So funktioniert der ESC-Vorentscheid
KÖLN Mit Stefan Raab wurde alles anders. Zum ersten Mal entschieden die Zuschauer per Televoting nicht nur darüber, welcher Interpret für Deutschland antreten sollte, sondern bestimmten auch, mit welchem Song. Der Rest ist Erfolgsgeschichte: Die damals 18-jährige Lena Meyer-Landrut gewann 2010 mit dem Song „Satellite“für Deutschland den Eurovision Song Contest (ESC).
Doch von Stefan Raab ist beim ESC-Vorentscheid sieben Jahre später nur noch seine Produktionsfirma Raab TV übrig, an der Show arbeitet Raab aber weder operativ noch kreativ mit. Und mit schlechteren Vorzeichen könnte Deutschland kaum in den Wettbewerb starten: 2016 landete die aus der Casting-Show „The Voice“(ProSieben) bekannt gewordene Sängerin Jamie-Lee mit elf Punkten auf dem letzten Platz. Ein Jahr vorher musste Kandidatin Ann Sophie sogar mit null Punkten aus der Show gehen.
Ein Mann und vier junge Frauen gehen in Köln am Donnerstag ins Rennen. Sie hatten sich per Video und bei zwei Castings beworben und wurden von einer Jury des Norddeutschen Rundfunks ausgewählt. Eine Favoritin gibt es: Die 21jährige Youtuberin Felicia Lu Kürbiß hat mit Abstand die größte FanGemeinschaft in den sozialen Netzwerken. Dagegen müssen der 28jährige Axel Maximilian Feige aus Hamburg, die 20-jährige Helene Nissen aus Hollingstedt bei Schleswig, die 25-jährige Bonnerin Levina und die Nachrückerin aus Köln Yosefin Buohler ansingen. Kandidat Wilhelm „Sadi“Richter hatte seine Kandidatur im Januar zurückgezogen. Hintergrund sollen zwei Ankla- gen wegen Betrugs und Diebstahls sein. Moderiert wird die Show von Barbara Schöneberger – das Erste überträgt ab 20.15 Uhr die ausverkaufte Live-Sendung aus Köln-Mülheim. Kommentiert werden die Auftritte außerdem von der prominenten Musiker-Jury Lena Meyer-Landrut, Tim Bendzko und Florian Silbereisen.
Damit der letzte Platz für Deutschland nicht zur Tradition wird, haben sich die Macher für den Vorentscheid wieder etwas Neues überlegt. Das Verfahren ist dadurch nur etwas kompliziert geworden. Wichtig ist: Beim ESC-Finale am 13. Mai in Kiew kommt es auf die aus- ländischen Fans an. Und die will man frühzeitig für eines der fünf Talente gewinnen, indem Zuschauer aus ganz Europa über den deutschen Teilnehmer schon jetzt mitabstimmen dürfen – via App. „Eurovision Vibes“heißt das Konzept, „Germany needs you“die Aufforderung auf Facebook. Fans in Europa sollen den deutschen Vorentscheid auf Englisch im Livestream verfolgen können und für ihre Favoriten votieren. Wirklich viele dürften das laut Facebook bislang aber nicht sein: Drei Tage vor der Show gaben noch nicht einmal 80 Menschen in Europa an, den deutschen Vorentscheid mitzuverfolgen.
Die internationalen Stimmen sollten laut Produzenten zwar nicht in das Endergebnis einfließen – sehr wohl aber das deutsche Publikum in ihrer Wahl beeinflussen: Die JuryMitglieder werden vor und während jeder Abstimmungsrunde am Donnerstagabend bekanntgeben, für wen sich das internationale Publikum entschieden hat. Und Abstimmungsrunden gibt es viele: Zunächst performen alle fünf Kandidaten einen Cover-Song ihrer Wahl. Danach fliegen zwei Kandidaten raus. Im zweiten Schritt singen die drei verbliebenen Kandidaten jeweils denselben Song, der eigens für den Vorentscheid komponiert wur- de. Dann dürfen die Zuschauer erneut abstimmen und so die beiden Favoriten ins Finale schicken. Im dritten Schritt singen die zwei letzten Kandidaten einen zweiten Song, der ebenfalls für den Contest produziert wurde – und am Ende gewinnt der Favorit mit dem Lieblingslied des deutschen Publikums.
Einen Hauch eines ESC-Siegs wird es schon am Donnerstag geben: Nicole, Ruslana und Conchita geben sich die Ehre. Nicole holte mit ihrem Sieg 1982 den Grand-Prix zum ersten Mal nach Deutschland, Ruslana war 2004 die erste ukrainische Gewinnerin, und Conchita gewann für Österreich vor drei Jahren.
Fünf Kandidaten treten am Donnerstag beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest an. Abgestimmt werden kann aber schon früher. Das soll internationale Fans mobilisieren.