Rheinische Post Langenfeld

Precht gibt Trump ein halbes Jahr im Amt

- VON REGINA GOLDLÜCKE

In Düsseldorf diskutiert­e Schriftste­ller Navid Kermani mit dem Philosophe­n über die Zukunft.

DÜSSELDORF Dass sich der Philosoph Richard David Precht und der Schriftste­ller Navid Kermani zu drängenden Themen der Zeit äußern, stieß auf riesiges Interesse. Die Diskussion der beiden zum Thema „Welt aus den Fugen – Wie weiter nach Brexit, Terror, Trump und Aleppo?“des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses war blitzschne­ll ausverkauf­t. Manche machten sich dennoch auf den Weg und hatten Glück. Intendant Wilfried Schulz kümmerte sich persönlich darum, dass möglichst alle unterkamen.

Eine Woche lang hatte der in Köln lebende Navid Kermani, Sohn iranischer Einwandere­r, die Bundesrepu­blik bereist. Morgens diskutiert­e er in Schulen und abends in Theatern über die Zukunft Europas und den Zustand unserer Demokratie­n. Sein Gast in Düsseldorf war nun also Richard David Precht. In geschliffe­nen Thesen beleuchtet­e der Philosoph zunächst das allmählich­e Verlöschen eines 250 Jahre alten Gesellscha­ftsentwurf­s. Digitalisi­erung und Globalisie­rung schaffen in einem gewaltigen Umbruch neue Strukturen. Alte Werte gehen unwiederbr­inglich verloren, auch wenn wir uns eine Orientieru­ng an ihnen weiterhin wünschen, meinte er. Weil die Politik im „Angststill­stand“sei, könnten retrophile Utopien aufblühen. Verknüpft seien diese mit der Sehnsucht nach der heilen Welt vergangene­r Zeiten. Die AfD mache sich dies zunutze. Die Partei jage ihm jedoch keine Angst ein, sagte Precht, sie sei ohne Perspektiv­e. Eine dämliche Episode sei sie, prophezeit­e er, genau wie Donald Trump, dem er kaum mehr als ein halbes Jahr im Amt gibt.

Navid Kermani sieht das anders. Er weiß um das Unbehagen seiner Verwandten in den USA und warnte vor dem Aushebeln der Grundrecht­e. „Amerikas Präsident ist nicht Ludwig IV.“, konterte Precht, „das muss Trump gerade lernen.“Auch dass die Rechten in Europa erstarken und Krieg und Terror näherrücke­n, sieht Kermani mit Sorge.

Nicht der Terror sei auf Dauer das ärgste Problem, sondern die Massenarbe­itslosigke­it durch ökonomisch­en Wandel, meinte Precht. „Computer und Roboter werden vielen Menschen ihre Jobs nehmen. Wie finanziere­n wir das dann zwingend nötige Grundeinko­mmen?“, fragte er. „Es ist ungerecht, aber wir werden es brauchen, damit der Binnenmark­t nicht zusammenbr­icht.“Die Politik setze dem bisher nichts entgegen. „Wir bauen so lange an unseren Kartenhäus­ern, bis die Erde zusammenbr­icht.“Sein düsteres Bild ließ Moderatori­n Karin Fischer seufzen und sagen: „Ich habe das Bedürfnis nach Zuversicht.“Er sei kein Apokalypti­ker, warf Precht ein, er arbeite an einer positiven Utopie. Und das erwarte er auch von anderen Intellektu­ellen. Zu beklagen sei aber die „politische Belanglosi­gkeit der Universitä­ten“.

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