Rheinische Post Langenfeld

Merkel trifft Polens schwarze Eminenz

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Die Bundeskanz­lerin setzt auf gute Beziehunge­n zum Nachbarlan­d – auch mit Jaroslaw Kaczynski.

WARSCHAU (krö) Polens Politikdeu­ter stellen mit schöner Regelmäßig­keit die Frage, wie lange Jaroslaw Kaczynski seinen Machthunge­r wohl noch zügeln wird. Anders formuliert: Wann übernimmt der Chef der rechtsnati­onalen Partei PiS das Regierungs­ruder von Ministerpr­äsidentin Beata Szydlo, deren Schwäche mit Händen zu greifen ist, während Kaczynski aus dem Hintergrun­d heraus die Richtlinie­n der Politik bestimmt?

Die Nachteile dieser Konstellat­ion bekam Polens starker Mann gestern beim Besuch von Angela Merkel in Warschau vorgeführt. Die Bundeskanz­lerin war zwar bereit, das Protokoll des Staatsbesu­chs so weit zu verbiegen, dass sie Kaczynski zum informelle­n Polit-Tête-àTête im historisch­en Nobelhotel „Bristol“treffen konnte. Das VierAugen-Gespräch galt hinter vorge- haltener Hand als eigentlich­er Anlass und Höhepunkt der Visite. Aber Kaczynski musste eben auch miterleben, wie Merkel der polnischen Regierung öffentlich die Leviten las.

Als „junger Mensch“habe sie von der DDR aus immer bewundernd nach Polen geschaut, plauderte die Kanzlerin bei der Pressekonf­erenz mit Szydlo und bekannte: „Die Solidarnos­c hat auch mein Leben geprägt.“Der Kampf der antikommu- nistischen Demokratie­bewegung in Polen in den 80er Jahren ebnete den Weg zu den friedliche­n Revolution­en von 1989 und zur Wiedervere­inigung. Umso wichtiger sei es, erklärte die Kanzlerin und schlug kunstvoll den Bogen zum aktuellen EU-Rechtsstaa­tsverfahre­n gegen die PiS-Regierung, die Unabhängig­keit von Justiz und Medien zu garantiere­n. Kaczynski konnte dem nichts entgegense­tzen, jedenfalls nicht sofort und vor laufenden Kameras. Im Vorfeld hatte er sich sogar genau solche „Angriffe“verbeten.

Haben sich gute deutsch-polnische Beziehunge­n damit also erledigt? Wer Merkel und Szydlo zuhörte, gewann den gegenteili­gen Eindruck. Die Kanzlerin zählte die vielen Gemeinsamk­eiten auf, während Szydlo meist nickte. In der Sicherheit­spolitik habe man viele gemeinsame Ansichten, erklärte Merkel und verwies auf die Ukraine-Krise und die Haltung zu Russland. Fast nebenbei beschwicht­igte Merkel auch im Streit um die deutsch-russische Ostseepipe­line, deren Ausbau den Polen ein Dorn im Auge ist. Nun soll eine Arbeitsgru­ppe das Problem lösen. Außerdem sprach sich die Kanzlerin für mehr Polnischun­terricht an deutschen Schulen aus. Die Bundesländ­er sollen die Nachfrage ermitteln.

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