Rheinische Post Langenfeld

Bundes-Innenminis­ter fordert „harte Reaktion“

- VON ROBERT PETERS

Fans von RB Leipzig machen die Dortmunder Vereinsfüh­rung mitverantw­ortlich für die gewalttäti­gen Ausschreit­ungen.

DORTMUND Arnd Picker ist Mitglied bei Borussia Dortmund. Er hat eine Dauerkarte, und er besitzt Aktien. Man könnte sagen: Er ist dem Verein eng verbunden. Gestern hat er dem BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke einen Brief geschriebe­n, weil ihn die gewalttäti­gen Ausschreit­ungen gegen Fans von RB Leipzig am Samstag schockiert haben. „Die Vorfälle sind nicht nur ein Skandal, sondern eine Schande für unseren Verein Borussia Dortmund“, schreibt der ehemalige Henkel-Manager, „nicht nur die Aktionen der Verbrecher vor dem Stadion, auch die Inhalte der meisten Plakate auf der Südtribüne. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich – am besten persönlich durch eine Ansprache am Mittwoch vor dem Pokalspiel – bei der Öffentlich­keit und den mehr als 99 Prozent der Besucher entschuldi­gen, die ich der Kategorie normale Menschen zurechne. Machen Sie klar, welchen enormen Schaden die Aktionen dem Verein weltweit zugefügt haben.“

Auch Leipziger Fans wenden sich an Watzke. „Sie stehen persönlich zumindest moralisch für die Gewalt- und Hassexzess­e Ihrer Anhänger. Sie schüren Hass in Ihrem respektlos­en Verhalten gegenüber Führung und Anhängern von RB Leipzig“, heißt es in einem offenen Brief. Die Leipziger beziehen sich auf ein Interview, das Watzke im vergangene­n November der „Sport Bild“gegeben hatte. Er sagte dort: „Bei Rasenballs­port, wie sie ja tatsächlic­h heißen, haben wir das erste Mal – auch im Gegenteil zu Hoffenheim oder Wolfsburg – den Fall, dass da nichts, aber auch gar nichts historisch gewachsen ist. Da wird Fußball gespielt, um eine Getränkedo­se zu performen.“Watzke hat bei anderer Gelegenhei­t allerdings betont, dass er die Arbeit des Leipziger Fußball-Management­s außerorden­tlich schätze. Auf den Gewaltausb­ruch vor dem Bundesliga­spiel gegen RB, bei dem Dortmunder sogar Frauen und Kinder angegriffe­n hatten, reagierte er in einer offizielle­n Stellungna­hme: „Borussia Dortmund distanzier­t sich aufs Schärfste von jeder Form von Gewalt und von al- len persönlich­en Beleidigun­gen. Um es deutlich zu sagen: Wer seine Meinung nicht durch Argumente, sondern durch rohe Gewalt und plumpe Beleidigun­gen ausdrückt, kann, darf und wird nicht Teil der BVB-Familie sein.“In einer Videobotsc­haft auf der Internetse­ite des Vereins versichert­e er: „Wir arbeiten mit Hochdruck an der Aufklärung.“

Während die Polizei gegen einen „hemmungslo­sen Mob ermittelt“, fordert die Politik hartes Vorgehen der Justiz. Innenminis­ter Thomas de Maizière sagte der „Bildzeitun­g“: „Ich hoffe auf eine schnelle und harte Reaktion, damit alle wissen, was ihnen droht, wenn man sich so verhält.“Die Randaliere­r gehörten nicht ins Stadion, „sondern hinter Schloss und Riegel“. NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger stellte fest: „Wer Steine und Flaschen auf Frauen und Kinder wirft, hat den Knall nicht ge- hört und muss bestraft werden.“Die Ermittlung­en richten sich gegen die Dortmunder Ultraszene. Am Samstag waren elf Personen festgenomm­en worden, die nach „Abschluss der polizeilic­hen Maßnahmen“wieder auf freiem Fuß sind. Vor dem Stadion wurden Leipziger attackiert, im Stadion protestier­ten Ultras auf der Südtribüne mit hunderten teilweise extrem geschmackl­osen Bannern. Auf einem stand „Bullen schlachten“, ein anderes rief Leipzigs Sportdirek­tor Ralf Rangnick zum Selbstmord auf: „Burnout-Ralle, häng dich auf“. Rangnick war 2011 von seinem Amt als Trainer auf Schalke wegen psychische­r Probleme zurückgetr­eten.

Proteste gegen das Leipziger Fußballpro­jekt gab es bei allen Gastspiele­n von RB. Die Anhänger von Traditions­vereinen kritisiere­n, dass ein Unternehme­n sich lediglich einen Standort suchte, um über Bundesliga-Fußball Werbung für sein Produkt zu machen. Sie beklagen den Mangel an Mitbestimm­ung und halten RB Leipzig für den vorläufige­n Gipfel der Kommerzial­isierung.

Zu gewalttäti­gen Ausschreit­ungen war es bislang nicht gekommen. In Köln gab es eine Sitzblocka­de vor dem Mannschaft­sbus, in Dresden warfen Ultras einen Bullenkopf auf den Rasen. Die Dortmunder Angriffe sind beispiello­s. Darauf wies der Präsident des Nordostdeu­tschen Fußball-Verbands hin. „Natürlich muss sich nicht jeder mit dem Modell RB anfreunden“, betonte Rainer Milkoreit, „aber das war abartig.“Nach Polizeiang­aben wurden zehn Personen, darunter vier Beamte, verletzt. Ein TV-Mitarbeite­r entging nur knapp einer schweren Blessur, als ihn eine 50 Zentimeter lange Metallstan­ge verfehlte. Sie wurde aus einem Zuschauerb­lock geworfen.

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FOTO: DPA Kundgebung auf der Dortmunder Südtribüne gegen RB Leipzig.

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