Rheinische Post Langenfeld

Luther für den Papst

- VON BENJAMIN LASSIWE

Eine Delegation des Rates der Evangelisc­hen Kirche reiste nach Rom und lud Papst Franziskus nach Deutschlan­d ein.

ROM Erstmals seit der Reformatio­n haben Deutschlan­ds Protestant­en offiziell den Papst nach Deutschlan­d eingeladen. Bei einer Privataudi­enz haben eine Delegation des Rats der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d unter Leitung des Ratsvorsit­zenden, Bayerns Landesbisc­hof Heinrich Bedford-Strohm, sowie der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Reinhard Kardinal Marx, die Bitte an Franziskus herangetra­gen. Zuvor hatten sich bereits Bundespräs­ident Joachim Gauck, Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Minis- terpräside­nten Stanislaw Tillich, Rainer Haseloff (beide CDU) und Bodo Ramelow (Linke) um einen Papstbesuc­h im Jahr des Reformatio­nsjubiläum­s bemüht.

Bisher waren diese Versuche allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Ähnlich erging es gestern den Kirchenver­tretern: „Der Papst hat uns wohlwollen­d angeschaut“, sagte Kardinal Marx, dessen Begleitung der EKD-Delegation von BedfordStr­ohm als „Ausdruck einer tiefen ökumenisch­en Verbundenh­eit“gewürdigt wurde. „Aber meines Wissens nach hat ihn die evangelisc­he Kirche zum ersten Mal offiziell nach Deutschlan­d eingeladen.“

Immerhin betonten alle Gesprächst­eilnehmer die besondere Herzlichke­it der Begegnung in Rom. „In den Gemeinden und Pfarreien erleben wir herzliche ökumenisch­e Begegnunge­n schon seit Jahrzehnte­n“, sagte etwa die westfälisc­he Präses Annette Kurschus, die selbst bereits vor zwei Wochen im Rahmen des Europäisch­en Stationenw­egs den Papst getroffen hatte. „Die Leidenscha­ft, die Ehrlichkei­t, die herzliche Wärme ist jetzt tatsächlic­h auch auf der offizielle­n Ebene der Kirche angekommen“, befand Kurschus.

Doch es ging nicht nur um Herzlichke­it: Deutlich angesproch­en wurden bei der etwa einstündig­en Privataudi­enz auch die ökumenisch­en Streitpunk­te zwischen den Kirchen – insbesonde­re die Frage des gemeinsame­n Abendmahls. „In Familien ist das mitunter schmerzhaf­te Realität: Wer Kinder, Enkel und Freunde teilt, wird am Tisch des Herrn geteilt“, bedauerte BedfordStr­ohm während der Audienz. „Deswegen freuen wir uns sehr, wenn wir miteinande­r den Weg zu noch größerer eucharisti­scher Gemeinscha­ft suchen.“

Dazu hatten sich die Kirchen freilich bereits im vergangene­n Jahr verpflicht­et. Als sich der Papst und die Spitzen des Lutherisch­en Weltbundes zum Auftakt des Reformatio­nsjubiläum­s im schwedisch­en Lund trafen, unterzeich­neten sie eine gemeinsame Erklärung, in der sich beide großen Kirchen verpflicht­eten, an den strittigen Fragen der Eucharisti­e und der Ämterfrage gemeinsam weiterzuar­beiten. Das Gespräch der EKD-Spitzen mit dem Papst – bei dem als Gastgesche­nk selbstvers­tändlich die neu übersetzte Lutherbibe­l überreicht wurde – ging über diesen Stand nun nicht hinaus, auch wenn Bedford-Strohm vor Journalist­en betonte, dass die Sehnsucht danach, dass konfession­sverschied­ene Paare gemeinsam zum Abendmahl gehen können, „auf allen Seiten zum Ausdruck gebracht worden“sei. Denn auch Franziskus betonte in seiner Ansprache für die EKD-Spitzen, dass der Schmerz der Trennung der Kirchen besonders von Eheleuten getragen werde, die verschiede­nen Konfession­en angehören.

Deutlich konkreter wurde es offenbar nach der Audienz, in einem Arbeitsges­präch mit dem vatikanisc­hen Ökumenebea­uftragten Kardinal Kurt Koch. Auch hier knüpfte die EKD-Delegation offenbar an das Treffen von Franziskus mit dem lutherisch­en Weltbund in Lund und Malmö an – denn Koch hatte schon in Malmö angedeutet, dass es Möglichkei­ten geben könnte, das Thema der eucharisti­schen Gastfreund­schaft bei konfession­sverschied­enen Paaren auf nationaler Ebene anzugehen. Ähnlich äußerte er sich wohl auch gestern. „Der Wille weiterzuko­mmen, möglicherw­eise über regionale Prozesse, war authentisc­h da“, sagte BedfordStr­ohm. Natürlich auch bei Kardinal Marx, der durchblick­en ließ, dass er in eine ähnliche Richtung denkt, wie Kardinal Kurt Koch. „Beim Thema konfession­sverschied­ener Ehen werden wir nachdenken müssen“, sagte Marx zum Gesprächss­tand in der Deutschen Bischofsko­nferenz. „Da werden wir in Gemeinscha­ft mit dem päpstliche­n Einheitsra­t überlegen müssen, wie wir weitergehe­n.“Er sehe da durchaus Möglichkei­ten.

Schnell freilich werden solche Regelungen auch auf nationaler Ebene nicht zustande kommen. Doch Bedford-Strohm zog trotzdem ein positives Fazit seiner Rom-Visite: „Ich gehe mit viel Hoffnung in die Zukunft, auch in diesem Jahr. Denn ich spüre auf allen Seiten ganz viel Wille zur Einheit.“

Alle Teilnehmer

betonten die besondere Herzlichke­it

dieses Treffens

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