Türkische Mitregierung in Deutschland
Während wir uns in Deutschland über die Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel und die Instrumentalisierung der türkischen Justiz gegen Kritiker von Präsident Erdogan empören, geben sich türkische Minister in Deutschland die Klinke in die Hand. Heute kommt der Justizminister nach Karlsruhe, um Wahlkampf zu machen; am Sonntag kommt der Wirtschaftsminister nach Köln. Und ein Besuch von Erdogan persönlich droht uns auch noch. In Ankara glaubt man offenbar, in Deutschland gewissermaßen mitregieren zu dürfen. Das ist dreist, in der Vergangenheit aber aus falsch verstandener diplomatischer Zurückhaltung von der Bundesregierung auch nicht entschieden genug angeprangert worden.
Im Fall Yücel hat man sich in Berlin nun zu klaren Worten durchgerungen und erhöht den Druck auf Erdogan. Das ist gut so, reicht aber nicht aus. Wir können nicht akzeptieren, dass türkische Minister bei uns von eben jener Meinungsfreiheit profitieren, die sie im eigenen Land gerade wegsperren. Solche Auftritte zu verbieten, fällt juristisch schwer. Aber was hindert unseren Außenminister eigentlich daran, in der Türkei eine flammende Rede für die Pressefreiheit zu halten? Als Privatmann natürlich. BERICHT BUCHUNGEN IN DIE TÜRKEI . . ., TITELSEITE
Im Schongang
Der politische Aschermittwoch ist der Tag der deftigen Gegnerbeschimpfung und schlichten Selbstvergewisserung. Gemessen daran waren die Vorstellungen von Union und SPD ein wenig enttäuschend. Obwohl in Bayern die notorisch selbstbewusste CSU und die gerade von sich selbst berauschte SPD nur wenige Kilometer voneinander entfernt aufeinandertrafen, war es ein Aschermittwoch im Schongang. Die großen Volksparteien haben längst den Herbst 2017 im Blick und wissen, dass sie möglicherweise wieder miteinander regieren müssen – mit Merkel oder mit Schulz an der Spitze.
Langweilig wird es bis dahin nicht. Die neue Stärke der SPD belegt die alte Weisheit, wonach Konkurrenz das Geschäft belebt. Leider führt diese Konkurrenz bei Union und SPD dazu, dass sie je ein unterschiedlich bestücktes Füllhorn zur Hand nehmen und über den staunenden Wählern ausgießen. Wie sinnlos es ist, die Wünsch-Dir-Was-Programme zweier Volksparteien zu addieren, dafür ist die aktuelle Rentenpolitik ein Beweis: zusätzliche Milliardenausgaben, aber davon kein gezielt investierter Cent gegen Altersarmut. BERICHT
Verspätung als Spätfolge
Die Bahninfrastruktur in Deutschland ist in einem desolaten Zustand. Hartmut Mehdorn hat in seinem Bestreben, die Bahn an die Börse zu bringen, Einsparungen vorangetrieben und einen Investitionsstau verursacht – zum Nachteil von Gleisen, Weichen und Stellwerken. Gottlob hat die Politik eingesehen, welch großen Schaden dieser Kurs angerichtet hat. Der Bund steuert finanziell gegen. Für die Kunden bedeutet dies, dass sie in den kommenden Jahren mit massiven Beeinträchtigungen durch Baustellen rechnen müssen. Verspätung als Spätfolge eines verfehlten Managements.
Das trifft nicht nur die Bahn selbst, sondern auch die privaten Eisenbahnunternehmen. Und es trifft diese in doppelter Hinsicht, wenn die DB Nahverkehrszüge mit Tausenden Pendlern anhalten lässt, um ihren eigenen Fernzügen Vorfahrt zu geben. Einige profitieren auf Kosten vieler. Die Forderung des VRR, von dieser Praxis abzulassen, ist richtig. Allein: Angesichts der ambitionierten Pünktlichkeitsziele des DB-Fernverkehrs wird es wohl ein unerfüllter Wunsch bleiben. BERICHT