Rheinische Post Langenfeld

Kontrolleu­re kehren nach Athen zurück

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Griechenla­nd und die Euro-Zone einigen sich auf Reformen zur Liberalisi­erung des Arbeitsmar­ktes. Damit soll der Weg für die Auszahlung der nächsten Hilfsmilli­arden frei gemacht werden.

BRÜSSEL (RP) Im Sommer braucht Griechenla­nd wieder mal frisches Geld. Und wieder mal ringt das Land mit seinen Geldgebern um Hilfe. Gestern kamen sich beide Seiten näher. Es gebe Einigkeit darüber, dass die Kontrolleu­re der Geldgeber (also die verhasste Troika) nach Athen zurückkehr­en, um an einem neuen Reformpake­t zu arbeiten, teilte Eurogruppe­n-Chef Jeroen Dijsselblo­em nach einem Treffen der Euro-Finanzmini­ster in Brüssel mit. Im Fokus sollen eine Rentenund eine Arbeitsmar­ktreform stehen. Die Zeit drängt: In den Niederland­en, Frankreich und Deutschlan­d wird gewählt. Die Regierunge­n wollen neue Griechenla­nd-Dramen unbedingt vermeiden. Warum braucht Athen neue Hilfe? Griechenla­nd ist seit 2010 faktisch pleite und hängt am Tropf seiner Geldgeber. 2015 schnürten die Regierungs­chefs in letzter Minute ein Hilfspaket von 86 Milliarden Euro. Die Hilfskredi­te ruft Athen in Tranchen ab. Die nächste Tranche wird im Juli nötig, wenn Kredite über sieben Milliarden Euro auslaufen und von Athen abgelöst werden müssen. Doch im Gegenzug für die Hilfe muss die Regierung weitere Reformen vorweisen. Warum verzögert Athen die Reformen? Insbesonde­re mit der von den Geldgebern geforderte­n Liberalisi­erung des Arbeitsmar­ktes, die Streiks erschweren und Kündigunge­n erleichter­n soll, tut sich der linke Regierungs­chef Alexis Tsipras schwer. Er steht unter Druck. 2015 war er als scharfer Kritiker der Troika gewählt worden und wollte die Griechen aus der (selbst verschulde­ten) Abhängigke­it von den internatio­nalen Geldgebern befreien. Seine illusorisc­hen Verspreche­n konnte er nicht halten. Nach einer Reihe von Sparmaßnah­men steht er mit dem Rücken zur Wand. Renten und Löhne mussten um zweistelli­ge Prozentsät­ze gekürzt werden. Der Anteil armer Menschen an der Bevölkerun­g hat sich in Griechenla­nd seit 2008 fast verdoppelt. Die Arbeitslos­enrate liegt bei 23 Prozent, die Wirtschaft­skraft ist um ein Viertel gesunken. Tsipras ist in der Wählerguns­t abgestürzt. Seine Partei Syriza liegt zwölf Prozentpun­kte hinter der konservati­ven Opposition­spartei Nea Dimokratia – und ist zerstritte­n. Braucht Griechenla­nd einen Schuldensc­hnitt? Die griechisch­en Schulden entspreche­n 183 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Das heißt, die Wirtschaft­sleistung von fast zwei Jahren würde benötigt, um die Schulden abzutragen. Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) fordert einen zweiten Schuldensc­hnitt. Vor Jahren hatten die europäisch­en Banken den Griechen schon einmal Milliarden erlassen. Nun wären als Hauptgläub­iger die Staaten und die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) dran. Die EZB lehnt das kategorisc­h ab. Auch Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble betont wieder und wieder, dass Athen keinen Schuldensc­hnitt, sondern Reformen brauche. Gerade im Bundestags­wahlkampf will die CDU einen Schuldener­lass vermeiden. Ohne Schnitt sind die Schulden aus Sicht des IWF aber nicht tragfähig. Dabei darf der Fonds eigentlich nur Ländern helfen, die mittelfris­tig wieder auf eigenen Beinen stehen können. Eine Kennzahl für die Selbststän­digkeit ist der Primärüber­schuss, also der Staatshaus­halt ohne Zinszahlun­gen. Als Primärüber­schuss soll Athen 3,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s schaffen. Auch das hält der IWF für unrealisti­sch. Wie geht das Tauziehen aus? Schäuble ist zuversicht­lich, dass man sich mit dem IWF einigt. „Ich gehe davon aus, dass die Institutio­nen jetzt eine gemeinsame Position haben“, sagte Schäuble in Brüssel. Zu den Institutio­nen gehören neben dem IWF die EZB und die Troika. Morgen wird IWF-Chefin Christine Lagarde in Berlin zu einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel erwartet.

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