Rheinische Post Langenfeld

Neureuther verhindert deutsche Nullnummer im Medaillens­piegel

- VON THOMAS HÄBERLEIN UND MARCO MADER

Der 32-Jährige gewinnt beim Slalom in St. Moritz Bronze und wendet so die erste WM ohne Edelmetall fürs Team seit 2007 ab.

ST. MORITZ (sid) Felix Neureuther konnte sein Glück kaum fassen. Als er in seinem wohl letzten WM-Rennen Bronze sicher hatte, wusste er gar nicht, wohin mit all seinen Gefühlen. Er weinte ohne Hemmungen, er stammelte, weil er nicht wusste, wie er seine Emotionen in Worte fassen sollte. Und eines war ihm ganz besonders wichtig. „Diese Medaille“, sagte er unter Tränen, „gehört der Miri“, seiner nicht für die Biathlon-WM nominierte­n Freundin Miriam Gössner. „Der geht es zu Hause nicht so gut.“Es war eine Medaille, mit der Neureuther wohl nicht mehr gerechnet hatte. Und nicht nur er. Im Zielraum umarmte er erst den Österreich­er Manuell Feller, der Silber gewonnen hatte, und warf sich dann auf den noch am Boden liegenden neuen Weltmeiste­r Marcel Hirscher. Der war baff, wen er da über sich sah: „Was machst Du denn hier?“, rief er Neureuther verdutzt zu.

Der erstaunte Ausruf von Hirscher, der sich nach Silber in der Kombinatio­n und Gold im Riesenslal­om zum König von St. Moritz krönte, beschrieb völlig unzureiche­nd, was Neureuther durch den Kopf schoss. Ein kaputter Rücken seit dem Team-Wettbewerb am Dienstag, Rang 16 im Riesenslal­om, Rang 10 nach dem ersten Lauf im Slalom – und dann das: „Es ist alles sehr emotional für mich“, sagte Neureuther, „das ist echt sehr speziell mit den Problemen, die ich die letzten Tage hatte.“

Wie viel Neureuther die dritte Einzelmeda­ille nach Silber 2013 und Bronze 2015 bedeutet, war nicht zu überhören, und nicht zu übersehen. Der 32 Jahre alte Partenkirc­hner, auch schon mal mit Mannschaft­sgold (2005) und -Bronze (2013) dekoriert, ist zudem erst der zweite Skirennläu­fer nach dem Luxemburge­r Marc Girardelli (1989, 91, 93), der bei drei aufeinande­rfolgenden Weltmeiste­rschaften im Slalom das Siegerpode­st erklomm. „Ich denke, es sind doch meine letzten Weltmeiste­rschaften, schöner kann’s nicht werden als hier in St. Moritz“, sagte Neureuther.

14 Jahre zuvor hatte Neureuther seine erste WM bestritten – ebenfalls in St. Moritz. Er war damals mit Laufbestze­it im zweiten Durchgang 15. geworden im Slalom. All die Jahre seitdem, sagte er, seien nun wie ein Film vor seinem geistigem Auge abgelaufen, als er diese Bronzemeda­ille hatte. Es ist anzunehmen, das Neureuther­s Weg noch bis Olympia 2018 weitergeht – es dürfte der krö- nende Abschluss einer ganz besonderen Karriere werden.

Im Überschwan­g der Gefühle wollte und konnte Alpindirek­tor Wolfgang Maier aber auch nicht über die ernüchtern­de deutsche Bilanz in St. Moritz hinweggehe­n. Das Team stand vor der ersten WM seit 2007 ohne Edelmetall. „Der Felix hat uns den Arsch gerettet“, sagte er. Drei Medaillen hatte sich der DSV erhofft. „Auch die Medaille von Felix täuscht nicht darüber hinweg, dass wir über viele Dinge nachdenken müssen. Es fehlt uns ein bisschen Nachwuchs und an Typen, die diesen Rennsport als Rennsport betreiben wollen“, sagte Maier.

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