Bangen um Medaillen und Neureuther
Deutschland steht bei der Ski-WM noch ohne Edelmetall da. Felix Neureuther soll das ändern. Doch er ist angeschlagen.
ST. MORITZ/DÜSSSELDORF Im Moment der herben Enttäuschung vergaß Wolfgang Maier für Sekundenbruchteile seine Kinderstube. „Am liebsten würde ich heim fahren oder etwas kaputthauen. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich das ärgert“, polterte der Alpindirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV) nach dem blamablen Erstrundenaus des deutschen Quartetts im Teamwettbewerb bei der WM in St. Moritz. Ein Tag, der im Optimalfall die erste von drei im Vorfeld anvisierten Medaillen bei den Titelkämpfen bringen sollte, wurde für den DSV zum Fiasko.
Nicht nur, dass Lena Dürr, Stefan Luitz, Christina Geiger und Felix Neureuther nach vier Einzelduellen im Parallelslalom gegen die Slowakei mit 1:3 ausschieden und so wie bei der WM 2015 in Vail/Beaver Creek, USA erneut gleich zu Beginn rausflogen, Neureuther zog sich zu allem Überfluss in seinem Lauf auch noch eine „komplexe Muskelverhärtung im Bereich der Lendenwirbelsäule“zu, die seine weiteren WM-Starts fraglich erscheinen lassen. „Bei mir war das Problem, dass ich über den Sprung drüber bin und es mir in den Rücken eingeschossen ist, dann konnte ich nicht mehr Gas geben. Ob das bis Freitag möglich ist, lässt sich heute noch nicht sa- gen“, sagte Neureuther. Am Freitag steht der Riesenslalom an, am Sonntag zum Abschluss der Slalom – in beiden Wettbewerben ist der 32Jährige bei seiner Abschieds-WM Medaillenkandidat. Und Medaillen braucht der medaillenlose DSV ja nun dringend. Fast schon tragisch wäre es da, sollte die x-te Rückenblessur seit seinem WM-Debüt 2003 in St. Moritz den besten deutschen Skirennfahrer der vergangenen Jahre nun an selber Stelle vorzeitig von der WM-Bühne befördern. Eine Bühne, auf der er 2013 in Schladming WM-Silber und 2015 in Vail/ Beaver Creek Bronze geholt hatte – jeweils im Slalom.
Neben Neureuther hat nur noch Victoria Rebensburg im morgigen Riesenslalom eine realistische Aussicht auf Edelmetall, dann allerdings in ihrer Paradedisziplin, in der sie 2010 olympisches Gold holte. Gestern hätte Rebensburg, genauso wie Linus Straßer, der Sieger des Parallelslaloms von Stockholm Ende Januar, erst in der zweiten Runde des Teamwettbewerbs zum Einsatz kommen sollen. Doch diese Runde erreichte die DSV-Vier eben nicht, und als Konsequenz mussten sich die Verantwortlichen den Vorwurf gefallen lassen, sich verzockt zu haben bei der Aufstellung. „Wir wollten es so probieren, und es ist uns nicht aufgegangen“, gab Maier zu. „Ich bin emotional getroffen.“Lena Dürr gab sich ähnlich geknickt. „Mich ärgert das brutal, weil so viel drin gewesen wäre“, sagte sie. „Wir haben gewusst, wir müssen alles reinlegen. Das ist uns leider nicht so gelungen. Es ist einfach bitter, weil wir uns so viel vorgenommen haben und so viel drin gewesen wäre.“
Es sind aus deutscher Sicht bislang die „Viel-wäre-drin-gewesen“Weltmeisterschaften von St. Moritz. Rang vier für Rebensburg im SuperG war ärgerlich, ihr elfter Rang in der Abfahrt dürftig. Andreas Sander überzeugte als Siebter im Super-G und Achter in der Abfahrt, zu Edelmetall reichte es aber eben auch für ihn nicht. Deswegen lastet der Druck auf Neureuther nun noch mal höher, als er es vor der WM schon tat. Im Nachgang des verkorksten Team-Wettbewerbs wurden zudem Stimmen laut, die fragten, warum der Partenkirchner seinen Körper gestern nicht geschont hatte. In Straßer hätte ja ein adäquater Ersatz bereit gestanden.
Deutschlands WM-Bilanz wird also auf Neureuthers Rücken ausgetragen. Das zumindest steht fest.