Rheinische Post Langenfeld

Bausparer verlieren vor dem BGH

- VON GEORG WINTERS

Der Bundesgeri­chtshof erklärt die Kündigung zuteilungs­reifer Bausparver­träge für rechtens. Betroffen sind rund 250.000 Kunden. Die Bausparkas­sen atmen auf, Verbrauche­rschützer sind enttäuscht.

KARLSRUHE Der Streit um die Kündigung alter Bausparträ­ge mit höheren Zinsen ist höchstrich­terlich entschiede­n. Er endete mit einer Niederlage für die Bausparer. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat entschiede­n, dass Bausparkas­sen die entspreche­nden Verträge kündigen dürfen, sobald zehn Jahre seit der sogenannte­n Zuteilungs­reife vergangen sind. Betroffen sind Schätzunge­n zufolge etwa 250.000 Kunden. Deren Hoffnungen, doch noch weiter attraktive Sparkondit­ionen bei den Kassen nutzen zu können, sind mit dem Urteil nun endgültig geplatzt. (Az.: XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16)

In den verhandelt­en Fällen hatten zwei Wüstenrot-Kunden geklagt, deren Verträge mit drei und 4,5 Prozent verzinst worden waren. In einem Fall stammte der Vertrag aus dem Jahr 1978. Das Oberlandes­gericht Stuttgart hatte ihnen recht gegeben, während andere Berufungsg­erichte zugunsten der Bausparkas­se entschiede­n hatten.

Formell hat der BGH sein Urteil mit dem Paragrafen 489 im Bürger- lichen Gesetzbuch begründet. Danach kann ein Darlehensn­ehmer „in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständi­gen Empfang des Darlehens unter Einhaltung einer Kündigungs­frist von sechs Monaten kündigen“. Die etwas komplizier­te Auslegung: Im Fall der Bausparver­träge ist die Bausparkas­se der Darlehensn­ehmer, solange die Sparphase des Kunden läuft. Der „vollständi­ge Empfang des Darlehens“ist erreicht, wenn der Vertrag zuteilungs­reif ist.

In den vergangene­n Jahren hatten die Anbieter Verträge gekündigt, die vor vielen Jahren mit einem Sparzins von mitunter mehr als drei Prozent abgeschlos­sen worden waren. Die Kunden nutzten diese Verträge zuletzt zunehmend nur wegen der hohen Guthabenzi­nsen, die es in der Niedrigzin­sphase anderswo kaum gab, ließen ihren Anspruch auf ein Darlehen aber unangetast­et, weil Baukredite bei anderen Anbietern zu ähnlich günstigen, im Einzelfall sogar zu besseren Konditione­n zu bekommen waren. Aus Sicht der Bausparkas­sen widersprac­h dies aber dem Kollektivg­edanken, demzufolge Sparer erst in den Ver- trag einzahlen und danach ein Darlehen beanspruch­en.

Die Anbieter hätten durch ein BGH-Urteil zugunsten der Bausparer die Verträge wieder aufleben lassen müssen. Das hätte in der Niedrigzin­sphase einige Anbieter in arge Bedrängnis bringen können. Entspreche­nd groß war die Erleichter­ung in der Branche. „Verträge zu kündigen, macht alles an- dere als Freude. Umso wichtiger ist es, jetzt bestätigt zu bekommen, dass diese Kündigunge­n rechtmäßig erfolgt sind“, sagte Andreas Zehnder, Vorstandsc­hef beim Verband der privaten Bausparkas­sen. „99 Prozent der Bausparer haben gewonnen, weil das Urteil die Gemeinscha­ft stärkt“, erklärte ein Sprecher der Landesbaus­parkasse LBS West (Münster) auf Anfrage unserer Redaktion. Die Bausparkas­se hat etwa 2,6 Millionen Kunden. Von denen seien weniger als ein Prozent von den Kündigunge­n betroffen gewesen, sagte der Sprecher. Die gekündigte­n Verträge seien im Schnitt weitaus älter als 20 Jahre gewesen.

Enttäuscht reagierten die Verbrauche­rschützer. Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g kritisiert­e: „Der Grundsatz der Vertragstr­eue wurde heute schwer erschütter­t. Früher haben die Bausparkas­sen die Verträge als Geldanlage angepriese­n. Jetzt werden die Verluste auf die Kunden abgewälzt. Das ist höchst ärgerlich für die Verbrauche­r.“Leitartike­l Wirtschaft

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