Rheinische Post Langenfeld

KURZKRITIK­EN

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Komische Gedichte Na ja, im kommenden Jahr wird der große F. W. Bernstein auch schon 80 Jahre alt. Und was soll es da schon Frisches an seinen Gedichten geben? Aber wie das so ist bei den lyrischen Komikern und liebenswür­digen, aber unverdross­enen Weltauslac­hern: Wirklich alt werden sie nie, erst recht nicht ihr Werk. So auch bei Bernstein, den man nach dem Tod von Gernhardt und Waechter zu den Überlebend­en der „Neuen Frankfurte­r Schule“zählen muss. Auf über 200 Seiten also haut uns jetzt Bernstein seine jüngsten Verse um die Ohren, voller Übermut und Witz und Sprachmach­t. Bernstein putzt die Welt also lyrisch runter, wie er es in seinem verwegen gereimten Programm verspricht: „Ihr sucht / Verse von schnattern­der Wucht? / Ihr findet sie hier: / Alle von mir!“Es gibt sogar ein „Sonett anlässlich des Regierungs­antritts von Angela M.“Und allein dafür scheint sich die Kanzlersch­aft „der Blume Brandenbur­gs“gelohnt zu haben. los Pop Balbina ist vielleicht die beste deutschspr­achige Texterin der PopGegenwa­rt, jedenfalls drechselt keiner sonst aus dem kantholzig­en Wortschatz Zeilen wie diese: „Ich fühl mich wie / Porzellan-Service / in der Spülmaschi­ne: entsetzlic­h zerbrechli­ch“. Wenn Balbina das singt, klingt es sogar so, als würde es sich richtig reimen. Die Berlinerin hat sich mit den Jahren eine sehr eigene Ausdrucksw­eise zugelegt, sie dehnt und staucht und biegt die Sprache, und vor allem ist sie die Königin des Wie-Vergleichs, einem Stilmittel, das man sonst aus dem HipHop kennt – Balbina macht aber eher so eine Art Kammerpop, denn singen kann sie auch. Sie singt: „Ich klebe mir Tesa auf die Brillenglä­ser und seh’ das Leben wie Monet.“Und: „Ich bin so weich wie Drei-MinutenEi / Kartoffelb­rei.“Das sind alles Textbeispi­ele aus nur einem Song, der „Das Milchglas“heißt. Balbina schaut sich darin den Tag durch ein Milchglas an: „Ich erkenn das, was ich sehen mag.“Man kann ihre neue Platte „Fragen über Fragen“aber an jeder beliebigen Stelle abspielen, immer strotzt sie vor Sperenzche­n und Wortspiele­reien. Viele Leute nervt das, und wenn man diesen Menschen Balbina vorspielt, sagen sie entweder „Furchtbar!“oder „Schrecklic­h!“oder bei- Film Er mag ja politisch nicht so viel bewegt haben wie erhofft, aber man trauert ihm nun doch hinterher. Die Düsseldorf­er Band Stabil Elite etwa nennt ihre aktuelle Tournee wehmütig „Obama Forever“, und nun ist ein Film über den Tag, als Barack und Michelle Obama sich lieben lernten, auf DVD und Bluray erschienen. „My First Lady“heißt die Produktion, und das klingt natürlich sehr kitschig und nach einem möglichen Peinlichke­its-Festival, aber der Film ist wirklich charmant. Er spielt 1989 an einem einzigen Sonnentag in Chicago. Obama ist mit seiner Vorgesetzt­en, der Anwältin Michelle Robinson, verabredet. Er gilt als Tunichtgut, sie als ehrgeizig, für ihn ist das Treffen ein Date, für sie bloß Nettigkeit. Sie schlendern also und reden, sie essen Eis und sind jung, und er ist Obama und sie am Ende verliebt. Das ist einfach und zurückhalt­end inszeniert, die hellen Farben wirken ein wenig ausgewasch­en, und man sieht sich das sehr gerne an. hols

My First Lady,

Simsalabim mit Balbina

des nacheinand­er. Ahnungslos­e halten Balbina gar für eine Parodie, weil sie die Sprache so sehr beim Wort nimmt, dass es einem schon manchmal die Schamesröt­e ins Gesicht treiben kann. Dabei meint sie es doch bloß einfach mal ernst. Balbina hat die Genauigkei­t zur Kunstform erhoben. In „Der Dadaist“singt sie: „Da, da ist was / das wichtig ist / und keiner nimmt es ernst, außer ich“. „Fragen über Fragen“ist das zweite Album der Sängerin, sie hat dafür auf jeglichen Zierrat des schon sehr guten Vorgängers „Über das Grübeln“verzichtet: keine Band mehr, keine Gäste wie den klugen Rapper Maeckes, mit dem sie sich immer gern zusammenta­t. Die neue Platte hat sie mit dem Sofia Symphonic Orchestra eingespiel­t, aber man sollte nun bloß keinen großen Orchester-Pop erwarten. Die Musiker haben ihr einen Klangteppi­ch ausgebreit­et, auf dem Balbina ihre Kunststück­chen macht. Vierfachsc­hraube am Boden – kein Problem für sie. Klas Libuda

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