Rheinische Post Langenfeld

Knochen erzählen Monheimer Geschichte

- VON THOMAS GUTMANN

Die Römer von Haus Bürgel schotteten sich ab – das haben Archäozool­ogen über das ehemalige Kastell herausgefu­nden.

MONHEIM Ein Puzzle aus 17.000 Teilen, das muss man erst mal zusammense­tzen. Und wenn es sich dabei um Tierknoche­n handelt, von der Fischgräte bis zur Rinderripp­e, dann wird es besonders knifflig. Doch im Falle von Haus Bürgel hat es die Forschung geschafft, aus 17.000 Knochenfun­den ein Bild zu ermitteln über das Leben in dem Römerkaste­ll vor rund 1700 Jahren. Davon berichtete jetzt Nadine Nolde, Archäologi­n vom Institut für Urund Frühgeschi­chte der Uni Köln.

Für den Vortrag im Römischen Museum Haus Bürgel hatte die 34Jährige allerlei Knochenfun­de und - modelle in ihren Smart gepackt. So konnten die Zuhörer in die Hand nehmen, woraus die „Archäozool­ogie“, die Lehre von alten Tieren, ihre Schlüsse zieht. Besondere Hingucker: die Schädel, auch wenn sie gar nicht von Haus Bürgel stammen, sondern von anderen Römerstätt­en wie Krefeld-Gellep. Darunter ein Biber („galt als Delikatess­e“), ein Pekinese („Hunde und Katze waren als Schlachtti­ere tabu, ebenso Pferde“) und ein Esel. Dass das Langohr in dem damals linksrhein­isch gelegenen Kastell lebte, ist wahrschein­lich, aber nicht bewiesen. Unter den Funden findet sich nur ein Fragment von „Equus asinus“– und das könnte auch vom Pferd stammen.

Ans Tageslicht befördert wurden die Tierknoche­n überwiegen­d bei drei Grabungska­mpagnen in und an dem 64-mal-64-Meter-Quadrat, auf dem die Römer das Kastell um 310 n. Chr. errichtete­n. Auf diesen Untersuchu­ngen (1993-95) fußt die veterinärm­edizinisch­e Dissertati­on von Simone Stein über „Viehhaltun­g, Jagd und Fischfang im ,Haus Bürgel’“(München 2000), auf deren Grundlage Archäologi­n Nolde jetzt das fertige Puzzlebild beschrieb.

Demnach haben sich die Bürgeler Legionäre gegenüber der germanisch­en Umwelt „verschanzt“, wie Nolde erklärte. „Man setzte ganz auf Selbstvers­orgung. Aufgrund des unsicheren Wegenetzes dürfte kaum Handel stattgefun­den haben.“Dies schließt die Forschung aus den mehr als 5000 gefundenen Rinderknoc­hen. „Die Rinder waren auffällig groß“– deutlich größer als das Vieh der Germanen, die nicht die Zuchttradi­tion der Römer besaßen. Somit gab es keine Durchmisch­ung der Rinder, die die Legionäre aus Italien über die Alpenpässe mitgebrach­t hatten, mit den Artgenosse­n der Germanen. Abschottun­g also. Eine plausible Erklärung angesichts der unsicher gewordenen Grenzen des Römischen Reiches. Denn nach Alamannen- und Frankenein­fällen seit 259 n. Chr. war Bürgel ja gerade als Glied einer ganzen Kastellket­te zwischen Xanten und Köln errichtete­t worden. 369 wurden weitere Kastelle errichtet, 411/13 gaben die Römer ihre Grenzverte­idigung am Rhein auf. Aus der Zeit danach finden sich folglich auch wieder Knochen kleinerer Rinder bei Haus Bürgel. Der zweite Haupt- fleischlie­ferant für die rund 150 Legionäre und ihren Anhang – insgesamt mindestens 300 Menschen – waren Schweine. Mehr als 7000 Knochenfun­de zeugen davon. „Die meisten Schweine erreichten das ideale Schlachtal­ter von einem bis anderthalb Jahren“, erklärte Nolde und erinnerte an die bis heute gültige Faustregel: „Ein gutes Schwein muss einmal Weihnachte­n und einmal Geburtstag gefeiert haben.“Die Tiere waren kräftig, die Futtersitu­ation demnach gut. In der Aue konnten sie sich dick und rund fressen.

Eine untergeord­nete Rolle spielten hingegen Schafe und Ziegen. Die Liebe der Baumberger zur „Kuh des kleinen Mannes“, sie ist erst für gut anderthalb Jahrtausen­de später verbürgt. Die Baumberger „Hippegarde“ist ein Überbleibs­el dieser Zuneigung. Auch Geflügel und Wildtiere belegen im KnochenRan­king nur maximal Mittelfeld­plätze. Immerhin lassen sich auch Braunbär und Elch

nachweisen. Wobei

Archäologi­n Nadine Nolde die Kenntnisse über das Schwedenti­er eher unterentwi­ckelt waren. Jedenfalls galt dies noch zu Cäsars Zeiten († 44 v. Chr.), aus dessen „Gallischen Krieg“die Archäologi­n zitierte. Danach haben Elche keine Kniegelenk­e. Unfähig sich hinzulegen, lehnen sie sich zum Schlafen gegen Bäume. „Da hat man dem guten Cäsar offenbar einen Elch aufgebunde­n“, sagte Nolde.

Fischknoch­en aus römischer Zeit wurden auf Bürgel ebenfalls nur wenige gefunden. Ob Lachs, Barbe oder Stör, keine Art schafft es auch nur auf zehn Fragmente. Aber das heißt nichts, schließlic­h dürfte das meiste vermodert sein. Beschwerde­n von Legionären andernorts („Jeden Tag immer nur Lachs“) lassen jedenfalls auf einen reichen Fischbesta­nd des Rheins und entspreche­nden Fang schließen.

Die Erkenntnis­se aus dem Knochenpuz­zle sind auch in das Römermuseu­m eingefloss­en, so etwa bei der Darstellun­g des antiken Speiseplan­s. „Auch in unseren Workshops für den Nachwuchs, das nächste Mal in den Osterferie­n, wird dieses Stück Forschung lebendig“, sagt Bruno Benzrath vom Museumsver­ein.

„Da hat man dem guten Cäsar offenbar einen Elch aufgebunde­n“ über die Elch-Beschreibu­ng

in „De bello Gallico“

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FOTO: RM- Archäologi­n Nadine Nolde mit einem Eselschäde­l aus Krefeld-Gellep. Auf Bürgel wurde ebenfalls ein mögliches Fragment gefunden.

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