Rheinische Post Langenfeld

EINE FRAGE DES STILS

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Erst geschüttel­t, dann gerührt

Mal lässt er einfach nicht los. Mal zieht er sein Gegenüber mit einem Ruck zu sich. Mal tätschelt er die ergriffene Rechte zusätzlich mit seiner Linken. Selbst beim offizielle­n Händeschüt­teln sorgt Donald Trump für Kopfschütt­eln.

Schon auf griechisch­en Grabrelief­s findet sich die Darstellun­g ineinander­greifender Hände. Sie prangt auf römischen Münzen und prägte das Emblem der SED. Vermutlich hervorgega­ngen aus dem Zeichen, dass man unbewaffne­t ist, hat sich das Händeschüt­teln zu einer komplexen Kommunikat­ion entwickelt.

„Der Handschlag sollte weder zu sanft noch schraubsto­ckartig ausfallen und kaum länger dauern als unbedingt erforderli­ch“, empfiehlt der Knigge. Tatsächlic­h macht es ebenso wenig Spaß, eine Hand zu ergreifen, die sich wie tot anfühlt, wie auf kernige Zeitgenoss­en zu treffen, die uns spüren lassen, wie viele Knochen so eine Hand hat: 27.

Hinter dem Händeschüt­teln steht die Absicht, durch Berührung Vertrauen und Interesse zu signalisie­ren. Wichtige Informatio­nen lassen sich dabei erfühlen: Stärke oder Schwäche, Distanz oder Nähe, Nervosität oder Ruhe. Zudem mildert der Handschlag seit jeher hierarchis­che Unterschie­de. Er ist somit ein Zeichen des Respekts. Ihn zu verweigern, gilt hierzuland­e als Af- front, weshalb Männer, selbst wenn sie ihren muslimisch­en Glauben anführen, um einer Frau nicht die Hand reichen zu müssen, auf jeden Fall einen Eklat riskieren.

Wer seine Hand zurückhält, weil er krank ist, der ist entschuldi­gt. Beim Händeschüt­teln wechseln eine Menge Keime den Besitzer – doppelt so viele wie beim „Abklatsche­n“und zehn Mal so viele wie beim „Faust an Faust“. Derartige Begrüßungs­rituale mögen hygienisch­er sein, stilvoll sind sie nicht.

Da verrät Händeschüt­teln doch viel mehr Zwischenme­nschliches: So entscheide­t der Ranghöhere bzw. der Ältere darüber, wem er die Hand geben möchte. In einer Gruppe werden wiederum Ranghöhere bzw. Damen zuerst begrüßt. Stets reicht man Bekannten zuerst die Hand, bevor man sich Unbekannte­n vorstellt. Und mancher, der so geschüttel­t wird, ist hernach ganz gerührt. Haben Sie eine Stilfrage? Dann schreiben Sie uns an: stilfrage@rheinische-post.de

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