Rheinische Post Langenfeld

Aufstieg und Fall der Marke Opel

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND FLORIAN RINKE

Von der Nähmaschin­en- und Fahrradpro­duktion zum massentaug­lichen Automobil – die Geschichte des Rüsselshei­mer Unternehme­ns ist extrem bewegt. Das zeigt sich insbesonde­re am früheren Standort Bochum.

DÜSSELDORF Dass ausgerechn­et der Opel-Gründer eine starke Abneigung gegen das Automobil hatte, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Adam Opel, gelernter Schlosser und gewiefter Unternehme­r, hatte es mit Erfindungs­reichtum und Nähmaschin­en Ende des 19. Jahrhunder­ts zu einigem Wohlstand gebracht. Doch dem Fortschrit­t misstraute er. Als seine Söhne Adam Opel dazu bringen wollten, ein anderes modernes Fortbewegu­ngsmittel – das Fahrrad – zu produziere­n, zögerte der Patriarch zunächst, ehe er sich umstimmen ließ. Angesproch­en auf das Automobil soll er aber noch kurz vor seinem Tod 1895 unmissvers­tändlich gesagt haben: „Aus diesem Stinkkaste­n wird nie mehr werden als ein Spielzeug für Millionäre, die nicht wissen, wie sie ihr Geld wegwerfen sollen.“

Adam Opel sollte irren und seine Nähmaschin­en- und Fahrradfab­rik zu einem der deutschen MassenAuto­bauer werden. Die Technikbeg­eisterung der Söhne, der Einsatz der Fließbandt­echnik und auch das schamlose Kopieren von Ideen bestimmten die Anfangsjah­re des Autokonzer­ns: Der Opel Laubfrosch war ein Abklatsch des Citroën 5CV – und wurde zum Verkaufssc­hlager, der Opel an die Spitze der deutschen Autobauer katapultie­rte.

Von da an erlebte das Unternehme­n mit seinem Stammsitz in Rüsselshei­m eine vergleichs­weise bewegte Geschichte. Einen ersten Rückschlag musste Opel in der Weltwirtsc­haftskrise hinnehmen. 1929 verkauften die Brüder einen Großteil ihrer Anteile an den US- Konzern General Motors. Später übernahm GM die Anteile komplett.

Die Strategie blieb aber auch unter den neuen Eignern gleich: Anders als Mercedes, Audi oder BMW setzten die Rüsselshei­mer vor allem auf Massentaug­lichkeit. Die Entscheidu­ng, ins bevölkerun­gsreiche Ruhrgebiet zu gehen, lag damit nahe. Anfang der 60er-Jahre wurde ein ehemaliges Zechengelä­nde in Bochum zum Fertigungs­standort umgewidmet. Ein Kadett A war das erste Modell, das dort vom Band rollte. Die Beschäftig­ten gewann das Management vorwiegend in den Zechen. Ein Gros der zunächst 10.000 Opelaner hatte zuvor unter Tage gearbeitet.

Mit den neuen Modellen wie dem Olympia, dem Ascona und dem legendären Manta stieg auch die Personalst­ärke. Ende der 70er-Jahre hat sich die Zahl in Bochum schon verdoppelt. Auch der Astra und der Zafira liefen in Bochum vom Band.

Der Aufstieg von VW markierte zugleich den Abstieg von Opel. Kurz vor Ausbruch der Finanzkris­e wurden die Probleme unübersehb­ar: Die Überkapazi­täten zwangen den Autobauer 2004 dazu, die Motorenpro­duktion in Bochum einzustell­en. Die Zahl der Beschäftig­ten schnurrte auf 9000 Mitarbeite­r zusammen. Das Umlenken kam spät. Zum 50jährigen Bestehen des Werkes arbeiteten dort gerade noch rund 3700 Menschen. Nach zähem Ringen ei- nigten sich ein Jahr später IG Metall und Opel-Management auf einen Tarifvertr­ag zum Ende der Bochumer Autoproduk­tion 2016. Die Belegschaf­t lief dagegen Sturm. Vor allem Betriebsra­tschef Rainer Einenkel versuchte, das Aus noch abzuwenden. Die Bochumer Opelaner lehnten das Ergebnis mehrheitli­ch ab. Die Quittung folgte auf dem Fuße: Die Opel-Spitze beschloss im April, die Produktion des Zafira von Bochum nach Rüsselshei­m zu verlagern. Die Produktion in Bochum wurde schon Ende 2014 eingestell­t – das teure Ende einer Ära. Lediglich ein neues Ersatzteil­zentrum des Autobauers ist heute noch am alten Standort beheimatet.

Welche Folgen ein möglicher Kauf durch den Peugeot-Citroën (PSA) für die dortigen Beschäftig­ten haben könnte, ist bislang schwer abzuschätz­en. Die IG Metall NRW wollte sich gestern zunächst nicht äußern. Ganz unvorberei­tet wird die Nachricht die Arbeitnehm­ervertrete­r aber nicht getroffen haben. Eine Kooperatio­n zwischen den beiden kriselnden Unternehme­n PSA und Opel gibt es bereits seit Ende 2012. Zunächst handelte es sich nur um ein Entwicklun­gs- und Einkaufs-Joint-Venture, ab Herbst 2013 produziert­en beide Autobauer gemeinsam im spanischen Saragossa, weitere Kooperatio­nen gibt es seitdem im französisc­hen Sochaux und im spanischen Vigo.

Der große Befreiungs­schlag für Opel blieb bislang aber aus. Laut einer Studie des CAR-Centers Automotive Research der Universitä­t Duisburg-Essen zahlte Opel im vergangene­n Jahr pro verkauftem Fahrzeug 221 Dollar drauf. Zum Vergleich: Konkurrent Ford erzielte pro Fahrzeug 783 Dollar Gewinn.

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FOTO: DPA Der Opel Kadett stand für den sozialen Aufstieg im Nachkriegs­deutschlan­d. Der Kadett wurde ab 1962 im Werk Bochum hergestell­t. Wer mehr verdiente, leistete sich den Kapitän oder den Commodore von Opel.

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