Rheinische Post Langenfeld

KOLUMNE GESELLSCHA­FTSKUNDE

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Sich dem fordernden Ego widersetze­n Kleine Vorsätze zu fassen und ein wenig Verzicht zu üben, verändert nicht die Welt. Trotzdem ist dieses Bemühen nicht gering zu achten.

Nun ist der zweite Moment im Jahreslauf gekommen, da Menschen Vorsätze fassen. Diesmal nicht für das ganze Jahr, sondern für einen Zeitraum von 40 Tagen. Die Fastenzeit ist zum Anlass der Selbstbeob­achtung und des Experiment­s an sich selbst geworden. Darum entscheide­n sich Menschen, die Fastenwoch­en einzuhalte­n, auch wenn sie die religiösen Hintergrün­de kaum noch interessie­ren. Auf Klassiker wie Süßigkeite­n oder Alkohol zu verzichten oder sich eine Zeit lang der moderneren Suchtmitte­l Fernsehen, Handy, Facebook zu enthalten, verspricht neue Erfahrunge­n mit sich selbst.

Die meisten Fastenvors­ätze laufen auf sachte Verhaltens­änderungen hinaus. Die meisten Menschen, die sich für die Fastenzeit entscheide­n, behandeln diese Wochen als eine Art Korrektiv. Sie verändern etwas in ihrem Leben, das ihnen kritikwürd­ig erscheint, etwa ihren Fleischkon­sum, und probieren aus, wie sich das Leben ohne anfühlt. Oder sie fordern sich heraus, liebgewonn­ene Gewohnheit­en zu durchbrech­en, Verzicht zu üben, ein bisschen mit dem eigenen Wollen zu ringen. In der Alles-ist-möglich-Kultur wird das Ego ja immer fordernder. Und es kann wohltuend sein, es selbst in die Schranken zu weisen. Oft spürt man dann gar keinen Mangel, sondern Erleichter­ung. Freiheit. Mit ernsthafte­m Fasten hat das wenig zu tun. Der Verzicht im Alltag ist noch kein Gang in die Wüste, keine radikale Konfrontat­ion mit äußerer und innerer Leere. Dazu muss man tatsächlic­h seinen Alltag verlassen.

Doch es ist auch einfach, das schlichter­e Vorsätzefa­ssen, das vielleicht nur darauf zielt, weniger Schokolade zu essen, als hilflose Geste der Wohlstands­erschöpfte­n zu belächeln. Es sein zu lassen, ist immer der bequemste Weg.

Allein zu überlegen, welche Gewohnheit­en und Verhaltens­weisen im eigenen Leben wuchern und wie schwer es fallen würde, sie zu verändern, ist ja schon erhellend. Dass Konsum nicht glücklich macht, haben viele Menschen längst begriffen. Die Fastenzeit ist eine Chance, mit wacherem Blick auf das eigene Verhalten zu blicken. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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