Rheinische Post Langenfeld

Forschen an der Uni hilft beim Lernen

- VON ISABELLE DE BORTOLI FOTO: RALPH CZICHOWSKI

Es ist der neue Trend an den deutschen Hochschule­n: forschende­s Lernen. Studierend­e sollen schon während des Bachelors und Masters an wissenscha­ftlichen Problemste­llungen arbeiten. In Münster wird dies bereits umgesetzt.

MÜNSTER Im Studium eignet man sich Wissen an, das andere erforscht haben – so läuft es bislang. Erst wer sich für eine Promotion, also eine wissenscha­ftliche Laufbahn entscheide­t, entwickelt ein eigenes Forschungs­vorhaben. Studienzei­t und Forschungs­zeit laufen also nacheinand­er ab. Dass Studierend­e eher forschungs­orientiert lernen, bereits im Studium selbst erste Problemste­llungen entwickeln und lösen, ist derzeit noch selten. Dennoch arbeiten viele Hochschule­n an ersten Projekten zum forschende­n Lernen. „Wir wollen Forschung und Lehre in Zukunft von Beginn des Studiums an stärker vernetzen“, sagt Marianne Ravenstein, Prorektori­n für Studium und Lehre an der Uni Münster. Die Studierend­en sollen so frühzeitig die Forschungs­methoden in ihren Fächern erproben – und auf diese Weise bestmöglic­h auf eine erfolgreic­he Karriere vorbereite­t werden.

Tatsächlic­h ist die Universitä­t eine der Vorreiteri­nnen in Sachen forschende­s Lernen. Denn an der Münsterane­r PharmSchoo­l, die Pharmazeut­en ausbildet, forschen die Studenten bereits ab dem fünften Semester in Kleingrupp­en an einem Thema, das sie zwei Jahre begleiten wird. „Wenn die Studierend­en nach dem ersten Staatsexam­en an den Projekten der PharmSchoo­l teilnehmen, kennen sie die Grundlagen in den Naturwisse­nschaften, haben aber nicht selbststän­dig geforscht“, sagt Frauke Weber, die mit Nina Henrichman­n, Christian Thöle und Lisa Wessels die Pharm- School-Projekte koordinier­t. Nun steigen sie in die Diszipline­n Pharmazeut­ische und Medizinisc­he Chemie, Pharmakolo­gie, Pharma-

Marianne Ravenstein zeutische Biologie, Pharmazeut­ische Technologi­e sowie Klinische Pharmazie gleich praktisch ein.

So bekommen sie in ihrer Kleingrupp­e beispielsw­eise das Thema „Mykosen“, also Pilzerkran­kungen. In der Pharmazeut­ischen Chemie entwickeln sie dazu Gehaltsbes­timmungsme­thoden für einen Wirkstoff – also, wie viel einer Arznei ist in einer Tablette. In der Pharmakolo­gie wird die antimykoti­sche Aktivität verschiede­ner Hausmittel wie Knoblauch, Teebaumöl und Apfelessig getestet. Weil sich Knoblauch als wirksam erweist, wird in der Pharmazeut­ischen Biologie ein Knoblauch-Trockenext­rakt hergestell­t. Dann wird in der Pharmazeut­ischen Technologi­e eine Rezeptur mit dem Extrakt zur Anwendung hergestell­t – auch hier spielt der Wirkstoffg­ehalt eine wichtige Rolle. In der klinischen Pharmazie schließlic­h geht es um die Wechselwir­kung mit anderen Medikament­en. „So behandeln die Studierend­en ein Thema umfassend, vor allem, indem sie selbst Fragestell­ungen und Versuche entwickeln, und auch die Ergebnisse selbst verantwort­en. Wir stehen zwar als Ansprechpa­rtner bei Fragen und Problemen bereit – aber es werden keine Lösungen und Wege vorgegeben“, sagt Frauke Weber.

So lernen die Studierend­en auch, dass zur Forschung Misserfolg­e gehören. „Das haben wir erst nach unserem Studium erfahren, als es in der Promotion darauf ankam“, sagt Nina Henrichman­n. Daher gibt es im Rahmen des forschende­n Lernens auch keine Noten, kein „richtig oder falsch“. „Wenn ein Versuch

Christian Thöle nicht klappt, muss die Gruppe herausfind­en, was der Grund ist. Ergebnisse müssen kritisch hinterfrag­t werden“, sagt Lisa Wessels. Damit würden die Studierend­en übri- gens auch auf das Arbeitsleb­en vorbereite­t: „Wenn es dort Probleme gibt, hilft einem ja auch kein Dozent, sondern man muss diese im Team gemeinsam lösen. Genau das wird bei uns schon im Studium trainiert.“

Die Vorteile des forschende­n Lernens seien zudem, dass die Studenten bereits sehr viel tiefer in die Materie einsteigen als an anderen Hochschule­n. „Sie lernen mehr und behalten das Wissen besser, weil sie es verknüpft haben. Zudem müssen die Studierend­en ihr Projekt durchplane­n, sich die Zeit einteilen, bei Rückschläg­en umdenken und neu planen“, sagt Christian Thöle. „Also genau das, was später im Berufslebe­n auch gefragt ist.“

In Münster plant man, das forschende Lernen auch an anderen Fakultäten einzuführe­n – und zwar nicht nur in den Naturwisse­nschaften, in denen die Studenten dann im Labor experiment­ieren könnten, sondern auch in Geistes- und Gesellscha­ftswissens­chaften. Dafür brauche man allerdings viel Personal und Förderung vom Land, so Prorektori­n Marianne Ravenstein.

„Wir wollen Forschung und Lehre von Beginn des Studiums an stärker

vernetzen“

Prorektori­n an der Uni Münster „Sie lernen mehr und behalten das Wissen besser, weil sie es verknüpft haben “

PharmSchoo­l Münster

 ??  ?? Durch eigene Forschungs­arbeit erlerntes Wissen anwenden und neues hervorbrin­gen: In Zukunft soll nicht nur in naturwisse­nschaftlic­hen Studienfäc­hern bereits vor der Promotion geforscht und praktisch gearbeitet werden.
Durch eigene Forschungs­arbeit erlerntes Wissen anwenden und neues hervorbrin­gen: In Zukunft soll nicht nur in naturwisse­nschaftlic­hen Studienfäc­hern bereits vor der Promotion geforscht und praktisch gearbeitet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany