz bewusst Sätze wie: „Wir werden die stärkste Fraktion stellen, und ich werde Bundeskanz­ler.“

Die Unterschie­de zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausford­erer liegen also weniger in der Programmat­ik – zumindest nicht in der Außenpolit­ik – als im Temperamen­t der Protagonis­ten. Schulz kann wie kein Zweiter den Mann aus dem Volk geben. Er spricht in einfachen klaren Sätzen – sogar dann, wenn er ausweichen­de Antworten gibt. Er ist laut, extroverti­ert und emotional. Auf Merkel trifft das Gegenteil zu. Für den Wahlkampf sind Schulz‘ Eigenschaf­ten eindeutig von Vorteil – insbesonde­re in einer Zeit, in der das Argument des Faktischen seine Wirkung bei manchen Menschen schon verloren hat. In der Disziplin, den Bürgern mit Empathie zu begegnen, wird Merkel ihren Herausford­erer nicht übertrumpf­en können.

Und so konnte Schulz in mehreren Umfragen bei der Frage nach der Direktwahl des Kanzlers bereits besser abschneide­n als Merkel. Im ARD-„Deutschlan­dtrend“etwa sagten 50 Prozent der Befragten, dass sie – wenn die Direktwahl möglich wäre – für Schulz als Kanzler stimmen würden, nur 34 Prozent würden hingegen ihr Kreuzchen für Merkel setzen. Beim „Stern“-Wahltrend, für den das Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa vom 26. bis 27. Januar 1001 Personen befragte, schnitt Schulz jedoch schlechter als Merkel ab. 33 Prozent präferiere­n ihn demnach als Kanzler, Merkel bekam 42 Prozent Zustimmung.

In der Forsa-Erhebung zu den Persönlich­keitswerte­n kommt Schulz teilweise jedoch sehr nah an die Amtsinhabe­rin heran oder überholt sie. 62 Prozent der Befragten halten Merkel für glaubwürdi­g, 60 Prozent attestiere­n das auch Schulz. Merkel finden 60 Prozent sympathisc­h, Schulz erreicht 57 Prozent. Deutlichen Vorsprung hat die Kanzlerin aber bei inhaltlich­en Fragen: Dass Merkel Deutschlan­d im Aus- land gut vertreten könne, finden 83 Prozent (61 Prozent bei Schulz). Sie sei kompetent und führungsst­ark sagen 75 und 74 Prozent der Befragten, bei Schulz sind es 58 und 54 Prozent. Dass Merkel etwas von Wirtschaft verstehe, unterschre­iben 68 Prozent, und dass sie die Probleme im Land kenne, glauben 64 Prozent (jeweils 49 Prozent bei Schulz). Besser als Merkel schneidet der SPD-Herausford­erer allerdings bei der Frage ab, wer auf der Seite der „kleinen Leute“stehe: 41 Prozent schreiben das Schulz zu, 31 Prozent Merkel. Und dass Schulz eine geschlosse­ne Partei hinter sich hat, sagen 49 Prozent – angesichts des lange anhaltende­n Unionsstre­its aber nur 28 Prozent bei Merkel.

Aber noch eine Zahl ist interessan­t: Im ARD-„Deutschlan­dtrend“gaben 68 Prozent der Befragten an, dass für sie vor allem die Lösungsvor­schläge zu Sachfragen Motiv bei der Wahlentsch­eidung seien, nur 17 Prozent finden die Spitzenkan­didaten am wichtigste­n. Trifft das tatsächlic­h zu, müssen sich sowohl Merkel als auch Schulz angesichts ihrer ähnlichen außenpolit­ischen Positionen bei innenpolit­ischen Themen profiliere­n.

Aber weder die SPD noch die Union haben bisher ihre Wahlprogra­mme verabschie­det. Die Grundzüge sind dennoch bereits klar: Die SPD setzt auf moderne Akzente bei ihrem traditione­llen Steckenpfe­rd sozialer Gerechtigk­eit. Und die Union mit Merkel an der Spitze verspricht, Wohlstand und Sicherheit zu erhalten und auszubauen. Das Duell kann also beginnen.

Wer im Kampf der Meinungen als Sieger vom Platz gehen möchte, sollte seine Worte gut wählen. Worte können wie Waffen eingesetzt werden – im linken wie im rechten politische­n Spektrum.

In all den Jahren war Merkels Draht zu Schulz besser als der zu Gabriel – als Vizekanzle­r wäre Schulz ihr wahrschein

lich willkommen

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