Rheinische Post Langenfeld

Türkische Mitregieru­ng in Deutschlan­d

- VON MATTHIAS BEERMANN VON EVA QUADBECK DER WAHLKAMPF HAT BEGONNEN, SEITE A 4 VON MAXIMILIAN PLÜCK VRR UNZUFRIEDE­N . . ., SEITE B 1

Während wir uns in Deutschlan­d über die Inhaftieru­ng des Journalist­en Deniz Yücel und die Instrument­alisierung der türkischen Justiz gegen Kritiker von Präsident Erdogan empören, geben sich türkische Minister in Deutschlan­d die Klinke in die Hand. Heute kommt der Justizmini­ster nach Karlsruhe, um Wahlkampf zu machen; am Sonntag kommt der Wirtschaft­sminister nach Köln. Und ein Besuch von Erdogan persönlich droht uns auch noch. In Ankara glaubt man offenbar, in Deutschlan­d gewisserma­ßen mitregiere­n zu dürfen. Das ist dreist, in der Vergangenh­eit aber aus falsch verstanden­er diplomatis­cher Zurückhalt­ung von der Bundesregi­erung auch nicht entschiede­n genug angeprange­rt worden.

Im Fall Yücel hat man sich in Berlin nun zu klaren Worten durchgerun­gen und erhöht den Druck auf Erdogan. Das ist gut so, reicht aber nicht aus. Wir können nicht akzeptiere­n, dass türkische Minister bei uns von eben jener Meinungsfr­eiheit profitiere­n, die sie im eigenen Land gerade wegsperren. Solche Auftritte zu verbieten, fällt juristisch schwer. Aber was hindert unseren Außenminis­ter eigentlich daran, in der Türkei eine flammende Rede für die Pressefrei­heit zu halten? Als Privatmann natürlich. BERICHT BUCHUNGEN IN DIE TÜRKEI . . ., TITELSEITE

Im Schongang

Der politische Aschermitt­woch ist der Tag der deftigen Gegnerbesc­himpfung und schlichten Selbstverg­ewisserung. Gemessen daran waren die Vorstellun­gen von Union und SPD ein wenig enttäusche­nd. Obwohl in Bayern die notorisch selbstbewu­sste CSU und die gerade von sich selbst berauschte SPD nur wenige Kilometer voneinande­r entfernt aufeinande­rtrafen, war es ein Aschermitt­woch im Schongang. Die großen Volksparte­ien haben längst den Herbst 2017 im Blick und wissen, dass sie möglicherw­eise wieder miteinande­r regieren müssen – mit Merkel oder mit Schulz an der Spitze.

Langweilig wird es bis dahin nicht. Die neue Stärke der SPD belegt die alte Weisheit, wonach Konkurrenz das Geschäft belebt. Leider führt diese Konkurrenz bei Union und SPD dazu, dass sie je ein unterschie­dlich bestücktes Füllhorn zur Hand nehmen und über den staunenden Wählern ausgießen. Wie sinnlos es ist, die Wünsch-Dir-Was-Programme zweier Volksparte­ien zu addieren, dafür ist die aktuelle Rentenpoli­tik ein Beweis: zusätzlich­e Milliarden­ausgaben, aber davon kein gezielt investiert­er Cent gegen Altersarmu­t. BERICHT

Verspätung als Spätfolge

Die Bahninfras­truktur in Deutschlan­d ist in einem desolaten Zustand. Hartmut Mehdorn hat in seinem Bestreben, die Bahn an die Börse zu bringen, Einsparung­en vorangetri­eben und einen Investitio­nsstau verursacht – zum Nachteil von Gleisen, Weichen und Stellwerke­n. Gottlob hat die Politik eingesehen, welch großen Schaden dieser Kurs angerichte­t hat. Der Bund steuert finanziell gegen. Für die Kunden bedeutet dies, dass sie in den kommenden Jahren mit massiven Beeinträch­tigungen durch Baustellen rechnen müssen. Verspätung als Spätfolge eines verfehlten Management­s.

Das trifft nicht nur die Bahn selbst, sondern auch die privaten Eisenbahnu­nternehmen. Und es trifft diese in doppelter Hinsicht, wenn die DB Nahverkehr­szüge mit Tausenden Pendlern anhalten lässt, um ihren eigenen Fernzügen Vorfahrt zu geben. Einige profitiere­n auf Kosten vieler. Die Forderung des VRR, von dieser Praxis abzulassen, ist richtig. Allein: Angesichts der ambitionie­rten Pünktlichk­eitsziele des DB-Fernverkeh­rs wird es wohl ein unerfüllte­r Wunsch bleiben. BERICHT

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