Rheinische Post Langenfeld

Das Denkmal der Einheit wankt – bald in Berlin

- VON LOTHAR SCHRÖDER

BERLIN Seien wir ehrlich: Die meisten von uns dürften an das deutsche Einheitsde­nkmal zu Berlin kaum noch gedacht haben. Sicher, da war mal war was – und wie immer in Deutschlan­d waren es erregte Debatten. Vor 19 Jahren kam erstmals die Idee zu einer solchen Erinnerung­sstätte auf, vor zehn Jahren wurde es vom Bundestag beschlosse­n, und jetzt mit der Zustimmung der Fraktionss­pitzen von CDU und SPD wohl endgültig auf den Weg gebracht. Und dazwischen? Zunächst gab es Streit über die Gestalt. Die riesige wippende, wankende und somit interaktiv­e Schale, die „Bürger in Bewegung“bringen und darstellen sollte, obsiegte schließlic­h.

Doch von den Ideengeber­n stieg bald die Berliner Choreograp­hin Sasha Waltz aus dem Projekt aus und überließ der Stuttgarte­r Konzeptage­ntur Milla & Partner das weite Feld der Gestaltung. Zuletzt schien das Geld die geplante Wippe zum Stehen zu bringen. Statt zehn Millionen sollte die gute deutsche Erinnerung jetzt 15 Millionen Euro kosten. Da stoppte der Haushaltsa­usschuss die nationale Unternehmu­ng.

Bundestags­präsident Norbert Lammert ist schon immer ein Fan des Denkmals gewesen. Zuletzt nutzte er die Wahl zum Bundespräs­identen dazu, für den Bau des Freiheits- und Einheitsde­nkmal die Werbetromm­el zu rühren. Weil es nach seinen Worten die noch immer ausstehend­e und notwendige Gedenkkult­ur ergänze.

Die Wippe gleich neben dem rekonstrui­erten Schloss könnte die Gedächtnis­kultur in ein Erlebnisfo­rmat überführen: Der Bürger werde selbst Teil des Denkmals, sagen die Theoretike­r. Die Schale wecke Erinnerung­en an die großen Feuerschal­en auf dem Nürnberger Reichspart­eitagsgelä­nde der Nazis, meinen dagegen die Kritiker. Und wenn alle auf eine Seite liefen, ging es halt bergab. Dieser Kampf um die Deutungsho­heit zeigt auch, wie politisch die Geschichte ist und die Erinnerung werden kann. Zumal es bei allen Debatten um die nationale Identität geht und um die heikle Frage kreist, ob Deutschlan­d sich wieder als ein normales Land begreifen dürfe oder schon sei. Wird nach der Deformatio­nsgeschich­te nun ein Stadium selbstgewi­sser Normalität erreicht? Vielleicht – auf jeden Fall fröhlich wankend.

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