Rheinische Post Langenfeld

Wie eine Elster eine Familie rettete

- VON BARBARA BARKHAUSEN

Kurz nachdem die Australier­in Sam Bloom durch einen Unfall querschnit­tsgelähmt wurde, adoptierte die Mutter von drei Kindern ein verletztes Elsternkük­en. Die bewegende Geschichte einer doppelten Heilung ist jetzt als Buch erschienen.

SYDNEY Die Geschichte der Familie Bloom ist traurig und zugleich schön. Traurig, weil ein junger Vogel seine Familie verloren hat, traurig, weil die Australier­in Sam Bloom, eine Mutter dreier junger Söhne, seit einem Sturz im Urlaub gelähmt ist. Und schön, weil ein kleiner, hilfloser Vogel mit Hilfe der Blooms überlebte und es im Gegenzug schaffte, die Familie aus einem existenzie­llen Tief herauszuho­len und sie wieder Freude am Leben verspüren ließ. Zunächst teilte der Familienva­ter und Fotograf Cameron Bloom die Geschichte seiner Familie nur auf dem sozialen Netzwerk Instagram. Nachdem sie dort Tausende berührte, ist sie als Fotobuch erschienen – jetzt auch auf Deutsch.

„Wenn es Sam schwerfiel, in Schwung zu kom

men, zwitschert­e ihr Penguin neue Kraft zu“

Cameron Bloom

Die Geschichte der Blooms begann mit einem Unfall. Während des ersten großen Familienur­laubs in Thailand gab ein Geländer nach, an das sich die Mutter der Familie, Sam Bloom, gelehnt hatte. Sie stürzte mehrere Meter in die Tiefe. „Es gab kein Organ, das nicht in Mitleidens­chaft gezogen worden wäre“, sagte Cameron Bloom. „Ihr Rückgrat war am sechsten und siebten Brustwirbe­l gebrochen.“

Sam Bloom war von der Brust abwärts gelähmt, würde ihr gesamtes Leben im Rollstuhl verbringen. Auch ihr Geschmacks­sinn funktionie­rte nicht mehr, und starke Migräne-Anfälle quälten sie. Als Sam Bloom nach sieben Monaten im Krankenhau­s wieder nach Hause kam, war sie nicht nur körperlich, sondern auch emotional am Boden.

Genau zu diesem Zeitpunkt trat „Penguin“in das Leben der Familie. „Sie war nur ein kleines Elsterküke­n mit wackeligem Kopf, als mein Sohn Noah sie auf dem Parkplatz neben dem Haus seiner Großmutter fand“, schreibt Cameron Bloom. Das Küken war aus seinem Nest in 20 Meter Höhe gefallen und hatte einen verletzten Flügel. Damit es überleben konnte, brauchte es den Einsatz der ganzen Familie. Die drei Söhne, Mutter und Vater wechselten sich bei der Pflege ab. Alle zwei Stunden musste es gefüttert werden. Es war, als hätten die Bloom-Söhne eine kleine Schwester bekommen.

„Wir besaßen keinen Vogelkäfig und hatten auch nicht vor, einen zu kaufen“, sagt der Vater. Schließlic­h sei „Penguin“, wie sie die Elster wegen ihres schwarz-weißen Gefieders getauft hatten, ein Wildvogel. Wie in Sams Fall schien auch „Penguins“Überleben manchmal auf Messers Schneide zu stehen. Es gab Tage, an denen sie kaum aß und trank. Doch die Familie gab sie nicht auf. Vor allem Sam Bloom baute trotz oder gerade wegen ihrer eigenen Situation eine besondere Verbindung zu dem Vogelküken auf. „Wir spielten mit Penguin, sangen ihr etwas vor und bewegten sie dazu, gut zu essen und ihren verletzten Flügel zu trainieren“, erinnert sich die Familie.

Das Chaos, das der Vogel, der ja nicht stubenrein war, anrichtete, nahmen die Blooms hin. Denn je mehr ihr Vogelnachw­uchs aufblühte, umso mehr Lebenswill­en gewann auch Mutter Sam, die durch ihre Lähmung oft von starken Schmerzen geplagt wurde. Mit der Zeit wurde „Penguin“immer zutraulich­er, setzte sich auf Schultern und Köpfe, kuschelte im Bett und mit Stofftiere­n, klaute Spaghetti und schaute Filme zusammen mit ihren „Brüdern“. „Wenn es Sam schwerfiel, in Schwung zu kommen, zwitschert­e ihr Penguin neue Kraft zu“, sagt Cameron Bloom. Selbst wenn Sam ihre Therapien bekam, „Penguin“war stets an ihrer Seite.

Irgendwann wurde „Penguin“trotz ihrer Flügelverl­etzung flügge: „Bei allem Respekt für die Gebrüder Wright und ihren historisch­en Jungfernfl­ug in North Carolina im Jahre 1903, für Familie Bloom fand der bedeutsams­te erste Flug aller Zeiten in ihrem Wohnzimmer statt“, sagen die Blooms. „Penguin“war bereit, in die Welt hinauszufl­iegen. Während „Penguin“heute wieder in Freiheit lebt, hat die Familie zwei neue, elternlose Elstern in ihrer Obhut. Denn Penguins Erfolg dabei, sich die Welt zurückzuer­obern, wurde zu dem der Familie Bloom, in der die Freude am Leben wieder überwog.

„Zu Beginn dachten wir, wir würden Penguin retten“, sagen die Blooms. Doch tatsächlic­h habe „Penguin“sie gerettet. C. Bloom u. B.T. Greive: Penguin Bloom: Der kleine Vogel, der unsere Familie rettete, Knaus, 19,99 Euro, 208 Seiten

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FOTOS: BLOOM/KNAUS VERLAG „Penguin“hielt sich wohl irgendwann für einen Menschen und genoss es, alle Aktivitäte­n zu teilen – inklusive herumliege­n und entspannen.
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