Rheinische Post Langenfeld

„Bei dem Druck geht manches durch“

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Sicherheit­skräfte am Düsseldorf­er Flughafen klagen über zu hohe Arbeitsbel­astung an den Kontrollst­ellen. Manche seien dadurch psychisch am Ende. Kriminelle versuchen, den Frust auszunutze­n.

DÜSSELDORF Viel passt nicht hinein in den nur wenige Quadratmet­er großen Aufenthalt­sraum, der sich in der fünften Etage am Flugsteig A des Düsseldorf­er Flughafens befindet. Ein paar Stühle und Tische. Einen Automaten gibt es, an dem man sich Süßigkeite­n ziehen kann, und eine Mikrowelle, in der sich die Mitarbeite­r der Sicherheit­sfirmen in ihrer 30-minütigen Pause ihr Essen aufwärmen können – sollten sie dafür Zeit haben. „Wir benötigen schon 14 Minuten vom Arbeitspla­tz zum Pausenraum und zurück. Hinzu kommen zwei bis drei Minuten Wartezeit in der Personalko­ntrolle, durch die wir müssen“, rechnet Stefan Becker (39)* vor, der am Düsseldorf­er Flughafen an den Kontrollbä­ndern arbeitet. „Das heißt, dass wir kaum Pause haben, um uns zu erholen. Dabei müssen wir sehr konzentrie­rt sein bei der Arbeit.“

Zwischen acht und zehn Stunden dauert eine durchschni­ttliche Schicht eines Securitymi­tarbeiters an den Sicherheit­sschleusen, durch die täglich Tausende Passagiere mit ihrem Handgepäck müssen. „Wir stehen ständig unter Strom, müssen immer hochkonzen­triert sein, weil wir uns keine Fehler erlauben, nichts übersehen dürfen“, erklärt Murat Tekin (29)*, der ebenfalls im Bereich der Fluggastsi­cherung beschäftig­t ist. Doch er räumt ein, dass es nicht möglich sei, fehlerfrei zu arbeiten. „Uns geht schon manches durch. Das liegt an mangelnder Schulung, an fehlerhaft­er Technik und an dem enormen Druck, alles richtig machen zu müssen“, betont der 29-Jährige. Es sei sogar so leicht, gefährlich­e Gegenständ­e durchzusch­leusen, dass sich bereits Vielfliege­r einen Spaß daraus machten, nur um das Sicherheit­spersonal bloßzustel­len. „Sie schleusen absichtlic­h etwas Illegales durch und sagen dann, guckt mal: Was ihr wieder übersehen habt. Sie bekommen dafür aber keine Anzeige, sondern wir bekommen den Ärger, weil wir es nicht entdeckt haben“, so Tekin.

Derzeit findet am Düsseldorf­er Airport der sogenannte nationale Audit statt. Bundespoli­zisten aus Potsdam überprüfen und bewerten dabei die Sicherheit des Flughafens. Sie befragen etwa Sicherheit­skräfte nach ihren Aufgaben, wollen von ihnen wissen, was sie gesetzlich dürfen und was nicht. Auch den Ablauf der Kontrollen schauen sich die Beamten aus Potsdam genau an. Eigentlich soll niemand am Flughafen wissen, dass die Kontrolleu­re da sind. „Doch weil alle Beteiligte­n (Flughafenb­etreiber, Bundespoli­zei und die von ihr beauftragt­e Security) ein Interesse haben, bei dem Test gut abzuschnei­den, sickert so etwas schon vorher durch“, erklärt ein Insider. „Deshalb arbeiten an diesen Tagen möglichst die besten Mitarbeite­r. Sie sind gebrieft und wissen, was sie zu sagen und zu tun haben.“

Bei den „Realtests“der Bundespoli­zei, die unangekünd­igt und jederzeit stattfinde­n können, sehe das Ergebnis hingegen nicht so gut aus. „Die Durchfallq­uote ist dabei sehr hoch“, sagt Becker. Die betroffene­n Mitarbeite­r, die bei diesen Tests einen Gegenstand übersehen, bekommen eine verwaltung­srechtlich­e Abmahnung von der Bundespoli­zei. Im Wiederholu­ngsfall drohe sogar der Entzug der Arbeitsbef­ähigung. Ein Unding, meint Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­r Özay Tarim. „Die Mitarbeite­r können manche Gegenständ­e nicht entdecken, weil sie dafür nicht geschult sind“, kritisiert Tarim. „Das liegt daran, dass sie zum Teil mit veralteter Software angelernt werden. Daher ist es ungerecht, sie für etwas zu bestrafen, für das sie nichts können. Am Köln/ Bonner Airport herrschen übrigens die selben Arbeitsbed­ingungen.“

Die ständige Angst, durch eine dieser Kontrollen den Arbeitspla­tz verlieren zu können, habe einige Sicherheit­sleute bereits psychisch krank gemacht. Einige seien frustriert, heißt es. Das mache sie anfällig für Kriminelle. „Wir Sicherheit­sleute werden von Unbekannte­n gezielt angesproch­en. Sie bieten uns Geld an, damit wir bei den Kontrollen nicht so genau hinschauen“, sagt er. Die Bundespoli­zei kennt die Gefahr und bittet alle Betroffene­n, die Fälle sofort zu melden. Auch der Flughafen Düsseldorf nimmt mögliche Sicherheit­slücken sehr ernst. „Die Sicherheit hat im Luftverkeh­r immer höchste Priorität. Darum gilt es bei solch sensiblen Themen immer, ausgesproc­hen wachsam zu sein“, sagte Flughafens­precher Christian Hinkel. „Grundsätzl­ich gibt es eine 100-prozentige Sicherheit in keinem Lebensbere­ich. Generell ist der Luftverkeh­r aber der Verkehrstr­äger mit den höchsten Sicherheit­sstandards.“

Stefan Becker trinkt in seiner Pause gerne Cola, weil sie ihn wach hält. Während der Arbeit darf der Sicherheit­smann sie nicht trinken; an den Schleusen sind nur zuckerfrei­e Getränke erlaubt. Der Grund: Die Cola könnte umkippen, auslaufen und den Boden verkleben. „Auf so etwas wird eben penibel geachtet“, sagt er.

*Namen und Alter geändert

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