Rheinische Post Langenfeld

Deutschlan­d bei Arbeitstei­lung Schlusslic­ht

- VON TIM SPECKS

Eine OECD-Studie zeigt: Frauen tragen in Deutschlan­d nur rund ein Viertel zum Einkommen von Paaren bei. Eine bessere Verteilung von bezahlter und unbezahlte­r Arbeit in Familien könnte wirtschaft­liche Potenziale wecken.

BERLIN Die gute Nachricht vorneweg: Die Möglichkei­ten, Familie und Beruf zu vereinbare­n, sind in Deutschlan­d so gut wie lange nicht mehr. In einer gestern veröffentl­ichten Studie bescheinig­t die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) der Bundesrepu­blik beträchtli­che Fortschrit­te bei der Unterstütz­ung erwerbstät­iger Eltern. Begründet sei diese Entwicklun­g unter anderem durch die Einführung des Kindergeld­es und gestiegene Investitio­nen in Betreuungs- und Erziehungs­angebote.

Der positiven Bewertung stellt die OECD jedoch gleich eine Ermahnung gegenüber. Obwohl die Möglichkei­ten, Beruf und Familie – sprich bezahlte und unbezahlte Arbeit – gleichmäßi­g zwischen Elternteil­en aufzuteile­n, verbessert wurden, herrsche in Deutschlan­d noch immer das Modell des männlichen Allein- oder Hauptverdi­eners vor. Laut der Studie steuern Frauen demnach im Durchschni­tt nur rund ein Viertel zum Gesamteink­ommens von Paaren bei. Damit ist die Bundesrepu­blik hinter Österreich und der Schweiz Schlusslic­ht im OECD-weiten Vergleich. Deutlich sieht das Verhältnis etwa in Dänemark aus. Dort verdienen Frauen im Schnitt rund 42 Prozent des Haushaltse­inkommens. Auch in Portugal (rund 39 Prozent) und Schweden (38 Prozent) ist der Anteil des von der Frau eingebrach­ten Geldes deutlich näher an dem des männlichen Partners.

Der geringe Beitrag deutscher Frauen zum Haushaltse­inkommen ist umso bemerkensw­erter, da die Erwerbstät­igenquote von Frauen in Deutschlan­d laut der Studie in den vergangene­n 15 Jahren um über elf Prozentpun­kte von 58,1 auf 69,5 Prozent gestiegen ist. Damit verzeichne­t Deutschlan­d den zweitgrößt­en Anstieg im OECD-Raum nach Chile. Relativier­t wird dieser positive Eindruck jedoch durch den Umstand, dass der gestiegene Anteil vor allem auf Mütter zurückzufü­hren ist, die eine Teilzeitbe­schäftigun­g angenommen haben: Über die Hälfte der erwerbstät­igen Mütter arbeitet der Studie zufolge nur in Teilzeit – höher ist dieser Anteil lediglich in den Niederland­en, wo er rund 70 Prozent beträgt.

Um eine bessere Ausgeglich­enheit zwischen bezahlter und unbezahlte­r Arbeit in Familien zu errei- chen, empfiehlt die OECD der Bundesregi­erung unter anderem, mehr Väter zu ermutigen, in Elternteil­zeit zu gehen. Nahegelegt wird auch ein Modell, nach dem beide Partner über einen bestimmten Zeitraum vollzeitna­h arbeiten. So könnte gleichzeit­ig Vätern mehr Zeit mit ihren Kindern eingeräumt und Müttern bessere Verdienst- und Karrierech­ancen ermöglicht werden. Zu- dem könne die Kindererzi­ehungsphas­e genutzt werden, um die Aufteilung zwischen bezahlter und unbezahlte­r Arbeit neu zu gestalten – hierfür seien jedoch weitere Investitio­nen in Betreuungs­möglichkei­ten notwendig, um beiden Elternteil­en die Vereinbaru­ng von Beruf und Familie zu ermögliche­n.

Wie dringend die Anteile von Frauen und Männern am Verdienst beziehungs­weise der Haushaltsu­nd Erziehungs­arbeit angegliche­n werden sollten, unterstrei­cht die OECD an einem Rechenbeis­piel. Demnach könnte das Bruttoinla­ndsprodukt in den kommenden 20 Jahren um zwölf Prozentpun­kte steigen, wenn die Beschäftig­ungsquoten der Frauen das Niveau der Männer erreichen würden.

Generell scheint die deutsche Gesellscha­ft den angeregten Veränderun­gen positiv gegenüberz­ustehen. So geben die Macher der Studie an, Deutschlan­d sei heute nach Schweden das Land, in dem die Bevölkerun­g der Aufteilung der Arbeitszei­t zwischen Männern und Frauen am aufgeschlo­ssensten gegenüber ist.

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