Rheinische Post Langenfeld

Glücklose US-Diplomatie im Nahostkonf­likt

- VON MATTHIAS BEERMANN

DÜSSELDORF Fast jeder amerikanis­che Präsident seit dem Krieg hat versucht, im Nahost-Konflikt zu schlichten. Gelungen ist es keinem. Trotzdem führt beim Ringen um einen dauerhafte­n Frieden zwischen Israelis und Palästinen­sern an Washington auch weiterhin kein Weg vorbei. Wenn überhaupt, dann sind nur die USA in der Lage, Israel zu Zugeständn­issen zu bewegen und gleichzeit­ig für die Sicherheit des jüdischen Staates zu garantiere­n.

Seit den 70er Jahren bauten die Amerikaner auf das Prinzip „Land gegen Frieden“. Anwendung fand es zunächst 1978 im Abkommen von Camp David, das der damalige USPräsiden­t Jimmy Carter vermittelt­e. Israel gab den besetzten Sinai an Ägypten zurück, im Gegenzug unterzeich­neten beide Länder einen Friedensve­rtrag. Damals war die Hoffnung groß, Camp David könne zur Blaupause für eine Aussöhnung von Israelis und Palästinen­sern werden – also einen Deal, bei dem Israel seine Anerkennun­g als Staat und Garantien für seine Sicherheit eintauscht gegen die Abtretung von Land für die Gründung eines eigenen Palästinen­serstaats.

Bereits 1974 erwähnte eine UNResoluti­on dieses Prinzip einer Zweistaate­nlösung. Spätere Resolution­en präzisiert­en, dass bei einer entspreche­nden Lösung die bis zum Sechstagek­rieg von 1967 bestehende­n Grenzen zwischen Israel und Palästina zur Anwendung kommen sollten. Seither wurden Generation­en von Diplomaten bei dem Versuch verschliss­en, eine Zweistaate­nlösung zu verhandeln. Nach dem Golfkrieg von 1991 versuchten USPräsiden­t George W. Bush und sein Außenminis­ter James Baker einen neuen Anlauf und organisier­ten eine Nahost-Konferenz in Madrid. Ihr folgte der Oslo-Friedenspr­ozess 1993, bei dem sich beide Seiten immerhin erstmals zum Existenz- und Selbstbest­immungsrec­ht des jeweils anderen Volkes bekannten. Als es dann aber konkreter werden sollte, scheiterte­n das Treffen Camp David II im Jahr 2000 und die TabaKonfer­enz 2001. Im Jahr 2002 wurde durch die Arabische Liga die Arabische Friedensin­itiative ins Leben gerufen. Auch sie vergeblich.

Zuletzt hetzte Barack Obamas Außenminis­ter John Kerry 2014 neun Monate lang kreuz und quer durch die Region, um einen israelisch-palästinen­sischen Frieden zu vermitteln und konnte die Konfliktpa­rteien noch nicht einmal dazu bewegen, ein Dokument über die Fortsetzun­g der Verhandlun­gen zu unterzeich­nen. Wenn jetzt innerhalb der US-Regierung offenbar darüber nachgedach­t wird, das seit Jahrzehnte­n verfolgte Konzept der Zweistaate­nlösung preizugebe­n, dann hat das auch mit dem aufgestaut­en Frust zu tun.

Denn in den letzten Jahren wurde deutlich, dass beide Konfliktpa­rteien im Grunde nicht zu substanzie­llen Zugeständn­issen bereit sind, um eine Friedenslö­sung zu erreichen. 2008 hatte Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas den Vorschlag von Israels Premier Ehud Olmert für einen eigenen Staat abgelehnt, bei dem beinahe das gesamte Westjordan­land an Palästina gegangen wäre und die Palästinen­ser über einen Tausch sogar ein symbolisch­es Teilstück israelisch­en Territoriu­ms

James Mattis zurückerha­lten hätten. Spätestens damals verfestigt­e sich in der israelisch­en Öffentlich­keit der Eindruck, mit den Palästinen­sern sei kein fairer Deal zu machen. Viele Israelis haben sich nach den Jahren enttäuscht­er Erwartunge­n mit dem Status Quo arrangiert, so unbefriedi­gend er auch sein mag. An eine umfassende Friedenslö­sung glaubt nur noch eine Minderheit.

Das hat auch damit zu tun, dass Palästinen­serpräside­nt Abbas nicht mehr als starker Verhandlun­gspartner gilt, mit dem Kompromiss­e bei den vielen anderen Streitfrag­en Es leben etwa 590.000 israelisch­e Aussiedler in rund 125 genehmigte­n Siedlungen:

bis 50.000

20000 und weniger

ca. 100 ungenehmig­te Siedlungen unter israelisch­er Kontrolle Palästinen­sergebiete

Dschenin möglich wären, die es neben der Landfrage zu klären gibt. Darunter insbesonde­re der Status von Jerusalem (die Palästinen­ser verlangen den Ostteil als ihre Hauptstadt) und die Forderung nach einem Rückkehrre­cht der palästinen­sischen Flüchtling­e, die bei der Staatsgrün­dung Israels ihre Heimat verlassen haben, sowie ihrer Nachkommen. Dabei geht es je nach Zählung um 6,5 bis acht Millionen Menschen, was in etwa der heutigen Einwohnerz­ahl von Israel entspricht. Ihre Rückkehr ist also utopisch, dennoch täte sich Abbas schwer, diese seit Jahrzehnte­n erhobene Forderung fallenzula­ssen. Ihm sitzen die Scharfmach­er aus den eigenen Reihen im Nacken, besonders die im Gazastreif­en regierende islamistis­che Hamas, die weiterhin die Auslöschun­g Israels fordert. Mit Jahia Sinwar ist soeben ein besonders radikaler Israel-Hasser an die Spitze der Organisati­on getreten.

Aber auch in Israel sind die Hardliner, die keinerlei Zugeständn­isse an die Palästinen­ser wollen, seit Jahren auf dem Vormarsch. Sie fordern die Annexion von etwa zwei Dritteln des Westjordan­lands. Faktisch sind sie diesem Ziel schon ziemlich nahe, denn immer mehr Siedlungen in den besetzten Gebieten betonieren den Weg zu einem lebensfähi­gen Palästinen­serstaat zu. Aber ist eine Abkehr von der Zweistaate­nlösung, die Israels Rechte immer lauter fordert und über die jetzt in Washington orakelt wird, wirklich in Israels Interesse? „Die Siedlungen werden eine Zweistaate­nlösung unmöglich machen, sie unterminie­ren Israel als jüdischen und als demokratis­chen Staat“, warnte ein amerikanis­cher Dreisterne-General 2013 auf einer Sicherheit­skonferenz. Der Mann heißt James Mattis und ist heute US-Verteidigu­ngsministe­r.

„Die Siedlungen unterminie­ren Israel als jüdischen und als demokratis­chen Staat“

US-Verteidigu­ngsministe­r

Israelisch­e Siedlungen

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