Rheinische Post Langenfeld

REPUBLIK

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Und plötzlich ist Wahlkampf

Mit dem Wahlkampf verhält es sich wie mit Ostern: Das Ereignis kündigt sich unglaublic­h früh an – kurz nach Weihnachte­n mit den ersten Schokohase­n im Supermarkt­regal. Wenn es dann so weit ist, gibt es doch noch ein paar versteckte Überraschu­ngen.

Union und SPD jedenfalls improvisie­ren sich gerade durch einen Bundestags­wahlkampf, der nach Planung der Parteizent­ralen noch gar nicht hätte losgehen sollen. Denn unter Wahlkampfe­xperten hat sich längst herumgespr­ochen, dass man sein Pulver so lange wie möglich trockenhal­ten sollte. Immer mehr Menschen entscheide­n immer knapper vor dem Wahltermin, wo sie ihr Kreuz setzen. Dementspre­chend überforder­n beide Regierungs­parteien die unerwartet­e Nominierun­g von Martin Schulz als SPD-Kanzlerkan­didat und der folgende Höhenflug der Sozialdemo­kraten in den Umfragewer­ten.

Die Union hat noch nicht einmal eine Strategie, wie sie mit Schulz umgehen soll. Ein Teil der Parteiführ­ung setzt auf Offensive, derweil die CDU-Chefin und Kanzlerin nach bewährter Strategie den Gegner an sich abtropfen lassen will. Bei Schulz wird das aber nicht funktionie­ren. Ihm gelingt es, die Bürger jenseits der üblichen rhetorisch­en Schleifen zu erreichen. Selbstvers­tändlich braucht die Union also eine Offensivst­rategie. Der politische Aschermitt­woch wäre ein gutes Datum, sie zu starten.

Die Sozialdemo­kraten wiederum machen strategisc­h derzeit viel rich- tig. Ihnen gelingt es, alten Themen neuen Glanz zu verleihen. Doch risikofrei ist ihr Vorgehen auch nicht: Schulz macht zwar die große Welle, im Detail kennt er sich aber noch nicht aus. Peinlich war, dass er die Quote der Befristung­en bei neuen Jobs etwa doppelt so hoch ansetzte, wie sie in Wahrheit ist, um seine Forderunge­n zu begründen. In einer TV-Talkshow nach dem Mindestloh­n gefragt, fiel ihm nicht ein, dass dieser von einer Tarifkommi­ssion aus Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften in Deutschlan­d festgelegt wird und nicht von der SPD.

Nun könnte man meinen, die Opposition würde den Kickstart in den Wahlkampf ausnutzen. Die aber zeigt sich erst recht schlecht sortierte. Die Grünen scheinen den Klartext verlernt zu haben. Das kommt davon, wenn man sich einfach nicht zwischen Rot-Grün und SchwarzGrü­n entscheide­n kann. Die Linken wiederum fremdeln so offensicht­lich mit ihrer Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t, dass von Schlagkraf­t keine Rede sein kann. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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