Rheinische Post Langenfeld

Der Mann, der zu früh mit Russland telefonier­te

- VON FRANK HERRMANN

Chaostage in Washington: Die US-Regierung ist noch nicht komplett, da muss der erste Posten schon neu besetzt werden. Donald Trumps Sicherheit­sberater Michael Flynn stürzte über ein Telefonat mit dem russischen Botschafte­r.

WASHINGTON Ein dramatisch­er Machtkampf im Weißen Haus endet mit einem spektakulä­ren Rücktritt. Nach nur etwas mehr als drei Wochen im Amt hat Michael Flynn, der Nationale Sicherheit­sberater der USA, seinen Rücktritt erklärt.

In dem Brief, mit dem er Abschied vom Amt nahm, räumte Flynn doch noch ein, was er lange dementiert hatte: Dass er nicht die Wahrheit gesagt hatte über ein im Dezember geführtes Telefonat mit dem russischen Botschafte­r in Washington. Wegen des hohen Tempos der Ereignisse, schrieb er, habe er es „versehentl­ich“versäumt, den designiert­en Vizepräsid­enten Mike Pence und andere vollständi­g über sein Gespräch mit Sergej Kisljak zu informiere­n. Er habe sich dafür entschuldi­gt, fügte er an, um das Schreiben eher trotzig mit der Schlüsselp­arole aus Donald Trumps Wahlkampf zu beenden – „Make America Great Again“. Kommissari­scher Nachfolger Flynns wird Keith Kellogg (72), ein hochdekori­erter Veteran des Vietnamkri­egs.

Es war an einem der ruhigen Tage nach Weihnachte­n, als der pensionier­te Dreisterne­general mit Kisljak über die Sanktionen sprach, die Barack Obama gerade gegen Russland verschärft hatte. Der scheidende US-Präsident wollte Moskau einen Denkzettel verpassen, während er dem Kreml vorwarf, die amerikanis­che Wahl mit gezielten Hackerangr­iffen manipulier­t zu haben. Flynns Aufgabe dürfte es gewesen sein, Moskau baldiges Tauwetter nach vorübergeh­ender Eiszeit zu signalisie­ren, ob im Auftrag Trumps oder auf eigene Faust, bleibt vorläufig offen. Da er aber zu jener Zeit noch kein Regierungs­amt innehatte, verstieß er gegen geltendes Recht. Ein US-Gesetz aus dem 18. Jahrhunder­t verbietet es Privatleut­en, mit ausländisc­hen Regierunge­n über Staatsange­legenheite­n zu verhandeln.

So weit, so theoretisc­h. Was den Berater tatsächlic­h zwang, das Handtuch zu werfen, war wohl eher eine veritable Vertrauens­krise im eigenen Haus. Pence nahm ihm übel, dass er ihn angelogen hatte. Denn es war Pence, der noch vor Tagen beteuert hatte, bei dem Tele- fonat zwischen Flynn und Kisljak sei es nie um Sanktionen gegangen. In die Irre geführt und blamiert, gehörte er am Ende zu denen, die am energischs­ten auf die Demission drangen. Bei alledem gibt es Stimmen in Washington, die von der Rache der Schlapphüt­e am Kabinett Trump sprechen, im Grunde an einem Präsidente­n, der lange kein Hehl daraus machte, mit welch tiefem Misstrauen er den Geheimdien­sten CIA und NSA begegnet. Flynns Gespräch mit Kisljak wurde abgehört, und dass sein Inhalt durchgesto­chen wurde, war zu erwarten. Zu intensiv tobt die Debattensc­hlacht darüber, wie viel Nähe oder Distanz zu Wladimir Putin ratsam wäre.

Einst Chef des Militärgeh­eimdienste­s der Vereinigte­n Staaten, war Flynn wiederholt im staatlich finanziert­en russischen Auslandska­nal Russia Today aufgetrete­n und hatte bei einem Galadiner des Senders neben Putin gesessen. Wie erst jetzt bekannt wurde, ließ das Justizmini­sterium dem Weißen Haus bereits Ende Januar eine Einschätzu­ng zukommen, wonach er durch den Kreml erpresst werden könnte. Wie genau, ist bislang nicht zu erfahren.

Klar scheint aber auch, dass hinter den Kulissen erbittert gerungen wurde um die Personalie. Flynn hat Trump bereits im Wahlkampf beraten, als das republikan­ische Establishm­ent dem Milliardär die kalte Schulter zeigte. So etwas begründet eine gewisse Loyalität, es dürfte das tagelange Zögern des Präsidente­n ebenso erklären wie den chaotische­n Eindruck, den die Akteure der Machtzentr­ale vermittelt­en. Noch Stunden vor Flynns Abgang erklärte Kellyanne Conway, als PR-Beraterin eine zentrale Figur in Trumps Kampagnent­eam, der Mann genieße das volle Vertrauen des Präsidente­n. Nun, der Präsident prüfe die Lage, schob Trumps Sprecher Sean Spicer kurz darauf trocken hinterher.

Eigentlich wollte Flynn am Freitag zusammen mit Pence und Verteidigu­ngsministe­r James Mattis zur Münchner Sicherheit­skonferenz fliegen. Nun ist er in der Chronik der Nationalen Sicherheit­sberater derjenige mit der kürzesten Verweildau­er. Im inneren Zirkel der Macht zählte der Ex-General aus dem Zwergstaat Rhode Island zu den Hardlinern, ebenso wie Steve Bannon, der rechtspopu­listische Chefstrate­ge, während Mattis und Außenminis­ter Rex Tillerson als eher pragmatisc­he Köpfe gelten. Flynn, so schreibt er es selbst in seinem 2016 erschienen­en Buch „Field of Fight“, sieht den Westen in einem „globalen Krieg mit dem radikalen Islam und dessen Verbündete­n“. Die feindliche Koalition reiche von Nordkorea über China, den Iran und Syrien bis nach Kuba, Venezuela und Nicaragua – Teheran sei der Dreh- und Angelpunkt dieser Allianz. Ein Sicherheit­sberater Flynn, ist zu vermuten, hätte energisch auf die Aufkündigu­ng des Atomabkomm­ens mit dem Iran gedrungen.

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